Für die anstehende Runde der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder bewirbt sich die Goethe-Universität Frankfurt mit vier neuen Clustern zu den Forschungsthemen Vertrauen im Konflikt (CONTRUST), Infektion und Entzündung (EMTHERA), Ursprung der Schweren Elemente (ELEMENTS) und zelluläre Architekturen (SCALE). Die Anträge vereinen die Kompetenzen und zukunftsweisenden Ideen der Goethe-Universität mit denen der Kolleg:innen des Verbunds der Rhein-Main-Universitäten (RMU) und weiterer Partner der vier großen Organisationen der außeruniversitären Forschung. Der seit 2019 bestehende Exzellenzcluster Cardiopulmonary Institute (CPI) wird im kommenden Jahr direkt einen Vollantrag einreichen.
„Ein Fluch und ein Segen zugleich“, antwortet Finn-Lauritz Schmidt augenzwinkernd, wenn man ihn auf die Aktualität seines Forschungsgebiets anspricht: Der Arbeitstitel seines Promotionsprojektes lautet „Grund und Grenzen strafrechtlichen Klimaschutzes“. Klima und Klimaschutz seien in ihrer Bedeutung kaum zu überschätzen und deshalb allgegenwärtig in der Diskussion. Jedoch sorgten die dynamischen Entwicklungen auch dafür, dass Positionen und Argumente beständig neu überdacht werden müssten, sagt Schmidt. Finn-Lauritz Schmidt hat an der Goethe-Universität Rechtswissenschaft studiert. Bereits nach wenigen Semestern war er studentische Hilfskraft am Lehrstuhl von Prof. Christoph Burchardt, heute arbeitet er bei ihm als Wissenschaftlicher Mitarbeiter und ist ebenfalls in der Clusterinitiative CONTRUST tätig. Schon sehr früh hat sich Schmidt im Studium für Strafrecht interessiert, dabei ist er dann auch geblieben.
Ein strafrechtswissenschaftlicher Fachbeitrag, der das „Klimastrafrecht“ als „Rechtsbegriff der Zukunft“ bezeichnete, hat dann kurz vor dem Examen bei ihm ein dauerhaftes Interesse am Thema entfacht. „Dem Recht kommt als herausgehobenem gesellschaftlichem Steuerungsmittel eine besondere Rolle bei der Bewältigung des Klimawandels zu. Wenn ich also nach dem Grund und den Grenzen strafrechtlichen Klimaschutzes frage, dann nach der Legalität und Legitimität strafbewehrter Verhaltenspflichten.“ Es gehe, allgemein gesagt, um die Rolle des Strafrechts im Klimaschutz. Den Begriff „Klimaschutzstrafrecht“, erklärt er, setze man besser noch in Anführungszeichen, da es einen geschlossenen Korpus an konstituierenden Normen noch gar nicht gebe. „Ein Klimaschutzstrafrecht bezeichnet nach meinem Verständnis alle Normen künftigen Rechts, die illegale, besonders sozialschädliche klimaschädliche Verhaltensweisen kriminalisieren, also zum Beispiel weitreichende Treibhausgas-Emissionen oder die Zerstörung von Wäldern, Mooren und Gewässern. Über diese unmittelbar klimaschädlichen Verhaltensweisen hinaus lassen sich aber durchaus auch Verhaltensweisen fassen, die mittelbar klimaschädigend wirken, etwa das sog. Greenwashing.“
Schmidt betont, dass damit kein Ruf nach rigider Sozialkontrolle im Sinne eines ökologischen Ausnahmezustands verbunden sei. Vielmehr sieht er Gefahren in einem neu zu schaffenden Klimaschutzstrafrecht. Im Gespräch bezieht er sich dabei auf eine strafrechtskritische Kategorie, die maßgeblich von der Frankfurter Schule des Strafrechts ausgearbeitet worden ist, nämlich auf die des symbolischen Strafrechts. „Diese Kategorie spielt darauf an, dass der Einsatz des Strafrechts eine tiefer liegende Konfliktbearbeitung auch erschweren oder gar verhindern kann. Es kann zu gesellschaftlicher Selbstbeschwichtigung führen und gleichzeitig verdecken, dass tiefgreifende Veränderungen der gesellschaftlichen Naturverhältnisse notwendig sind, die das Strafrecht überhaupt nicht adressieren kann.“ In Bezug auf die Rolle des Rechts betont Schmidt, dass die Effektivierung des Umweltrechts an erster Stelle stehe. Man nenne es Verwaltungsakzessorietät, dass ein Klimaschutzstrafrecht an vorgelagertes Verwaltungsrecht gebunden sei. Deshalb könne ein Klimaschutzstrafrecht allein nichts bewirken, sondern nur dazu beitragen, dass möglichst unterbleibt, was ohnehin rechtswidrig sei.
