Astro- & TV-Lounge: Forschen auf dem Sofa

Die Astro- & TV-Lounge der Goethe-Universität mit ihrer Sammlung von Computerspielen und TV-Serien ermöglicht Forschen in bequemer Haltung.

Zwei durchgesessene Ledersofas, Sternenkarten an der Wand und eine Alienfigur. Direkt neben der kosmisch anmutenden Astro-Lounge im siebten Stock des Poelzigbaus auf dem Campus Westend befindet sich die TV-Lounge, ein mit ebenso viel Bedacht eingerichteter Raum im Stil der 1970er Jahre mit roter Couch, Stehlämpchen, passendem Fernsehtischlein und Röhrenbildschirmen. „In den 1970er Jahren stellen Fernseher und Fernsehmöbel bereits einen zentralen Bezugspunkt in deutschen Wohnzimmern dar und die Geschichte von Raumfahrt und Militär verläuft in vielerlei Hinsicht parallel zu der Entstehung von Computern und Computerspielen“, sagt Kerim Dogruel, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut, der die Astro- & TV-Lounge maßgeblich betreut.

Die Astro- & TV-Lounge ist das etwas andere Forschungslabor des Instituts für Theater-, Film- und Medienwissenschaften. Das Mobiliar haben Studierende und Lehrende von Flohmärkten und eBay zusammengetragen, der Bestand wird sukzessive durch private Sachspenden erweitert. Räume und Objekte sind betont angeeignet, was der Gemütlichkeit allerdings keinen Abbruch tut. „Unser Ziel war es, einen Ort der Mediennutzung zu erschaffen, der sowohl die historischen Dimensionen der Objekte erfassbar macht als auch die Mediennutzung in einem sozialen Raum ermöglicht“, sagt Kerim Dogruel.

„Für die Forschung ist ja gerade interessant, was sich neben und rund um die Nutzung von Heimmedien herum abspielt. Deshalb ist es auch wichtig, sich Serien oder Computerspiele in Gemeinschaft mit anderen anzuschauen und dabei die sozialen Prozesse in den Blick zu nehmen, die das Medium auslöst.“ Dabei darf man sich auch gerne ein Bier oder eine Limo aus dem orangenen Gewerbekühlschrank nehmen. Regelmäßig finden in der Astro- & TV-Lounge gemeinsame Runden wie der Verspielte Abend statt, in dem Studierende und Interessierte sich austauschen und in geselliger Runde neue Spiele ausprobieren oder TV-Serien schauen.

Fernsehserien und Computerspiele im Lehrangebot

Die Idee für die Erschaffung eines sozialen Raums zur Beobachtung von Mediennutzung entstand aus dem Wunsch der Studierenden nach einer stärkeren Einbeziehung von Fernsehserien und Computerspielen in das Lehrangebot. Im Rahmen der Seminare von Prof. Dr. Rembert Hüser wurde schnell klar, dass das Format eines Seminarraums dem Rezeptionskontext von Heimmedien und den begleitenden sozialen Prozessen nicht gerecht wird.

Anders als in anderen Sammlungen wurde daher noch vor dem Beginn der Sammlungstätigkeit über deren Nutzung nachgedacht. Die Sammlung resultiert nicht aus einem Forschungsschwerpunkt, die Nutzung der Sammlung wird selbst als integraler Bestandteil der Sammlung verstanden. Zur weiteren Schärfung des Konzepts organisierte Kerim Dogruel 2017 einen Workshop mit dem amerikanischen Game-Studies-Experten Prof. Raiford Guins. Seit Herbst 2015 stehen den Studierenden der Theater-, Film- und Medienwissenschaften die Räumlichkeiten zur Verfügung – und damit auch die damit verbundene Sammlung. Parallel zum Aufbau der Lounge entstand eine Kollektion alter und neuer Heimmedien. „Dazu gehören sowohl TV-Serien und Computerspiele als auch die dafür notwendigen Abspielgeräte wie Bildschirme und Konsolen“, sagt Kerim Dogruel.

„Es gibt eine Vielzahl obsoleter Medientechniken, also Geräte, die sich am Markt nicht durchgesetzt haben oder veraltet sind, wie etwa Disketten, CD-Rom oder HD-DVD. Um auch mit Medien zu arbeiten, die für diese Formate konzipiert wurden, sammeln wir hier die dazu notwendigen Abspielgeräte.“ Dazu gehören alte Windows 98 PCs mit Diskettenlaufwerk, NES-Spielekonsolen, Multimediakonsolen aus den 1990er Jahren wie Sega Saturn und die dazu notwendigen Röhrenbildschirme. Eine Perle der Sammlung ist das Vectrex, eine Spielekonsole mit eigenem, auf Vektorgrafik basierendem Bildschirm – und damit das oft vergessene Gegenstück zur pixelbasierten Bildschirmtechnik.

Von Flohmärkten und Dachböden

Aufgebaut wird die Sammlung nach Bedarf, also danach, was gerade seminarrelevant ist oder von Studierenden und Lehrenden für ihre Forschungsarbeiten benötigt wird. Spiele und Geräte finden sich auf Flohmärkten und Sammlerbörsen. Manchmal finden sich aber auch ausgediente Gerätschaften auf den Dachböden von Verwandten und Bekannten. Sachspenden für die Sammlung sind immer gerne gesehen, denn die für den Ausbau zur Verfügung stehenden Mittel sind begrenzt. Ein Grundstock konnte über die Berufungsmittel von Prof. Dr. Hüser angeschafft werden, laufende Ausgaben für Batterien, Glühbirnen und notwendige Reparaturen werden durch Institutsmittel und Gaben in der Spendenbox bestritten.

Kommen neue Konsolen, wie die demnächst fällige Playstation 5 oder die neue X-Box heraus, stellt dies eine enorme Herausforderung dar. Der Fokus der Sammlung liegt nicht zuletzt aus finanziellen Gründen auf älteren Spielen und Geräten. Die Sammlung umfasst derzeit ca. 20 verschiedene Konsolen und rund 400 Spiele. Die Medien sind in der Datenbank der Institutsmediathek erfasst und können per Ausleihe vor Ort genutzt werden. Die Räumlichkeiten der Astro- & TV-Lounge funktionieren hierbei als Präsenzbibliothek. Die Lounge ist zu den regulären Öffnungszeiten der Mediathek zugänglich, auf Anfrage auch zu abweichenden Zeiten.

Melanie Gärtner

Sachspenden sind der Sammlung immer herzlich willkommen. Ansprechpartner ist Kerim Dogruel: dogruel@tfm.uni-frankfurt.de

Dieser Artikel ist in der Ausgabe 2.20 des UniReport erschienen.

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