„Wir erleben die Geburtsstunde einer Einrichtung, deren Bedeutung weit über die Goethe-Universität hinausgeht und fest in der jüdischen Gemeinde Frankfurts verwurzelt ist“, so Prof. Enrico Schleiff, Präsident der Goethe-Universität als O-Ton seines Grußwortes zur Eröffnung des neuen Buber-Rosenzweig-Instituts für jüdische Geistesgeschichte in Moderne und Gegenwart am Fachbereich Evangelische Theologie. Diese Einrichtung werde ein Bindeglied sein zwischen verschiedenen Instituten an der Universität, mit Institutionen außerhalb der Goethe-Universität und in die Gesellschaft hinein. Zahlreiche Gästen aus Hochschule, Politik und Gesellschaft waren denn auch am Donnerstagabend in den Festsaal im Casinogebäude gekommen, um diese Geburtsstunde mitzuerleben. Es galt die 2G-Regel.
In den verschiedenen Grußworten wurde deutlich, wie eng die Neugründung mit der Person von Prof. Christian Wiese, dem Inhaber der Martin-Buber-Professur für Jüdische Religionsphilosophie, verbunden ist. Wiese feierte an diesem Tag auch seinen 60. Geburtstag. Sein unermüdliches Engagement für die Erforschung des Judentums wurde von allen Rednern hervorgehoben, seine Fähigkeit, Menschen für die Sache zu begeistern, erfolgreiche Konzepte zu entwickeln und diplomatisch zu verhandeln. So hat er in jüngster Zeit erfolgreich das auf 24 Jahre angelegte Akademieprojekt „Buber-Korrespondenzen digital“ eingeworben, das den umfangreichen Briefwechsel des jüdischen Religionsphilosophen besser zugänglich machen soll. Von großer Tragweite ist auch das Hessische Synagogengedenkbuch, das sämtliche Synagogen in Hessen, die es einmal gab, porträtieren wird. „Die Martin-Buber-Professur agiert schon seit Jahren, als wäre sie ein Institut“, brachte Unipräsident Schleiff das vielfältige Engagement auf den Punkt.
Kommunizieren heißt, das Fenster aufreißen – an dieses Zitat Bubers erinnerte Wissenschaftministerin Angela Dorn in ihrem Video-Grußwort. Die Erforschung der jüdischen Geistesgeschichte habe in Hessen einen hohen Stellenwert, durch das neue Institut werde Frankfurt zu einem Zentrum neben Berlin und Heidelberg. Nun soll am Fachbereich eine neue Professur für die Beziehungen zwischen Judentum und Islam entstehen, die Bewerbungsfrist endet in wenigen Tagen. Das Buber-Rosenzweig-Institut stehe für das Selbstverständnis der christlichen Theologie, die sich nur im Dialog mit anderen Religionen denken lasse, führte Prof. David Käbisch, Dekan des Fachbereichs 06 aus. Die Goethe-Universität sei gut aufgestellt, wenn es darum gehe, auch gegenwärtige Konfliktlinien zwischen den Religionen zu bearbeiten. Als „Versuchsanordnung“ bezeichnete Dr. Doron Kiesel vom Zentralrat der Juden die neue Konstellation, die er mit der Hoffnung verbinde, dass sich jüdisches Denken und jüdische Kultur neu in Frankfurt implantieren lasse. „Bei niemandem ist die Wissenschaft vom Judentum so gut aufgehoben wie bei Christian Wiese“, so Kiesel.
Dieser sprach davon, dass es schon bei der Gründung der Universität 1914 den Traum von einer gleichberechtigten Wissenschaft des Judentums in Frankfurt gegeben habe, die zarten Anfänge jedoch durch das nationalsozialistische Regime zerstört wurden. Er selbst habe den persönlichen Traum einer Institutsgründung bereits gehegt, als er 2010 nach Frankfurt kam. Die Festrede, die diesjährige Martin-Buber-Vorlesung, hielt die israelische Historikerin Prof. Yfaat Weiss von der Hebräischen Universität Jerusalem. Sie ließ den geistigen Austausch zwischen Jerusalemer Gelehrten im Jahr 1948 lebendig werden, indem sie aus zahlreichen Briefen zitierte. Nach der Flucht aus Europa sahen sich viele mit neuen Schwierigkeiten und Fragen konfrontiert, die sie miteinander erörterten. Musikalisch sehr ansprechend gestaltet wurde der Abend von Roman Kuperschmidt und seinem Ensemble.
Fotos: Uwe Dettmar