Mayte Zimmermann hat im Juni dieses Jahres die Leitung der Universität des 3. Lebensalters übernommen. Die „forschungsnahe Entwicklung des Vereins“ ist ihr eine Herzensangelegenheit.
Mayte Zimmermann ist von Hause aus Theaterwissenschaftlerin. Nach Stationen in Gießen und Hamburg promovierte die gebürtige Frankfurterin an der Goethe-Universität bei Prof. Nikolaus Müller-Schöll. Mit bestimmten Fragestellungen ihrer Dissertation beschäftigt sie sich heute immer noch – „weil philosophische und ästhetische Arbeiten anders als bestimmte empirische Forschungsgegenstände nicht dazu neigen, dass man sie einmal final beantwortet hat“, betont sie im Gespräch mit dem UniReport. Zimmermann hat zur Frage der „Darstellbarkeit des Anderen“ geforscht, sich dafür mit der Praxis des Gegenwartstheaters beschäftigt. „In der Zeit, als ich promoviert habe, war eine Strömung sehr stark: Es ging darum, Performer*innen aus Minderheitengruppierungen auf die Bühnen zu stellen und damit gewissermaßen einen ästhetischen Vorschlag zu machen, den so lange aus diesem Raum des Theaters Ausgeschlossenen die Stimme zu geben. Ich habe mich mit der Frage auseinandergesetzt, inwiefern sozusagen der Idee, damit das ‚Andere‘ hereinzuholen, trotzdem immer auch eine Art von Gewalt inhärent ist.“ Deswegen hat sich Mayte Zimmermann mit der Frage beschäftigt, wie man in performativen Ästhetiken dazu kommen kann, das eigene Rüstzeug daraufhin zu überprüfen, was dem eigenen Ansatz unzugänglich bleibt und in einem ethischen Sinne auch bleiben muss.
Bildung jenseits von Credit Points
Was sich nach einem theaterwissenschaftlichen Diskurs anhört, hat für Mayte Zimmermann aber auch eine weitere, allgemeinere gesellschaftspolitische Dimension: „Man kann diese darstellungsethische Frage auch übertragen auf die Frage des Alters: Ältere Menschen sind auf spezifische Weise eine marginalisierte, eine in der Gesellschaft gewissermaßen verunsichtbarte Gruppe. Daran lassen sich die Fragen anschließen, wie diese Gruppe als Studierende oder auch Forschende und Fragen des Alters als einer spezifische Forschungsperspektive an Bildungsprozessen partizipieren lassen kann, ohne dafür auf stereotype Darstellungen von „Alten“ oder „Alter“ zurückzugreifen oder diese gar fortzuschreiben.
Nach der Promotion hat ihr Interesse an bildungswissenschaftlichen Fragen deutlich zugenommen. Als Geschäftsführende Leitung baut Zimmermann an der Universität Koblenz das Zentrum für zeitgenössisches Theater und Performance auf.
Schwerpunkt der Einrichtung liegt darin, Lehramtsstudierende auf das Schulfach Theater vorzubereiten. „Bildung ist für mich spätestens seit meiner Funktion in Koblenz eine ganz zentrale Säule demokratischer Gesellschaften. Universitäten stehen diesbezüglich in einer großen Verantwortung, denn man weiß aus Untersuchungen, dass sie gesellschaftliche Ungleichheitsverhältnisse reproduzieren. Die U3L ist an einer der zentralen Achsen dieser gesellschaftlichen Ungleichheitsverhältnisse angesiedelt – sie artikuliert Fragen von Bildungsgerechtigkeit und der Inklusion und ist zugleich gelebte Praxis.
Für Mayte Zimmermann ist ein Bildungsangebot wie die U3L nicht einfach ein „lustiger Zeitvertreib“. Sie nennt hier den Begriff der „Selbstverhältnisse“, um damit Bildung auch jenseits des Leistungsgedankens und von Credit Points zu denken.
