Forschung und Lehre sind frei. So steht es im Grundgesetz, unmissverständlich und uneingeschränkt. Bei ihrer Suche nach Erkenntnis sollen Wissenschaftler geschützt sein vor Zugriffen von Staat und Kirche, vor wirtschaftlichen Interessen, populistischen Ansprüchen und Angriffen von Wissenschaftsskeptikern. In jüngster Zeit schlagen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aber aus einem ganz anderen Grund Alarm aus Sorge um die Wissenschaftsfreiheit: das politische Schlagwort heißt Cancel Culture. Es bezeichnet die Tendenz, Personen oder Organisationen wegen Aussagen, die als diskriminierend wahrgenommen werden, von wissenschaftlicher Diskussion und Teilhabe auszuschließen.
Und tatsächlich mehren sich – insbesondere im amerikanischen und angelsächsischen Raum – Berichte etwa über Demonstranten, die eine Vorlesung verhindern wollen, und über Professorinnen und Professoren, die des Rassismus bezichtigt werden und danach ihren Posten räumen (müssen). Diejenigen, die sich mit den kritischen Themen beschäftigen, beklagen, dass sie Ächtung und Anfeindung durch gesellschaftliche Gruppen erfahren und aus der wissenschaftlichen Diskussion ausgegrenzt werden. Eng verknüpft ist die Diskussion mit dem Begriff der Identitätspolitik, der in den öffentlichen Debatten zunehmend an Bedeutung gewinnt. Einerseits wird Identitätspolitik als wichtiges Mittel angesehen, gleiche gesellschaftliche Teilhabe für alle Gruppen herzustellen. Andererseits scheint von ihr eine polarisierende Wirkung auszugehen, da sie sich auf die Bedürfnisse und Befindlichkeiten benachteiligter Minderheiten konzentriert und andere nicht zur Debatte zulässt.
Werden Forschung und Lehre vor diesem Hintergrund tatsächlich immer mehr eingeschränkt? Oder hat sich nur die Debattenkultur verändert? Wo verlaufen zentrale Konfliktlinien?
Die Online-Veranstaltung der Goethe-Universität „Gefährdet Cancel Culture die Wissenschaftsfreiheit?“ am Dienstag, den 1.März 2022, 18:00 – 19:45 Uhr / Zoom: https://tinyurl.com/Wissenschaftsfreiheit will diskutieren, ob es im Spannungsfeld von Cancel Culture zu einer Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit kommt. Die Veranstaltung wird von den professoralen Gruppen Ratio und Universitas durchgeführt.
Diskussionsgrundlage sind die folgenden Einführungsvorträge:
Prof. Udo Schüklenk
Professor für Bioethik und angewandte Ethik, Queen’s University, Ontario/Canada
„Cancel Culture und Wissenschaftsfreiheit im angloamerikanischen Raum“
Prof. Andrea Geier
Professorin für Germanistik, Universität Trier
„Ist die Wissenschaftsfreiheit gefährdet?“
Prof. Susanne Schröter
Direktorin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam (FFGI), Goethe-Universität
„Cancel Culture schränkt schon jetzt die Freiheit an deutschen Universitäten ein“
Moderiert wird die Veranstaltung von Dr. Olaf Kaltenborn, Leiter der Abteilung PR und Kommunikation an der Goethe-Universität.