Europäischer Forschungsrat fördert Grundlagenforschung mit rund 5,5 Millionen Euro
Für ihre visionären Forschungsvorhaben erhalten drei Spitzenforscher*innen der Goethe-Universität für die kommenden fünf Jahre Fördergelder des Europäischen Forschungsrats (ERC). Je einen ERC Consolidator Grant erhalten Prof. Julian Garritzmann zur Untersuchung von Bildungsunterschieden als zentrale Achse von politischen Konflikten und Prof. Joel Thiago Klein zu Kants Rechtsphilosophie und deren aktueller Relevanz. Die Molekularbiologin Dr. Hannah Uckelmann befasst sich im Rahmen ihres ERC Starting Grants mit nicht-genetischen (epigenetischen) Veränderungen der DNA in Blutzellen, die in der Leukaemieentstehung wichtig sind.
Prof. Enrico Schleiff, Präsident der Goethe-Universität, hebt die thematische Breite der neuen ERC Grants hervor: „Ich gratuliere unseren drei ERC-Preisträger*innen herzlich. Sie verfolgen zukunftsweisende Projekte, die ein Streiflicht auf die Exzellenz der Goethe-Universität in ihrer ganzen Vielfalt von den Politik- und Sozialwissenschaften bis hin zur Medizin wirft. Die ERC-Preisträger zeigen, dass auch unsere Grundlagenforschung nahe an aktuellen Herausforderungen unserer Zeit ist, wenn sie untersuchen, wie Bildung unsere Gesellschaft gleichsam einen wie spalten kann, warum Kants Philosophie unsere heutigen Diskussionen zu Gerechtigkeit zwischen den Generationen und der Verteilung von Gütern prägt und wie Leukämien entstehen, obwohl die Proteine, die direkt das ungezügelte Wachstum verursachen, nicht von Mutationen betroffen sind.“
Bildung ist ein zentrales Element unserer heutigen „Wissensgesellschaften“. Bildung hat viele positive soziale und ökonomische Konsequenzen, so z.B. für das Wirtschaftswachstum oder für sozialen Aufstieg. Daher wurde viel Hoffnung in die massive Bildungsexpansion gesetzt. Gleichzeitig hat Bildung aber das Potential, unsere Gesellschaften politisch zu spalten: Es entsteht zunehmend eine politische Konfliktlinie zwischen Bildungsgruppen, die immer mehr eine zentrale Achse von politischem Konflikt wird.
Dies argumentiert und untersucht der Politikwissenschaftler Julian Garritzmann in dem mit rund zwei Millionen Euro geförderten Projekt „POLEDUC – The Politics of the Latent Educational Cleavage“. Das Projekt untersucht die komplexen Zusammenhänge auf drei Ebenen: Auf der Individualebene ermittelt es die Bildungskluft in politischen Präferenzen und Verhalten anhand von Meinungsumfragen; auf der übergeordneten Ebene analysiert das Projekt, wie der Parteienwettbewerb zunehmend unterschiedliche Bildungsgruppen adressiert. Und schließlich untersucht es auf der Makroebene der Politikgestaltung, warum politische Entscheidungsträger zunehmend auf besser-gebildete Bürger*innen eingehen.
Julian Garritzmann ist Professor für Politikwissenschaft an der Goethe-Universität Frankfurt. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Wohlfahrtsstaats- und Bildungspolitikforschung, in der Vergleichenden Politischen Ökonomie und politischen Soziologie. Nach einem Studium in Köln und einer Promotion in Konstanz forschte und lehrte er u.a. an der Harvard University, der Duke University, der Universität Zürich und dem Europäischen Hochschulinstitut in Florenz. Seine Forschung wurde u.a. mit Preisen der Deutschen Vereinigung für Politikwissenschaft, der Schweizer Vereinigung für Politikwissenschaft und der American Political Science Association ausgezeichnet.
Der brasilianische Philosoph und Kantspezialist Prof. Dr. Joel Thiago Klein wird am Fachbereich Philosophie und Geschichtswissenschaften der Goethe-Universität zu Kants Rechtsphilosophie und ihrer aktuellen Relevanz forschen. In seinem Projekt „LSR – LAW, STATE, REPUBLIC: An Interpretation and Defense of a Kantian Critical Reflective Constructivism“ geht Klein davon aus, dass neue Perspektiven, die sich aus Kants Rechtsphilosophie ergeben, einen Beitrag zu zeitgenössischen normativen Herausforderungen in der politischen Philosophie leisten können wie auch zur Rechtsphilosophie und zur politischen und rechtlichen Theorie. Darunter fallen etwa Anforderungen an das Ideal der Rechtsstaatlichkeit und das Verhältnis zwischen den Rechtsprinzipien, der Geschichte und Anthropologie; ebenso formuliert Klein neue Überlegungen zur Legitimität des Eigentums, zur wirtschaftlichen Gerechtigkeit und Gerechtigkeit zwischen den Generationen, zum Kosmopolitismus, zu den Menschenrechten und zur Demokratie.
