100 Semester Lehre am Fachbereich 02 der Wirtschaftswissenschaften

Laudatio für Prof. Dr. Drs. h.c. Bertram Schefold

Bertram Schefold (M.) neben Ottmar Issing (r.) und Christian Schlag.

Eine Laudatio auf Bertram Schefold zu schreiben, fällt mir nicht leicht, denn wo fange ich an, wo höre ich auf. Ich kenne ihn schließlich seit seiner Berufung zum Professor im Jahre 1974, als ich seine ersten Vorlesungen über „Ricardo, Keynes, Marx“ und eine Einführung in das Sraffa-Modell, die zur Hälfte eine Einführung in die Theorie nichtnegativer Matrizen war, hören konnte. Also auch für mich sind das 100 Semester oder besser 50 Jahre, in denen wir uns kennengelernt haben und er meine akademische Sozialisation entscheidend geprägt hat.

Zunächst einmal muss man innehalten und sich den Zeitraum seiner Lehr- und Forschungstätigkeit vergegenwärtigen: 1974 bis 2024. Als Ökonom denke ich an die erste und zweite Ölpreiskrise, die darauffolgende Inflation, die übrigens lange dauerte und erst Ende der 1980er Jahre aufhörte. Die Atomdebatte, die Wiedervereinigung, die Einführung des Euro, die Finanzkrise 2009 und zuletzt Corona, die Kriege in der Ukraine und in Palästina. Bis auf die Finanzkrise alles exogene Schocks, die von Wirtschaft und Gesellschaft verarbeitet werden mussten und Anpassungsbereitschaft verlangten.

Ökonomische Theorie: nicht ohne historische Einbettung und logische Konsistenzprüfung

Aber zurück zum Jubilar. Ich möchte zunächst auf zwei Aspekte eingehen, die mit dem Thema des Symposiums „Nie ohne Mathematik und Geschichte“ bereits angedeutet sind. Im Zentrum von Bertram Schefolds Forschung und Lehre stehen verschiedene ökonomische Theorieansätze, die er zum einen einer begrifflichen und mathematischen Analyse unterzieht und deren Entwicklung er rekonstruiert. Zum anderen vergleicht er diese Theorieansätze mit wirtschaftshistorischen Forschungsergebnissen. Um es kurz zu machen: Ökonomische Theorie ohne historische Einbettung und logische Konsistenzprüfung hält er schlicht für ökonomisches Halbwissen.

Dabei geht es ihm insbesondere darum, die innere Logik wirtschaftlichen Handelns in verschiedenen Epochen der wirtschaftlichen Entwicklung und deren Widerspiegelung im ökonomischen Denken aufzudecken. In jüngerer Zeit hat er auch die umgekehrte Perspektive thematisiert, nämlich den Einfluss des ökonomischen Denkens auf die reale wirtschaftliche Entwicklung. In diesem Zusammenhang kann er als einer der wenigen Protagonisten des koevolutionären Ansatzes in der Geschichte des ökonomischen Denkens angesehen werden. Es dominiert die „Heldengeschichte“, in der implizit die These vertreten wird, dass es eine lineare Entwicklung von den Anfängen bis zur heutigen Theorie gegeben habe, in der das Falsche ausgesondert und das Richtige bewahrt worden sei. Die Helden sind eben jene Ökonomen, die bleibende Beiträge geleistet haben.

Das Programm des Symposiums spiegelt die Forschungsgebiete von Bertram Schefold wider. Heinz Kurz (Graz), der Herausgeber des wissenschaftlichen Nachlasses von Piero Sraffa, sprach „Über Platon und die Wahrheit als ständige Aufgabe des Suchens und niemals als gesicherter Besitz am Beispiel von Bertram Schefolds Arbeiten zu Sraffa und zur Kapitaltheorie“. Der Mathematiker Götz Kersting (FB 12), der mit dem Jubilar gemeinsam publiziert hat, sprach über „Randomness matters“ und erläuterte den Zuhörern unter anderem, wie es in der Physik zur Anwendung der sogenannten „Zufallsmatrizen“ kam. Nach der Kaffeepause präsentierte Werner Plumpe (FB 08) neueste Forschungsergebnisse zur Frage „Warum die einen reich und die anderen arm sind“. Ein Thema, das sowohl in der wirtschaftshistorischen Forschung als auch in der Wachstumsforschung seit mehr als zwanzig Jahren zu heftigen Kontroversen zwischen der California School und den sogenannten Eurozentristen geführt hat. Schließlich hielt André Lapidus (Paris), der wie der Jubilar Ehrenpräsident der European Society for the History of Economic Thought ist, einen Vortrag zum Thema „The Emergence and Fall of the Classical Usury Paradigm: From Thomas Aquinas to Hugo Grotius“.

