Goethe-Universität bekräftigt nach Demonstration zum Protestcamp Notwendigkeit des offenen Diskurses

Präsidium appelliert an Debattenkultur auf dem Campus zum Nahostkonflikt

Nach der heutigen Kundgebung unter dem Titel „Gegen jeden Antisemitismus“ ist die Leitung der Goethe-Universität Frankfurt erleichtert, dass Konflikte mit dem nahen Protestcamp einer sich als „Palästinasolidarische Studierende“ bezeichnenden Gruppe auf dem Campus Westend nicht eskaliert sind. Das Präsidium respektiert, dass unterschiedliche Positionen zum Nahostkonflikt zur Sprache kommen, und dankt insbesondere dem Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) für seine klare Positionierung gegen Antisemitismus und gegen Bedrohungen auf dem Campus.   

Die Goethe-Universität steht für einen offenen, demokratischen Diskurs, der sowohl in wissenschaftsgeleiteten Veranstaltungen der Universität, ihrer Fachbereiche und ihrer Gruppen seinen Platz hat, als selbstverständlich auch in Form von politischen Versammlungen auf dem Campus. „Bei nicht universitären Veranstaltungen wie dem Protestcamp ist unsere primäre Aufgabe als Präsidium, die Sicherheit der Studierenden, Lehrenden, Mitarbeitenden und Gäste sowie die Freiheit von Forschung und Lehre und die Interessen der Universität kontinuierlich einzufordern. Wir erwarten auch bei öffentlichen Versammlungen die Bereitschaft zu einem offenen Diskurs, der ohne antisemitische, rassistische und andere Diskriminierung, ohne psychische, physische und verbale Gewalt und ohne Einschüchterung auskommt“, erläutert Universitätspräsident Prof. Dr. Enrico Schleiff. „Als Universität und auch als Präsidium arbeiten wir daran, zusätzlich zu zahlreichen Angeboten der Fachbereiche Formate zu schaffen, in denen die unterschiedlichen Positionen zum Nahostkonflikt, dem Terror der Hamas und dem Vorgehen Israels miteinander in Dialog treten können – ein Dialog, der bei öffentlichen Versammlungen derzeit leider zu wenig gelingt.“ Die Universität hofft, dass nach der heutigen Demonstration auch eine für den Freitag angemeldete Gegenkundgebung zum Protestcamp ohne Konflikte verläuft.

„Unsere Rolle als Präsidium ist es ausdrücklich nicht, mit Protestierenden über den Nahostkonflikt zu diskutieren. Es steht aber selbstverständlich allen Mitgliedern der Universität frei, in den Diskurs mit der im öffentlichen Raum stattfindenden Versammlung zu treten – in der Erwartung, dass sie auf einem kritischen, ehrlichen Diskurs bestehen“, so Präsident Schleiff weiter. „Dass die Protestierenden sich Berichten zufolge weigern, eine Aussage über ihre Haltung zur Hamas zu treffen, ist dafür keine gute Voraussetzung. Auch deshalb freue ich mich sehr über die klare Positionierung des AStA gegen jede Form des Antisemitismus. Die dort wiedergegebene Haltung, dass sich Kundgebungen selbst delegitimieren, wenn sie ,Angriffe auf jüdische Menschen (,Yallah, Yallah Intifada‘) fordern und sich die Auslöschung des israelischen Staates wünschen (,Vom Wasser zu Wasser, Palästina ist arabisch‘)‘, deckt sich mit der unseren. Deshalb werden wir auch weiterhin solche Parolen zur Anzeige bringen.“

Die Universitätsleitung verwahrt sich gegen Aussagen aus den Reihen der Protestierenden, sie wolle Meinungen unterdrücken. „Wir haben immer wieder betont, dass Protest gegen die Politik Israels möglich sein muss, wenn er ohne antisemitische Parolen und ohne Gewalt auskommt. Wir haben zu keiner Zeit versucht, den Protest als solchen zu unterbinden, sondern uns gegen die Form des Protests als ganzwöchiges Camp mit Zelten und Übernachtungen gewandt, die wir für unverhältnismäßig halten. Neben antisemitischen und gewaltsamen Zwischenfällen bei Camps an anderen Orten hat uns dazu auch die Erfahrung mit früheren öffentlichen Demonstrationen auf unserem Campus bewogen, nach denen wir mehrfach Anzeige erstatten mussten, weil antisemitische Parolen gerufen wurden. Mehrfach haben Studierende, die eine andere Meinung zum Nahostkonflikt vertreten, darunter auch jüdische und jüdisch gelesene Studierende, von Bedrohungen im Kontext der Demonstrationen berichtet, und auch jetzt erreichen uns Schreiben von Studierenden, die das Camp als Bedrohung empfinden – dass es hierzu auch andere Meinungen gibt, entlässt uns nicht aus der Verantwortung für die Gesamtuniversität.“

„Wenn sich der AStA dagegen wendet, dass Demonstrationen ,von der Universitätsleitung direkt mit polizeilichen Maßnahmen bedroht‘ würden, liegt ein Missverständnis vor: Die Polizei ist von Amts wegen auf dem Campus, um die von der Versammlungsbehörde erlassenen Auflagen durchzusetzen, um die Versammlung selbst, aber auch die öffentliche Ordnung zu schützen sowie um mögliche Straftaten zu unterbinden oder zu verfolgen. Dazu ist die Polizei verpflichtet; die Universitätsleitung hat dies weder veranlasst, noch könnte sie es verhindern, wenn sie wollte. Allerdings haben wir versucht, vor Gericht deutlichere Auflagen und eine Verkürzung der Versammlung zu erreichen. Das Verwaltungsgericht Frankfurt hat dies abgelehnt.“

In der kommenden Woche startet an der Universität die Öffentliche Ringvorlesung „Wie (un-) politisch ist die Universität?“ zu Erinnerungskultur, Antisemitismus und Demokratie mit renommierten Expert*innen. Die Vorträge finden jeweils dienstags auf dem Campus Westend statt. Bereits beginne hat die sich an Lehrende der Universität richtende Veranstaltungsreihe „Diskurs und Resonanz: Akademische Lehre und jüdische Perspektiven“, die Wissenslücken zu diesem Themenkomplex schließen will. Weitere Veranstaltungsformate, die den Diskursraum auch zum Nahostkonflikt jenseits von Demonstration und Gegendemonstration öffnen sollen, sind in Vorbereitung.

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