Die Klimakrise – auch eine Ordnungskrise
Die Klimakrise sei nicht nur als ökologische Krise zu verstehen, sondern zugleich als Ordnungskrise und als Ausdruck gestörter gesellschaftlicher Naturverhältnisse. Sich diametral widersprechende gesellschaftliche Entwicklungspfade, ob den Klimawandel verleugnend oder umgekehrt den Weg in die Klimakatastrophe prognostizierend, spiegelten massive gesellschaftliche Konflikte. Die Verbindung seiner Forschung zu CONTRUST, so Schmidt, bestehe nun in der Frage, unter welchen Umständen Zwang und Verbote bei der Bewältigung gesellschaftlicher Konflikte eine produktive Rolle spielen können: „Das Strafrecht wurde einmal treffend als Freiheitskonfliktverdichter bezeichnet. In der Tat gibt es in einer besonderen Weise Aufschluss über das, was eine Gesellschaft für besonders sozialschädlich hält und durch die staatliche Strafe auch missbilligen will.“
Einem Klimaschutzstrafrecht werde nun darüber hinaus sogar eine wertprogressive Wirkung zugeschrieben, lautet Schmidts Analyse: „Ein solches Strafrecht ist gewissermaßen mit einem normativen Überschuss versehen und soll Normen und Werte abbilden, die lebenswirklich so noch nicht zwangsläufig verankert sind.“ Ob sich das trage, sieht er skeptisch. „Gerade in Krisenzeiten – das hat die Corona-Pandemie gezeigt – spiegelt sich in Rufen nach dem Strafrecht, nach Verbot und Zwang auch die Sehnsucht nach der Autorität eines starken, orientierenden Staates. Auch wenn der Klimawandel zukünftig sicherlich auch Verzicht erforderlich machen wird, möchte ich in meiner Forschung unter anderem auch aufzeigen, wie wichtig positive Narrative für eine gesellschaftliche Transformation sind. Diese vermittelt das Strafrecht gerade nicht.“
Fake News und Desinformation in der globalen Politik
Krisen haben sich gewissermaßen in den letzten 20 Jahren die Klinke in die Hand geben: Die Welt geriet von der Finanzkrise in die Corona-Pandemie, in den Krieg gegen die Ukraine und befindet sich mit dem Klimawandel in einer globalen Dauerkrise. Vor diesem Hintergrund ist das Entstehen von Konflikten zunehmend wahrscheinlicher geworden – auf nationaler, aber eben auch auf internationaler Ebene. „Ich wollte immer schon in meiner Forschung verstehen, wie sich das System globalen Regierens über die Zeit verändert, anpasst oder resilient zeigt im Angesicht von Streit und Infragestellung“, erklärt Lisbeth Zimmermann. Sie ist Professorin für Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Internationale Institutionen und Friedensprozesse an der Goethe-Universität und Private Investigator (PI) bei CONTRUST. Wie können die zunehmenden Herausforderungen für internationale Organisationen eigentlich beforscht werden? „Wir versuchen zum einen, und das ist ein Trend der letzten zwei Dekaden, viel stärker als früher, quantitative Daten über globales Regieren zu sammeln: über Resolutionen, Wortmeldungen von Staaten, Berichte, Protokolle und vieles mehr. Große Mengen an schriftlichem Material können heute mithilfe neuer quantitativer Methoden viel besser ausgewertet werden.“ Zum anderen, erklärt sie, werden auch ganz klassisch mit qualitativen Methoden Politikprozesse engmaschig verfolgt, beispielsweise durch teilnehmende Beobachtung bei Versammlungen und Verhandlungen. Aktuell untersucht Lisbeth Zimmermann in einem großen Projekt die transnationale Neue Rechte und ihren Einfluss auf internationale Organisationen.