Abgerundet wurde der Tag durch eine private Feier des Jubilars in der Gesellschaft für Handel, Industrie und Wissenschaft, zu der neben den Familienangehörigen auch Gäste aus dem Fachbereich und weitere dem Jubilar nahestehende Kolleginnen und Kollegen eingeladen waren. Nach einem Klavierkonzert von Viviane Goergen begann der kulinarische Teil der Feier, der durch eindrucksvolle Tischreden unterbrochen wurde. So sprachen der Herausgeber der FAZ, Gerald Braunberger, Volkswirt und Alumnus der Frankfurter Fakultät, und der Physiker Prof. Dr. Dieter Imboden (ETH Zürich), der seit den gemeinsamen Studienzeiten in Basel mit Bertram Schefold befreundet ist und von den gemeinsamen Bergwanderungen und dem Surfen auf Wellen unterhalb der alten Rheinbrücke berichtete. Erwähnt sei auch der großartige Toast von Martin Mosebach, der die literarischen Aspekte im Schaffen des Jubilars hervorhob, vor allem auch seine Verdienste um die Stefan-George-Gesellschaft und das Museum in Georges Geburtsstadt Bingen.

Vortragsstil von Klarheit und Präzision

Zurück zur ökonomischen Theoriegeschichte. Dass zum theoriegeschichtlichen Forschungsfeld auch die Kenntnis der seinerzeit dominierenden Sprachen, vor allem Latein und Altgriechisch, nicht schädlich ist und dass man die Vorstellungswelten dieser Kulturen kennen muss, sei hier nur am Rande erwähnt. Ich erinnere mich, wie wir Assistenten bei der gemeinsamen Korrektur eines Aufsatzes von Bertram Schefold über „Spiegelungen antiken Wirtschaftsdenkens in der griechischen Dichtung“ zusammensaßen und die Druckfahnen mit dem druckfertigen Manuskript verglichen. Wir entdeckten gewisse Unterschiede und vermerkten sie ordnungsgemäß am Rand. In meinem Druckexemplar befindet sich noch heute ein kleiner Zettel des Verlages: „Errata – Durch einen drucktechnischen Fehler wurden die Spiritus asperi in Verbindung mit einem Akut auf anlautenden Vokalen in ein Trema verwandelt“. Soviel zu den Bildungserlebnissen junger Ökonomen beim Korrekturlesen. Überhaupt führte Bertram Schefold Cambridger Gepflogenheiten – die Supervision – in die Lehre ein. Wir Assistentinnen und Assistenten wurden nach Cambridger Art beim nachmittäglichen Tee im „reasoning in the arm chair“ geschult. Ein theoretisches oder wirtschaftspolitisches Problem wurde durchdacht, gelegentlich auch mit Tafel und Kreide, sodass der Tee manchmal kalt wurde. Im Hörsaal war und ist sein Vortragsstil von Klarheit und Präzision geprägt. Die mathematischen Ableitungen und Beweise folgten den zunächst vorgetragenen ökonomischen Narrativen und Problemen; Mathematik erschien nie als Selbstzweck. Höhepunkte in der Lehre waren immer seine Seminare, die bis vor Kurzem regelmäßig sommers wie winters in der Seminarwoche im Haus der Goethe-Universität in Riezlern stattfanden. Dort kam es oft zu heftigen Diskussionen, die sich bis tief in die Nacht und nach kurzem Schlaf am nächsten Morgen am Frühstückstisch fortsetzten. Man kann mit Fug und Recht sagen, dass Bertram Schefold bei vielen seiner Studenten und akademischen Schüler ein Lichtlein angezündet hat, statt ein Fass zu füllen. Bei vielen, die ich persönlich kenne, ist es nie erloschen, auch wenn natürlich jeder sein eigenes Fass recht unterschiedlich gefüllt hat. Auch ein bleibender Verdienst seiner Liberalität. Nicht ganz uneigennützig wünsche ich ihm, auch im Namen seiner zahlreichen Schüler, dass er seine ungebrochene und ansteckende Vitalität noch lange behalten möge!

Prof. Volker Caspari, Seniorprofessor für Volkswirtschaftslehre an der Goethe-Universität

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