Wissenschaftsmoderator
Schauspieler, Arzt, Pilot, Moderator – Herr Meidl, warum ist Ihnen ein Beruf nicht genug?
Es ist eine Art Lebenssehnsucht. Ich mag Herausforderungen, bin kein Mensch, der in seiner Komfortzone bleibt. Das Leben hat so viele Facetten! Zum Glück konnte ich alle meine Kindheitsträume verwirklichen: Schauspielerei, Medizin und Fliegen. Arzt wollte ich werden, seit ich sieben Jahre alt war. Nach dem nicht ganz so glorreichen Abitur ging ich zunächst auf die Schauspielschule. Das Schultheater hat in dieser Hinsicht einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Mit Gastspielverträgen am Theater konnte ich mir später mein Medizinstudium finanzieren. Pilot bin ich zu meinem großen Bedauern erst mit 40 geworden. Fliegen ist heute privat meine große Leidenschaft.
Sie moderieren seit 1997 wissenschaftliche Kongresse und Events, arbeiten seit 20 Jahren als Trainer und Coach insbesondere im Bereich medizinischer Themen. Was bedeutet es für Sie persönlich, Menschen mit Ihrer Moderation zu begleiten?
Mir geht es darum, Veranstaltungen lebendig zu gestalten, ein Erlebnis zu schaffen, das in Erinnerung bleibt. Eine Wirkung zu erzielen, wie man so schön sagt. Dabei greife ich auf Techniken zurück, die ich mir als Schauspieler erworben habe: Mit Mimik, Gestik und Sprache einen Raum füllen, das Publikum mitnehmen, mitreißen. Eine gründliche Vorbereitung, ein souveränes Auftreten, eine gewisse Spontaneität, aber auch Authentizität sind dafür unerlässlich. Für mich ist es wichtig, den Ablauf der Veranstaltung im Vorfeld so weit wie möglich mitzugestalten. Da ich in erster Linie für Veranstaltungen gebucht werde, die im Zusammenhang mit der Medizin, der Gesundheitsbranche im Allgemeinen stehen, schöpfe ich hier aus meiner Fachkompetenz als Arzt.
Was ist Ihre persönliche Definition von Erfolg?
Ich muss zugeben, dass ich ein gewisses Sendungsbewusstsein habe. Erfolg ist für mich, wenn mir Teilnehmer einer Veranstaltung im Nachhinein sagen oder schreiben, Herr Meidl, dieser eine Satz von Ihnen, der hat mich bewegt, der ist hängen geblieben, der hat etwas ausgelöst, das mir hilft, Dinge anders zu sehen, Veränderungen anzugehen. Das macht mich wirklich stolz und glücklich. Ich glaube, ich wäre auch ein guter Lehrer geworden. In meiner Schulzeit gab es Lehrer, die etwas in mir ausgelöst haben, die mir Mut gemacht haben, meinen eigenen Weg zu gehen. Ich möchte in Menschen etwas anstoßen, so wie es früher Lehrer bei mir konnten. Das gelingt mir vor allem in meinen Workshops und Coachings.
Und dann gibt es ja noch die geschäftliche Seite von Erfolg. Wie läuft es so als Selfmade-Unternehmer im Event-Business?
Sie spielen auf die Corona-Pandemie an. Da gab es – wie bei allen anderen auch – erst einmal einen Einbruch. Die erste Anfrage für eine Online-Moderation kam aber schon nach drei Wochen im Lockdown. Ich habe mir hier im Büro dann recht schnell ein kleines Fernsehstudio mit Greenscreen und allem Drum und Dran eingerichtet und auf Online-Moderationen und Coachings umgestellt. Das läuft gut, bis heute. Es gibt auch wieder viele Präsenzveranstaltungen. Die Leute mögen das direkte Miteinander. Und wem Eckhardt von Hirschhausen zu teuer ist, der greift auf mich zurück, kann ich mit einem Augenzwinkern sagen.
Sie haben nach Ihrer Approbation vier Jahre als Arzt gearbeitet. Was war der ausschlaggebende Moment, welche Überlegung bewog Sie dazu, die klinische Arbeit aufzugeben?
Ja, es gab einen Punkt, an dem ich mich gefragt habe, ob ich mich in zehn Jahren noch als Arzt sehe. Das war, als ich das Angebot bekam, als Partner in eine Hausarztpraxis einzusteigen. Nach reiflicher Überlegung bin ich zu dem Schluss gekommen, dass ich in diesem Gesundheitssystem nicht glücklich werden kann. Immer mehr Patienten in immer kürzerer Zeit behandeln, ein gigantischer bürokratischer Aufwand durch die Dokumentationspflicht, starre Strukturen, keine Zeit für eine patientengerechte Betreuung, vertrauensbildende Gespräche mit Patienten und Angehörigen werden nicht bezahlt, rigider und hierarchischer Teamgeist – das ist nicht die Art von Medizin, wie ich sie mir vorstelle.
Trotz Medizinermangel entscheiden sich nicht wenige Absolventen eines Medizinstudiums für andere Karrierewege. Was schlagen Sie vor?
Geschätzt wird, dass etwa 10 bis 20 % der Medizinabsolventen in Deutschland alternative Karrierewege wie Forschung, Pharmaindustrie oder Gesundheitsmanagement wählen, beeinflusst durch persönliche Interessen und Arbeitsbedingungen. Meiner Meinung nach ist das Gesundheitssystem dysfunktional: Trotz der höchsten Gesundheitskosten in Europa geht es den Menschen nicht besser, vielmehr gerät der einzelne Patient aus dem Blick. Die Krankenhausreform wird daran nichts ändern, und das Vertrauen in die Reformfähigkeit des Gesundheitswesens schwindet. Wir müssen die großen strukturellen Defizite beheben.