Wann ist neues Wissen vertrauenswürdig?
Die Schnittstelle zur Cluster-Initiative CONTRUST ist die Frage, wann aus Streit und Konflikt ein produktives Moment entstehen kann – und damit auch neues Vertrauen. „Es geht in CONTRUST um Vertrauen auf ganz verschiedenen Ebenen: um politische Konflikte, um Konflikte über sozioökonomische Verteilung, auch um Konflikte um richtiges Wissen und Expertise. Der letztgenannte ist der Teilbereich, in den ich bei CONTRUST eingebunden bin“, erzählt Zimmermann. Es geht dabei um epistemische Konflikte, das heißt Konflikte darum, wann neues Wissen vertrauenswürdig ist. „Das ist für mich ein hochspannender Bereich, den ich noch stärker beforschen möchte. Denn internationale Organisationen sehen in Fake News und gezielten Desinformationen eines ihrer Hauptprobleme: Wenn ihr Expertenwissen zunehmend infrage gestellt wird, müssen sich Organisationen wie die OECD oder WHO überlegen, welche institutionellen Neuerungen sie durchführen müssen, um wieder als Autoritäten gesehen zu werden. Wie können sie sich zum Beispiel auf Social Media oder durch institutionelle Neuerungen präsentieren, um als bürgernah wahrgenommen zu werden?“
Zimmermann sieht auch noch einen anderen möglichen Grund dafür, warum die Autorität und Expertise internationaler Organisationen in schwierigeres Fahrwasser geraten ist. „Heute verhandeln in diesen Organisationen immer seltener ausgebildete Diplomat*innen, dafür immer häufiger Spezialist*innen aus Ministerien oder Forschungsinstituten. Die Erwartung ist, dass in den internationalen Verhandlungen Leute agieren, die sich auskennen, und dass der politische Aspekt ihrer Arbeit damit zurücktritt. Das ist im Prinzip aber gar nicht so klar, denn wenn bei einer Verhandlung Teilnehmende mit sehr unterschiedlichen Expertisen aus verschiedenen Feldern aufeinandertreffen – welche Rolle spielt dann letztendlich das jeweilige Wissen? Oder anders gefragt: Wie unterschiedlich blicken Menschen mit verschiedenen ‚Wahrheiten‘ auf die Welt und ihre Konflikte? Wenn ein*e Klimaexperte/-expertin auf eine*n Wirtschaftsexperten/-expertin trifft, wie können da gemeinsames Wissen und gemeinsame Lösungen entstehen? Und aus der Perspektive von CONTRUST gefragt: Wie kann daraus Vertrauen entstehen?“
ConTrust
Vertrauen wird oftmals als Gegenbegriff zu dem des Konflikts verstanden. Die Forscher*innen der Clusterinitiative »ConTrust: Vertrauen im Konflikt. Politisches Zusammenleben unter Bedingungen der Ungewissheit« gehen hingegen davon aus, dass sich in modernen Gesellschaften Vertrauen in Konflikten nicht nur bewähren muss und damit gefestigt werden kann, sondern unter bestimmten Bedingungen dort erst entsteht. Zugleich gibt es problematische Dynamiken, in denen Vertrauen in bestimmte Personen oder Parteien Konflikte schürt oder verhärtet. Für ConTrust ergibt sich aus dieser Beobachtung die Aufgabe, die Kontexte von Vertrauen und Konflikt zu beleuchten, um die Bedingungen eines gelungenen Austragens sozialer Konflikte zu bestimmen.
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