Vor dreißig Jahren hat sie den Begriff „Gender“ als Kategorie der Analyse und der Kritik in die Geschichtswissenschaft eingeführt. In jüngerer Zeit widmete sie sich dem Einfluss von Geschlechterdifferenzen und Ungleichheiten auf demokratische Praktiken. Auch aktuelle Normierungen wie das Kopftuchverbot in Frankreich gehören deshalb zu ihren Themen. Die über Fachgrenzen hinaus höchst einflussreiche Historikerin Joan W. Scott hält in diesem Sommersemester an der Goethe-Universität die Kantorowicz Lecture in Political Language, veranstaltet vom Forschungszentrum Historische Geisteswissenschaften in Kooperation mit dem Exzellenzcluster „Die Herausbildung normativer Ordnungen“.
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Die emeritierte Professorin der Universität Princeton spricht am 18. Mai 2016 um 18 Uhr über „French Laïcité, the Old and the New“. Die Veranstaltung findet am Campus Westend der Goethe-Universität im Casino im Raum 1.801 statt.
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Wie immer ist die interessierte Öffentlichkeit herzlich eingeladen. Der Vortrag findet in englischer Sprache statt. Joan Scott behandelt die Geschichte und die aktuellen Verwendungen des Prinzips der „Laïcité“, des französischen Konzepts von Säkularismus sowie strikter Trennung von Kirche und Staat. Im Zentrum steht die Art und Weise, wie alte und neue Säkularisten ihre Aufmerksamkeit auf Frauen richten. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert blickten sie auf die Gefahren, die angeblich von einer den französischen Frauen unterstellten Neigung zur (katholischen) Religion ausging. Im 21. Jahrhundert konzentrieren sie sich auf die vorgebliche Bedrohung der Republik durch verschleierte muslimische Frauen. Der Vortrag wird sowohl die Historizität normativer Ordnungen beleuchten als auch die Herausforderungen, die Geschlechterdifferenzen für sie darstellen.
Joan W. Scott ist emeritierte Professorin der School of Social Science am Institute for Advanced Study der Universität Princeton, USA. Sie ist Autorin des Klassikers „Gender and the Politics of History” sowie zahlreicher Artikel und Bücher, einschließlich „Gender: A Useful Category of Historical Analysis”, „Only Paradoxes to Offer: French Feminists and the Rights of Man” und „The Politics of the Veil”. Vor kurzem veröffentlichte sie „The Fantasy of Feminist History“. Aktuell untersucht sie die Geschichte von Säkularismus und Gleichstellung in modernen westlichen Nationalstaaten.
Die einmal pro Jahr stattfindenden Kantorowicz Lectures in Political Language erinnern an Ernst Kantorowicz, der zu den herausragenden Forscherpersönlichkeiten der Frankfurter Universitätsgeschichte gehört. Kantorowicz musste die Universität 1934 zwangsweise verlassen und wurde später am Institute for Advanced Study in Princeton zu einem der international einflussreichsten Geisteswissenschaftler, dessen Arbeiten bis heute zu den meistzitierten gehören. Die 2011 ins Leben gerufene Vortragsreihe konzentriert sich auf das Thema der „politischen Sprache“. Stets sprechen sehr renommierte Gäste aus dem In- und Ausland, wie beispielsweise der Philosoph und Historiker Quentin Skinner (2011) oder der Komponist, Regisseur und Kunsttheoretiker Heiner Goebbels (2015).