Frankfurter Wissenschaftler wollen Betroffene von Seltenen Erkrankungen befähigen, ihre Krankheiten und die Folgen selbst zu erforschen. Es handelt sich um ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördertes Citizen-Science-Projekt.
Eine Studie hilft Mukoviszidosepatienten sowie deren Angehörigen dabei, als Bürgerforscher wissenschaftliche Fragen zu lösen, die anders kaum zu bewältigen sind. Ziel der im Kern von Patienten durchgeführten Studie ist es, ein für die Betroffenen wichtiges und für die gemeinsame Erforschung geeignetes Thema zu identifizieren und zu bearbeiten. Dabei werden sie von Berufswissenschaftlern vom Universitätsklinikum Frankfurt, der Ostfalia Hochschule und dem Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) in Karlsruhe angeleitet. Die Tatsache, dass die Patienten immer auch Betroffene der Erkrankung sind, kann Auswirkungen auf den Forschungsprozess haben. Deshalb soll die Studie auch die Potenziale und Grenzen eines solchen Forschungsansatzes untersuchen. Innerhalb des Frankfurter Universitätsklinikums ist das Projekt in der Medizinischen Klinik I im Schwerpunkt Pneumologie und Allergologie angesiedelt, der von Prof. Gernot Rohde geleitet wird.
Besonderes Potenzial, um Forschungslücken zu füllen
In Deutschland leiden rund vier Millionen Menschen an einer Seltenen Erkrankung. Dazu zählt auch Mukoviszidose, eine genetisch bedingte Stoffwechselerkrankung, von der etwa 8.000 Menschen hierzulande betroffen sind. Wissenschaftliche Studien befassen sich nur selten mit den alltäglichen Lebensbedingungen von Patientinnen und Patienten sowie deren Angehörigen, unter anderem auch weil die notwendigen Informationen und Daten schwierig zu erfassen sind. „Dabei ist eine sorgfältige und unvoreingenommene, wissenschaftliche Analyse wichtig, um mögliche Verbesserungen im Alltag zu realisieren“, berichtet Projektpartner Prof. TOF Wagner vom Universitätsklinikum Frankfurt und ergänzt: „Das ist nur ein Beispiel, wo Bürgerforscher – wir sagen ja ‚Patientenforscher‘ – näher am Geschehen sind, und Daten zusammentragen und analysieren können, zu denen wir als Berufsforscher kaum einen Zugang finden.“
Das neue Projekt ist eines von insgesamt 13 vom BMBF geförderten Citizen-Science-Projekten und nimmt sich dieses Problems an, indem es erstmals von Mukoviszidose Betroffene und Angehörige umfassend in ein Forschungsprojekt mit einbezieht. Begleitet werden sie von Wissenschaftlern des Universitätsklinikums Frankfurt, der Ostfalia Hochschule und dem Fraunhofer ISI in Karlsruhe, welches das Projekt koordiniert. Gemeinsam wollen sie mögliche Lösungen zum alltäglichen Umgang mit der seltenen Krankheit erforschen. Unterstützt wird das innovative Vorhaben vom Bundesverband Selbsthilfe bei Mukoviszidose, dem Mukoviszidose e.V., der sein Spezialwissen über die Erkrankung und seine Kontakte einbringt. Dr. Nils Heyen, der das Projekt am Fraunhofer ISI leitet, beschreibt dessen Ziele wie folgt:
„Es geht vor allem darum, ein wesentliches Alltagsproblem von Mukoviszidosepatientinnen und -patienten zu identifizieren, zu erforschen und damit zu dessen Lösung beizutragen. Darüber hinaus sollen die Potenziale und Grenzen von ‚Patient Science‘ als einem neuen bürgerwissenschaftlichen Ansatz aufgezeigt und so das allgemeine Konzept von Citizen Science methodisch und hinsichtlich seines Einsatzspektrums weiterentwickelt werden.“
Die enge Zusammenarbeit zwischen Berufs- und Patientenwissenschaftlern gilt für alle Projektphasen, in der die gewählte wissenschaftliche Fragestellung bearbeitet, Daten erhoben und schließlich ausgewertet werden.
Patienten wirken auch bei Entwicklung des Forschungsdesigns mit
Bislang beschränkt sich in vielen Citizen-Science-Vorhaben die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern auf das Datensammeln, etwa beim Beobachten von Tieren oder Insekten. In diesem Vorhaben werden hingegen in einer ersten Projektphase Themen gesammelt und die eigentliche Fragestellung der Untersuchung ausgearbeitet, die zum Startpunkt bewusst offengelassen ist. Dies soll die aktive Mitwirkung der Patientenwissenschaftler gewährleisten und sicherstellen, dass wichtige Bedarfe und alltägliche Probleme der Mukoviszidose-Community berücksichtigt werden.
„Es ist wichtig, dass wir nicht nur zum Datensammeln gebraucht werden, sondern dass wir auch tatsächlich selbst das Forschungsthema bestimmen und behandeln“, betont Lukas Garmsen, der als Patient am Projekt beteiligt ist. Er ergänzt: „Ab der ersten Stunde bin ich dabei, und wenn wir das wollen, dann müssen wir uns eben die Methoden von den Profis beibringen lassen.“