„Wir beraten Menschen, keine Texte“

Konferenz „Diversität im Schreibzentrumskontext“ an der Goethe-Universität beschäftigte sich mit Neurodivergenz, Mehrsprachigkeit und kreativem Schreiben.

Teilnehmende an der Konferenz "Diversität im Schreibzentrumskontext" sitzen links in einer Reihe an Tischen

In universitären Schreibzentren kommen Peer-Tutorinnen, schreibdidaktisch geschulte Studierende, in der Beratung und in Workshops zum Einsatz. Damit diese sich über ihre Arbeit austauschen können, finden jährlich an wechselnden Standorten Konferenzen statt. 2014 wurde bereits eine solche „Schreib-Peer-Tutorinnen-Konferenz“ (SPTK) an der Goethe-Universität veranstaltet. „Wir haben uns sehr gefreut, in diesem Jahr wieder Ausrichter sein zu können“, betont Ruth Wenz, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Schreibzentrum der Goethe-Universität, das eines der größten seiner Art in Deutschland ist. 60 Studierende aus 25 Universitäten und Fachhochschulen haben Ende September an der diesjährigen SPTK teilgenommen. „Ein gutes Viertel der Teilnehmenden hat die Veranstaltung mit eigenen Beiträgen gestaltet, das zeigt schon sehr deutlich, wie groß das Engagement gewesen ist“, so Wenz. Das Thema lautete diesmal „Diversität im Schreibzentrumskontext“. Ruth Wenz erläutert den Hintergrund: „Die Peer-Tutor*innen treffen in der Beratung, aber auch in Workshops auf Menschen mit vielfältigen Hintergründen und Bedarfen: auf unterschiedliche Geschlechter, auf Studierende mit Migrationshintergrund und mit Mehrsprachigkeitserfahrung. Zudem werden die Angebote der Schreibzentren auch von Personen mit einer Lese-Rechtschreib-Schwäche, mit AD(H)S und Neurodivergenz wahrgenommen. Daher gibt es einen großen Bedarf, sich darüber auszutauschen und die eigene Praxis auch jenseits des Arbeitsalltags zu reflektieren.“

Hanna Göbel, Peer-Tutorin und Teil des diesjährigen Organisationsteams an der Goethe-Universität, sieht darin die große Stärke einer SPTK: hierarchiefreie Räume zu schaffen, in denen die studentischen Tutorinnen sich austauschen und vernetzen können. Sie freut sich, dass in einer von ihr geleiteten Gruppe die Formulierung eines eigenen Mission Statements geglückt ist: „Alle Studierenden sollten sich vom Mission Statement angesprochen fühlen, gerade auch marginalisierte Gruppen. Uns war wichtig, nicht einfach zu sagen, dass wir Peer-Tutorinnen für alle da sind, sondern zum Ausdruck zu bringen, dass wir uns struktureller Barrieren bewusst sind, die den individuellen Studienerfolg beeinträchtigen können.“

Malte Nielsen, Frankfurter Peer-Tutor und Teilnehmer der SPTK 2024, zeigt sich in der Rückschau immer noch sehr begeistert von der Veranstaltung: „Der Austausch war großartig, man hat wirklich etwas mitgenommen, zum Beispiel Best Practices von anderen Universitäten.“ Nielsen bestätigt das Anliegen, dass im Arbeitsalltag trotz vorhandener Reflexionstreffen dennoch zu wenig Raum bleibt, um alle vielfältigen Erfahrungen aus den Beratungen und den Workshops zu verarbeiten: „Wir werden in unserer Arbeit mit verschiedensten Diskriminierungserfahrungen unserer Gesprächspartner*innen konfrontiert. Es sind einfach nicht die Ressourcen vorhanden, dies immer auch wissenschaftlich aufzuarbeiten, von daher war die SPTK ein ungemein wichtiges Forum für uns.“

Ruth Wenz bringt eine für sie elementare Erkenntnis der letzten Konferenz auf den Punkt: „Wir beraten Menschen, keine Texte. Diese zwischenmenschliche Ebene sollte man in den Fokus nehmen, um Menschen, die akademisch erfolgreich sein wollen, zu unterstützen.“ Hanna Göbel kann diesen Ansatz mit einem Beispiel aus ihrer Beratungspraxis bebildern: „Eine Studentin tauchte kürzlich mit sehr spezifischen Fragen zur Prüfung in ihrem Fach auf, die ich gar nicht beantworten konnte, wir beraten ja fächerübergreifend. Aber am Ende unseres Gesprächs betonte die Studentin, wie gut ihr das Gespräch getan habe: endlich habe ihr jemand zugehört.“

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Mission Statement
Wir sind uns der strukturellen Barrieren im universitären Kontext bewusst, die deinen individuellen Schreibprozess beeinträchtigen können. Deshalb versuchen wir, dich mit den uns zur Verfügung stehenden Ressourcen bei der Navigierung und dem Abbau dieser Barrieren zu unterstützen. Wir bieten fachübergreifend für alle Studierenden eine professionelle, individuelle und bedarfsorientierte Beratung an. Wir versuchen, barrierefreie und diskriminierungsarme Räume zu schaffen, in denen ihr euch mit euren individuellen Bedarfen in einem vertraulichen Rahmen an uns wenden könnt.
[Ergebnis der SPTK 2024]

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