Wer überhaupt Zugang zu Bildung hat, stellt für sie eine elementare Frage dar. Dass die Studierenden der U3L auf den ersten Blick als eine homogene Gruppe erscheinen, konzediert sie, ergänzt dann aber: „Dadurch, dass recht viel evaluiert wird, wissen wir, dass eine Zielgruppe, die sehr gut erreicht worden ist, Frauen mit niederen Bildungsabschlüssen sind, die früher nicht studieren durften, qua gesellschaftlicher Beschränkungen. Entweder haben die Ehemänner das nicht erlaubt oder es wurde von ihren Familien nicht goutiert. Die Klientel ist schon viel heterogener, als es erstmal den Anschein hat.“
Schlagworte: Digitalisierung und Diversifizierung
Zu den großen künftigen Herausforderungen gehört für sie neben dem Umgang mit der Diversität der eigenen Zielgruppe auch der Aufbau eines verstärkten Onlineangebotes. Zwar sei die U3L vom Selbstverständnis her eine Präsenz-Seniorinnen-Universität. „Aber diese Räume können bei Menschen mit sogenannten Bildungsverletzungen mitunter das Gefühl erzeugen, dass man die Räume nicht erreicht – aus einem Gefühl der Unterlegenheit, aber auch aus praktischen Gründen, beispielsweise aufgrund der Entfernung vom Wohnort.“ Digitalisierung ist ein wichtiges Stichwort, um die U3L fit für die Zukunft zu machen. Gleichzeitig ergeben sich für Mayte Zimmermann auch pädagogisch-didaktische Fragen: Wenn man sich künftig die Frage stellt, wen akademisches Wissen möglicherweise ausschließt, muss man gleichzeitig Sorge dafür tragen, dass die Dozierenden der U3L dies ausreichend gedanklich mittragen.
Als Mayte Zimmermann die Ausschreibung für die Leitungsstelle entdeckt, gefällt ihr vor allem die Formulierung, dass man eine Person für die „forschungsnahe Entwicklung der U3L“ suche. „Perspektivisch interessiere ich mich dafür, dass wir an der U3L auch weiterhin gerontologische Projekte durchführen. Und gleichzeitig möchte ich mich aber auch in der Strukturarbeit hier von den zeitgenössischen Forschungsarbeiten leiten lassen.“ Dieser Ausrichtung der U3L kommt künftig sicherlich zugute, dass der Alternsforscher Prof. Frank Oswald neuer stellvertretender Vorsitzender des Vereins ist.
Knapp 3000 Studierende zählte man an der U3L im letzten Semester, die Semestergebühr in Höhe von 150 Euro finanziert im Grunde das gesamte Studienangebot. Das bedeute, dass die U3L ihre Studierendenzahlen aufrechterhalten müsse. „Dafür ist beispielsweise wichtig, dass in Frankfurt demographisch gesprochen zunehmend auch Migrantinnen zur potenziellen Zielgruppe unserer Angebote zählen – die wir momentan noch eher schlecht erreichen. Das ist eine produktive Herausforderung für uns; zugleich bin ich insgesamt sehr optimistisch, was die Nachfrage für unsere Angebote angeht.“
Mayte Zimmermann ist zwar erst wenige Wochen in ihrer neuen Position, doch gefällt ihr bereits die „unglaublich positive Arbeitskultur“, wie sie es nennt, die „Synthese von inhaltlicher Ausrichtung und organisatorischer Struktur“ in der U3L. „Ich habe nicht das Gefühl, dass es sich um einen Verein handelt, der von mir ‚aufgemotzt‘ werden müsse. Ganz im Gegenteil, hier funktionieren viele Dinge richtig, richtig gut, weil es für sehr viele Menschen, die hier arbeiten, ein Herzensprojekt ist. Ich erlebe Bildung hier noch mal in einer Facette, wie ich sie schon lange nicht mehr erlebt habe.“