Rückblick: Studierende der Goethe-Uni auf der NMUN 2017

Auf der NMUN 2017 repräsentierte die Delegation der Goethe-Uni den Staat Israel.

Victoria Siegismund war eine der Teilnehmenden der National Model United Nations 2017 (NMUN) in New York; sie blickt zurück auf die weltweit größte UN-Simulation, bei der die Delegation der Goethe-Uni den Staat Israel repräsentierte.

If I can make it there, I’ll make it anywhere – diesen von Frank Sinatra besungenen Gedanken aus seinem Welthit „New York, New York“ hatten wohl einige von uns im Hinterkopf, als sie von der Gelegenheit hörten, als Mitglied der offiziellen Delegation unserer Universität an der „National Model United Nations“-Konferenz in New York City teilnehmen zu können.

Seit 2003 bietet die Goethe-Universität alljährlich einer Gruppe von politisch interessierten und hochmotivierten Studierenden die Möglichkeit, an der weltgrößten universitären UN-Simulation mitzuwirken und sich dabei in Diplomatie und Verhandlungsgeschick zu üben. Eine erste Herausforderung für unsere Delegation bestand zunächst in dem uns zugeteilten Mitgliedsstaat, für dessen Vertretung wir uns im Vorfeld auch gezielt beworben hatten:

Wir repräsentierten Israel – einen Staat, der die internationale Gemeinschaft seit seinem Beitritt zu den Vereinten Nationen im Jahre 1949 polarisiert und daher eine diplomatische Außenseiterrolle in den UN einnimmt. „Habt Ihr Euch Israel wirklich freiwillig ausgesucht?“ lautete daher eine oft gehörte Nachfrage, so auch vom Repräsentanten des Israelischen Generalkonsulats in Frankfurt, Helge Eikelmann, der im Zuge unserer beinahe einjährigen Vorbereitung als Gastredner in unser Seminar eingeladen war.

Doch gerade die ebenso spannende wie widersprüchliche Historie des Landes, genau wie die langjährige deutsch-israelische Freundschaft, ließen den weltweit einzigen jüdischen Staat für uns so reizvoll erscheinen. Neben Israel erhielten zudem zwei unserer erfahrensten Delegierten die Chance, im UN-Sicherheitsrat das ständige Ratsmitglied Frankreich zu repräsentieren.

Wir lernten die von uns vertretenen Länder über Monate ausführlich kennen, beschäftigten uns mit der israelischen und französischen Innen- wie Außenpolitik, mit deren Kultur und Religion sowie der bisherigen Rolle der jeweiligen Staaten in den UN. Zugleich befasste sich jedes Delegationsmitglied mit den Themen des ihm zugewiesenen Komitees, etwa der Internationalen Atomenergie-Organisation oder dem UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR), und verfasste für jeden Ausschuss ein entsprechendes Positionspapier, um die Standpunkte Israels bzw. Frankreichs zu unterstreichen.

Diese intensive Vorbereitung war essenziell, um die oberste Regel der UN-Planspiele einhalten zu können: „Stay in character!“ – das bedeutet, die persönlichen, eventuell sogar widerstreitende Ansichten über Bord zu werfen und über die Dauer der Konferenz die Interessen des jeweiligen Landes überzeugend zu vertreten.

Die insgesamt fünftägige Konferenz wurde mit einer feierlichen Zeremonie eröffnet, zu deren Beginn der amtierende UNO-Generalsekretär António Guterres die Delegierten per Videobotschaft begrüßte. Eine angespannte Aufregung lag über dem Festsaal, für jeden von uns markierte dieser Auftakt schließlich einen ersten Höhepunkt unserer langen, arbeitsintensiven Vorbereitungszeit.

Im Anschluss begaben wir uns zum ersten Mal in das uns zugewiesene Komitee, in welchem wir über die kommenden Tage einen Großteil unserer Zeit verbringen würden. Die Devise des ersten Konferenz-Abends lautete: Strategische Verbündete suchen, Kontakte knüpfen und schließlich unsere erste Eröffnungsrede halten, in welcher wir die Position Israels in unserem jeweiligen Ressort hervorheben sollten.

Über die Dauer der Konferenz sammelte jeder von uns höchst unterschiedliche Eindrücke, wie sich bei unseren spätabendlichen Zusammenkünften, den „De-Briefing-Sessions“, herausstellte: So waren einige von uns in sogenannten „Kuschel-Komitees“ gelandet, in denen kaum Dissens zwischen den Delegationen zu herrschen schien, größtenteils gemeinschaftlich und konstruktiv an Resolutionsentwürfen gearbeitet wurde und selbst die größten bilateralen Feindschaften beim gemeinsamen Mittagessen beigelegt wurden.

Andere wiederum erlebten durchaus kleinere Sticheleien per Notizzettel bis hin zu direkten verbalen Angriffen oder Streitigkeiten um das israelische Existenzrecht – wenn auch stets „in diplomatic decorum“, also diplomatischen Anstand wahrend. Als israelische Delegation haben wir somit wohl die gesamte außenpolitische Klaviatur durchgespielt.

Auch während der Sitzungen blieben wir als Delegation stets vernetzt, um gemeinsame Strategien zu entwickeln oder einfach nur einander Mut zuzusprechen – wenn etwa eine von Israel eingebrachte Passage scheinbar versehentlich aus dem Resolutionsentwurf gestrichen worden war. In Laufe dieser arbeitsintensiven Zeit kam aber auch der atemberaubende Austragungsort der Konferenz nicht zu kurz:

In der Mittagspause ein kurzer Abstecher in den Central Park oder zu einem besonders guten Pizza-Laden am Times Square – als Konferenzteilnehmer befindet man sich im Herzen einer der aufregendsten Metropolen der Welt und darf die Stadt für fünf Tage aus der Perspektive eines geschäftigen Diplomaten in Midtown Manhattan erleben.

Für interessante Einblicke in den diplomatischen Alltag sorgte zudem ein Besuch bei der Ständigen Vertretung Deutschlands bei den Vereinten Nationen, die in unmittelbarer Nachbarschaft des UN-Gebäudes liegt. Krönender Höhepunkt der Simulation war zweifelsohne der letzte Konferenztag, der in den heiligen Hallen des UNO-Hauptquartiers am East River abgehalten wurde.

Insbesondere die weitläufige, mit goldenen Wänden verkleidete General Assembly Hall, in der jedes Jahr die wichtigsten Diplomaten aus aller Welt tagen, erfüllte uns mit Ehrfurcht. Hier bot sich letztlich sogar für einen unserer Delegierten die Möglichkeit, eine kurze resümierende Abschlussrede zu halten und so die Position Israels ein letztes Mal in authentischer Atmosphäre zu vertreten. Nun blicken wir zurück auf fünf spannende, ereignisund erfolgreiche Konferenztage, die uns als Gruppe zusammengeschweißt und zugleich ganz individuell bereichert haben.

Dafür möchten wir uns herzlich bei unseren Förderern bedanken, die uns diese einzigartige Erfahrung ermöglicht haben. Wir sind stolz und glücklich über unsere drei Auszeichnungen, unzählige geknüpfte Kontakte und die für Studierende wohl einmalige Chance, in den grenzüberschreitenden diplomatischen Austausch mit politisch interessierten Menschen aus aller Welt zu treten. In Zeiten, in denen Nationalismus und Isolationismus wieder salonfähig werden, erscheint diese Konferenz wertvoller denn je.

Dieser Artikel ist in der Ausgabe 3.17 (PDF-Download) des UniReport erschienen.

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