Goethe-Universität prüft rechtliche Schritte gegen bei Versammlungsbehörde angemeldetes Protestcamp auf Campus

Das Ordnungsamt der Stadt Frankfurt als Versammlungsbehörde hat der Goethe-Universität am heutigen Freitag mitgeteilt, dass für kommende Woche vom 20. bis 26. 5. ein propalästinensisches Protestcamp auf dem Campus Westend angemeldet wurde. Die Universitätsleitung nimmt dies angesichts der Geschehnisse rund um vergleichbare Camps in anderen Städten mit großer Sorge zur Kenntnis und prüft rechtliche Schritte, damit das Camp nicht in der vorgesehenen Form zugelassen wird.

Die Universität erwartet von den Behörden, dass sie für Proteste auf dem Campus sowohl durch angemessene Auflagen als auch durch eine enge Begleitung einen friedlichen Verlauf sicherstellt, mögliche Straftaten und Bedrohungen direkt und nachhaltig unterbindet und die Universität dabei unterstützt, Verursacher möglicher Schäden haftbar zu machen. „Selbstverständlich erstreckt sich die Versammlungsfreiheit auch auf Proteste gegen das Vorgehen Israels im Gazastreifen; sie sollen auch auf dem Campus der Universität stattfinden können und tun dies regelmäßig. Wir können aber nicht erkennen, dass es dazu erforderlich ist, eine ganze Woche lang ein Camp mitten auf dem Campus zu errichten. Nicht nur jüdische, auch andere Studierende, Lehrende, Mitarbeitende und Gäste werden ein solches Camp angesichts der Vorfälle andernorts als Bedrohung wahrnehmen, und übrigens auch die Eltern und Kinder der nahen Campus-Kita“, erläutert Prof. Dr. Enrico Schleiff, Präsident der Goethe-Universität. „Protest kann, darf und soll laut sein, er darf auch stören; wer aber eine ganze Universität für seine Ziele instrumentalisiert, missbraucht die Versammlungs- und Meinungsfreiheit.“

„Angesichts des Pfingstwochenendes und der kurzfristigen Anmeldung haben wir nur noch wenige Möglichkeiten, uns auf das Protestcamp vorzubereiten“, ergänzt Dr. Ulrich Breuer, Kanzler der Universität. „Der Campus und die Gebäude der Universität leben von Offenheit – wir können und wollen nicht alle Zugänge kontrollieren und müssen daher damit rechnen, dass Protestcamp-Bewohner auch in die Gebäude gehen. Nach der Hausordnung der Universität ist Zelten auf dem Campus verboten – aus gutem Grund. Es kann nicht unsere Aufgabe sein, die Sicherheit der Camp-Bewohner zu gewährleisten, auch angesichts angesagter Starkregenereignisse.“

Anders als in anderen Fällen, in denen Gerichte zugunsten von Protestcamps entschieden haben, handelt es sich in Frankfurt nicht um Grund und Boden in Landes- oder in kommunalem Besitz, sondern um das Gelände und Eigentum der Stiftungsuniversität. Ein Camp, das eine ganze Woche lang zwischen Hörsaal- und Seminargebäude stünde, würde den Lehr- und Forschungsbetrieb erheblich beeinträchtigen, Flucht- und Rettungswege gefährden und Schäden auf der Wiese anrichten, auf dem es stattfinden soll. Die Universität prüft daher ein rechtliches Vorgehen.

Die Universität hat ihre Bedenken dem Ordnungsamt mitgeteilt und fordert es auf, das Camp nicht in dieser Form zuzulassen. Sollte es dennoch stattfinden, müssen die Veranstalter schlüssige Hygiene-, Energie- und vor allem Sicherheitskonzepte vorlegen, auch angesichts der Tatsache, dass für kommende Woche Starkregen vorhergesagt wird. Die Universität erwartet, dass das Ordnungsamt ihr einen Ansprechpartner des Veranstalters mitteilt, an den sie mögliche Schadenersatzforderungen für Beschädigungen auf dem Gelände, an Gebäuden oder anderem Besitz der Universität richten wird. Auch müssen die Sicherheitsbehörden bereits jetzt Vorkehrungen für zu erwartende Gegendemonstrationen treffen.

Sollte die Versammlung zugelassen werden und stattfinden, enden auch die letzten Einflussmöglichkeiten der Universität. Es ist dann Sache der Sicherheitsbehörden, gegen Verstöße vorzugehen. „Wir erwarten auch, dass das Ordnungsamt für den Fall, dass es die Versammlung zulässt, eine Gefährdungsansprache durchführt und den Protestierenden verdeutlicht, dass sie jede Form der physischen, psychischen und verbalen Gewalt zu unterlassen haben und dass das Camp bei rassistischen, antisemitischen oder diskriminierenden Äußerungen umgehend aufgelöst wird“, ergänzt Kanzler Breuer. „Wir haben dem Ordnungsamt eine Karte übermittelt, auf der Feuerwehrangriffs- und Rettungswege, Sammelplätze sowie schützenswerte Kunstwerke und Gedenkorte eingetragen sind. Die Universität erwartet, dass die Behörden durchsetzen, dass die im Notfall lebenswichtigen Wege frei bleiben.“

Zuletzt hatte am 10. Mai eine spontane Versammlung auf dem Campus stattgefunden, bei der Berichten zufolge auch Parolen gerufen wurden wie „From the river to the sea / Palestine shall be free“ und „Alle gegen Zionisten, Mörder, Siedler und Faschisten“. Dazu Uni-Präsident Schleiff: „Die Polizei hatte uns versichert, mit geschulten Kräften vor Ort zu sein und gegebenenfalls strafwürdige Parolen zur Anzeige zu bringen. Ungeachtet dessen möchte ich mich nicht damit abfinden, dass Parolen, die das Existenzrecht Israels in Frage stellen oder Zionisten pauschal als Faschisten verunglimpfen, auf unserem Campus skandiert werden können. Deshalb haben wir Strafanzeige erstattet, um eine offizielle Entscheidung zu erzwingen. Auch ungeachtet des Ausgangs eines Strafverfahrens finde ich es unerträglich, dass solche antisemitischen Parolen auf unserem Campus zu hören sind. Protest gegen das Vorgehen Israels ist berechtigt und soll auch auf unserem Campus möglich sein, aber die Meinungsfreiheit umfasst aus meiner Sicht nicht das Recht, andere rassistisch, antisemitisch oder sonst diskriminierend zu beleidigen. Deshalb werden wir auch künftig jede Äußerung zur Anzeige bringen, die aus unserer Sicht diese Tatbestände erfüllt. Andere niederzubrüllen, einzuschüchtern oder zu beleidigen sind ebenso wenig legitime Mittel des Protests wie psychische oder gar körperliche Gewalt oder Besetzungen als Versuch, anderen die eigene Meinung aufzuzwingen. Es gibt andernorts an Universitäten auch Beispiele, dass das gelingen kann, dass friedlicher Protest ohne antisemitische Ausfälle möglich ist. Die Erfahrungen mit bisherigen Aktionen auf dem Campus in Frankfurt lassen uns leider daran zweifeln.“

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