Mit seinem ERC-Projekt, das mit rund zwei Millionen Euro gefördert wird, ist KleinTeil der vielfältigen Aktivitäten zur Kant-Forschung an der Goethe-Universität; sein Projektberührt sich insbesondere mit Arbeitsschwerpunkten der renommierten Kantforscher Prof. Dr. Marcus Willaschek und Prof. Dr. Rainer Forst.
Joel T. Klein ist ordentlicher Professor für moderne Philosophie, Ethik und politische Philosophie an der Bundesuniversität von Paraná (Brasilien). Er forscht zur theoretischen und praktischen Philosophie Kants sowie zu Themen im Zusammenhang mit Demokratie, Rechtsphilosophie, Geschichtsphilosophie und Gerechtigkeitstheorien.
Nach einem Abschluss und Master in Philosophie an der Bundesuniversität Santa Maria (2008) promovierte Klein an der Bundesuniversität Santa Catarina (2012), beide in Brasilien. Sein Postdoc absolvierte er an der Ludwig-Maximilians-Universität München mit einem Alexander-von-Humboldt-Stipendium (2018-2020); zudem war er Gastwissenschaftler an der Goethe-Universität Frankfurt (2023).
Krebs entsteht nicht nur durch Veränderungen oder Mutationen des genetischen Codes, die zu fehlerhaften Proteinen führen. Auch chemische Veränderungen der DNA oder der Proteine, um die die DNA aufgewickelt ist (Histone), beeinflussen die Aktivität von Genen und können, wenn hier Fehler auftreten, die Entstehung und das Wachstum entarteter Zellen begünstigen, da sie bei einer Zellteilung auf die Tochterzellen vererbt werden. In ihrem ERC-Projekt „EpiTransformers – Targeting epigenetic regulators during leukemia evolution“ untersucht Dr. Hannah Uckelmann, wie Blut-Stammzellen durch solche epigenetischen Veränderungen zu Leukämiezellen werden können. Insbesondere will Uckelmann verstehen, wie Krebszellen etwa Transportwege in den Zellen kapern, um solche Gene anzuschalten, die das Krebswachstum begünstigen. Damit will sie das Verständnis epigenetischer Prozesse verbessern, um die Grundlage für neue therapeutische Ansätze gegen Krebs zu legen. Der ERC Starting Grant umfasst rund 1,5 Millionen Euro.
Dr. Hannah Uckelmann leitet eine Max-Eder-Forschungsgruppe an der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin der Universitätsmedizin Frankfurt. Nachdem sie ein Studium an der Universität Heidelberg mit einem Master in Molekularen Biowissenschaften abgeschlossen hatte, promovierte sie am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Mit einem Postdoktorandenstipendium ging Uckelmann an das Dana-Farber Cancer Institute in Boston und lehrte an der Harvard Medical School. Mit einer Förderung durch das Mildred-Scheel-Nachwuchszentrum Frankfurt kehrte Hannah Uckelmann in 2023 nach Deutschland zurück. Seit August 2024 trägt die Deutsche Krebshilfe im Rahmen des Max-Eder-Programms zur Finanzierung ihrer Arbeitsgruppe bei. Die Förderung durch den ERC Starting Grant wird im Laufe des Jahres 2025 beginnen.
Mit dem ERC Consolidator Grant fördert der European Research Council exzellente, vielversprechende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, deren Arbeitsgruppe sich in der Konsolidierungsphase befindet. Der Grant soll ihnen ermöglichen, einen eigenen Forschungsbereich auszubauen und visionäre, grundlagenorientierte Forschung zu betreiben. Mit einem Fördervolumen von bis zu zwei Millionen Euro für fünf Jahre gehört der Consolidator Grant zu den höchstdotierten Einzel-Fördermaßnahmen der Europäischen Union.
ERC Starting Grants unterstützen exzellente Forscherinnen und Forscher, die sich in den ersten Jahren nach ihrer Promotion ein eigenes Forschungsteam aufbauen und sich mit einem viel versprechenden Forschungsprojekt wissenschaftlich etablieren wollen. Für die Projekte erhalten sie bis zu 1,5 Millionen Euro über einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren.
Der Europäische Forschungsrat (European Research Council, ERC) ist eine von der Europäischen Kommission eingerichtete Institution zur Finanzierung grundlagenorientierter Forschung.