Seit 40 Jahren gibt es an der Goethe-Universität die Japanologie und das Interesse daran ist ungebrochen. Mit 634 Einschreibungen für das Wintersemester 2021/22 stellt das Fach den eigenen Rekord aus dem vergangenen Wintersemester ein. Was sind die Gründe für diesen Erfolg? Lisette Gebhardt, Professorin für den Schwerpunkt Literaturwissenschaft, und die Absolventin Cheyenne Dreißigacker geben Einblicke in eine Welt, die sich hauptsächlich um Japan dreht.
Mit Fleiß und Begeisterung
„Schon als Jugendliche war ich von der japanischen Sprache und Kultur fasziniert“, erzählt Dreißigacker, die 2021 ihren Master an der Goethe-Universität abschloss. Sie sei ein großer Fan von Manga und japanischer Musik gewesen. Unbedingt wollte sie die Sprache lernen, nach Japan reisen. 2012 stieg Cheyenne Dreißigacker dann in den Frankfurter Bachelor der Japanologie und Kunstgeschichte ein. Die ersten drei Semester sind für das Erlernen der Sprache vorgesehen und für ein grundlegendes Verständnis der japanischen Geschichte, Kultur und modernen Gesellschaft. Vorkenntnisse sind hierfür kein Muss. Trotzdem findet Dreißigacker, dass die Sprachkurse, die sie vor der Universität besucht hat, eine große Hilfe waren. „Man darf das Pensum an der Uni nicht unterschätzen, ohne Fleiß klappt es nicht“, sagt sie. „Ohne echte Begeisterung geht es nicht“, bestätigt Gebhardt. Wenn es doch mal Probleme gibt, sei Hilfe nicht weit. „Die Türen der lehrenden stehen immer offen“, sagt Gebhardt. Kommilitoninnen und Kommilitonen sind ebenfalls eine wichtige Unterstützung. „Im Gemeinschaftsraum war immer etwas los. Da haben sich die Studierenden aller Asienwissenschaften zum Austausch getroffen“, erinnert sich Cheyenne Dreißigacker.
„Der Fokus auf das Japan von heute ist eine Frankfurter Besonderheit“, sagt Gebhardt. Aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen und zeitgenössische japanische Literatur sind fester Bestandteil der Forschung und Lehre am Institut, an dem man aber auch vormoderne Inhalte studieren kann. 2011 wurde die Textinitiative Fukushima in Kooperation mit der der Universität Leipzig ins Leben gerufen. Dieses Infoportal bietet Übersetzungen, Kommentare und News zum Thema Fukushima und zählt mittlerweile rund 300 000 Klicks. 2020 ging außerdem die Website JALI zur zeitgenössischen Literatur Japans online. Die Redaktion veröffentlicht hier Analysen, Veranstaltungshinweise und Rezensionen rund um die japanische Literaturszene von heute.
Abenteuer Auslandssemester
In vorpandemischen Zeiten wurde ein Auslandssemester dringend empfohlen. Die Goethe-Universität arbeitet mit drei Partneruniversitäten in Tokyo, Kyoto und Osaka zusammen. „Unsere Studierenden kommen immer sehr glücklich über ihren Japanaufenthalt nach Frankfurt zurück“, berichtet Gebhardt. Der umfangreiche Bewerbungsprozess beginnt ein Jahr im Vorfeld. Noten und Engagement der Studierenden stehen auf dem Prüfstand. Ist das erstmal überstanden, kann die Reise beginnen. Cheyenne Dreißigacker erinnert sich an das große Abenteuer: „Es war einfach super! Wir wurden intensiv betreut und ich konnte sehr viel lernen.“ Ein Sprachkurs ist obligatorisch. Außerdem besuchte Dreißigacker dort Kurse zu Themen wie japanischer Kalligrafie und Kunstgeschichte. Und auch Ausflüge oder Nachmittagskurse haben tiefe Eindrücke bei ihr hinterlassen.
Nach dem Abschluss zieht es die Absolventinnen und Absolventen in Kulturinstitutionen, politische Organisationen oder japanische Unternehmen. Gebhardt empfiehlt, sich beim Thema der eigenen Abschlussarbeit an späteren Berufswünschen zu orientieren. Cheyenne Dreißigacker hat darauf geachtet, während ihres Studiums Praxiserfahrung zu sammeln. Sie war als Sprachhostess auf Messen tätig und arbeitete als Werkstudentin bei einer Anime Produktionsfirma, für die sie heute in Vollzeit tätig ist. Vor einigen Monaten machte sich Dreißigacker außerdem als Übersetzerin selbstständig.
Gebhardt blickt unterdessen hoffnungsvoll in die Zukunft des Fachs. Sie ist davon überzeugt, dass die Japanologie auch weiterhin ihre Relevanz und Beliebtheit an der Universität behaupten kann: „Gerade Japan übernimmt eine Führungsrolle, wenn es um sogenanntes Lifestyle-Design und Zukunftstrends geht.“ Diskurse rund um zukünftige Technologien und den Menschen von morgen, die in Europa aufgrund moralischer Bedenken gehemmt werden, werden in Japan, dessen Weltanschauung nicht auf dem Christentum beruht, freier geführt. Wer also wissen will, wie man sich die Zukunft jenseits von Europa vorstellen kann, braucht keine Kristallkugel, sondern könnte auch einfach einen Blick nach Japan werfen.
Natalia Zajić
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe 5/2021 (PDF) des UniReport erschienen.