Wie kam es, dass Sie sich für ein Medizinstudium an der Goethe-Universität entschieden haben?
Das war reiner Zufall und der hieß ZVS. Dank der Zentralen Vergabestelle für Studienplätze bin ich in meiner Geburtsstadt gelandet und das ist wirklich ein großes Glück! Der liberale Spirit hier an der Goethe-Universität, diese Offenheit war genau meins. Während meiner Studienzeit habe ich so großartige Sozialmediziner wie Hans-Ulrich Deppe oder die Sexualmediziner Volkmar Sigusch und Martin Dannecker kennenlernen dürfen. Es gab auch sehr hilfreiche Kurse zur Patientenkommunikation. Dafür gab es zwar keinen Schein, aber ich habe sie trotzdem belegt. Eine Inspiration fürs Leben! An einer anderen Universität, die konservativer ist, wäre ich gescheitert. Ich war damals ein bunter Hund mit gefärbten Haaren, politisch engagiert, in der Fachschaft aktiv. Das ging so nur an der Goethe-Universität.
Wie haben Sie es geschafft, während Ihres Medizinstudiums Ihre Leidenschaft für die Schauspielerei zu pflegen? Gab es Momente, in denen die beiden Welten für Sie kollidiert sind?
Ja klar, die gab es und die waren rein zeitlicher Natur. Ich musste tagsüber die Vorlesungen an der Uni und die Proben am Theater unter einen Hut bringen. Und ich erinnere mich, dass ich sogar einmal am Abend vor einem Examen eine Vorstellung hatte. Zum Glück wohnte ich damals in der Nähe des Baseler Platzes und von dort war es genauso weit zum Schauspielhaus wie zur Uni-Klinik. Ich konnte zwar mein Studium mit Schauspiel-Engagements finanzieren, aber keine mehrmonatigen Engagements an Theatern annehmen.
Stichwort Frankfurt: Sie wohnen sozusagen im Auge des Orkans, am Römerberg, mitten in der Altstadt. Mehr Verbundenheit mit Frankfurt geht kaum, oder?
Mit allen Vor- und Nachteilen … (lacht). Natürlich gibt es Tage, an denen es hier einfach zu laut ist vor lauter Touristen, Straßenmusikern, Schulklassen, die die Kaiserkrönung nachspielen und so weiter. Aber das Positive überwiegt. Tolle Nachbarschaft, man kennt sich, ist gut vernetzt. Im Vergleich zu Berlin ist Frankfurt eine Stadt der kurzen Wege. In 20 Minuten bin ich überall. Hier leben viele interessante Menschen aus aller Welt. Frankfurt ist offen und liberal – das kommt meinem Wesen und meinem Leben sehr nahe.
Zur Person:
Zielstrebig, leidenschaftlich, vielseitig – Rudy C. Meidl ist ein Mann, der seine Träume konsequent in die Tat umgesetzt hat. Geboren in Frankfurt am Main, verbrachte er seine Kindheit in Ludwigshafen am Rhein, wo er sein Abitur absolvierte. Seine Begeisterung für die Bühne führte ihn 1978 an die Theaterakademie Mannheim, um eine Schauspielausbildung zu absolvieren. Drei Jahre später, 1981, erfüllte er sich seinen Kindheitstraum und studierte Medizin in seiner heutigen Heimatstadt Frankfurt. Nach dem Abschluss seines Studiums an der Goethe-Universität praktizierte er fast vier Jahre lang als Arzt.
Seit 1997 steht Meidl vor allem als Moderator auf Live-Veranstaltungen und vor der Kamera im Mittelpunkt. Sein medizinisches Fachwissen nutzt er besonders bei Kongressen und Events in den Bereichen Biowissenschaften, Technik, Gesellschaftspolitik, Ethik und Luftfahrt. Darüber hinaus ist er seit über 20 Jahren als Trainer und Coach für verschiedene Unternehmen und Einzelpersonen tätig. An der Hochschule für Gestaltung in Offenbach am Main teilt er seine Erfahrungen als Lehrbeauftragter für »Präsentationstechniken«. Als Referent der CONCADA-Akademie GmbH, Bonn, gibt er bundesweit Kurse zu Themen wie »Souverän und erfolgreich präsentieren«, »Arbeitsgruppen moderieren und leiten« sowie »Methodik für Online-ModeratorInnen«.
Meidls Leidenschaften enden nicht bei Bühne und Medizin. Schon mit 18 Jahren träumte er davon, selbst zu fliegen. Heute zieht es ihn so oft wie möglich in die Luft. Diese Zeit nutzt er auch, um seiner Liebe zur Fotografie nachzugehen. Einige seiner beeindruckenden Aufnahmen sind auf seiner Website zu sehen.
Neben seinen beruflichen Tätigkeiten engagiert sich Rudy C. Meidl ehrenamtlich in Vereinen und gemeinnützigen Organisationen, insbesondere in den Bereichen Jugendarbeit, gesundheitliche Aufklärung und Naturschutz. Er ist fest davon überzeugt, dass jeder Einzelne die Welt positiv beeinflussen kann und es wichtig ist, aktiv an der Gestaltung unserer Gesellschaft mitzuwirken.
Heike Jüngst