Seit dem Ende der Sowjetunion haben sich im Kaukasus zahlreiche neue, eher informelle Handelswege herausgebildet: Günstige Ware wird in China oder in der Türkei persönlich geordert und in Georgien oder Armenien auf Märkten verkauft. Dazu forscht an der Goethe-Universität seit 2016 die Ethnologin PD Dr. Susanne Fehlings. Was macht Corona mit diesem Geschäftsmodell, das vielen Menschen das Überleben sichert? Dazu startet jetzt ein Zusatzmodul, das wie das gesamte Projekt von der VolkswagenStiftung finanziert wird.
Ökonomie im kleinen Maßstab – dafür interessiert sich die Ethnologin PD Dr. Susanne Fehlings vom Frobenius-Institut. Sie ist Initiatorin und Sprecherin des internationalen Forschungsprojekts „Informal Markets and Trade in Central Asia and the Caucasus“, das seit 2016 lokale Basare und die Handelsgepflogenheiten von reisenden Kleinhändlern z.B. zwischen Kaukasus und China unter die Lupe nimmt. Im Februar startet das Zusatzmodul „The Immediate Consequences and Projected Long-Term Impact of the Corona Crisis on Informal Markets and Trade in Eurasia“. Dafür hat die VolkswagenStiftung für 18 Monate 120.000 Euro bewilligt.
Während zur Zeit der Sowjetunion die staatliche Planwirtschaft Unternehmertum grundsätzlich unterdrückte, boomten nach deren Ende Märkte, die weder erfasst noch reguliert werden und sich insofern auch statistischen Untersuchungen entziehen. Wie diese Märkte funktionieren, wie sich Händler verhalten und wie persönliche Beziehungen zum Tragen kommen, damit befasste sich Fehlings auch in ihrer Habilitationsschrift, die im Rahmen des Projekts entstanden ist. 2020 hat die Stiftung eine Anschlussförderung zur Erforschung der sich verändernden Rolle Chinas bewilligt.
In diesem halblegalen, vom Staat misstrauisch beäugten Segment sei es nicht leicht, Menschen für eine ethnologische Forschung zu gewinnen, sagt Fehlings. Dennoch konnte sie über drei Jahre hinweg eine umfangreiche Fallstudie erstellen. Sie begleitete eine Händlergruppe in Georgien über mehrere Jahre, flog mit ihnen für drei Wochen nach China, wo es um Schuhe und Kleidung ging. „Für mich waren nicht nur die Abläufe des Handels selbst interessant, sondern vor allem auch das Drumherum“, sagt sie. Gerade Zwischenmenschliches spiele eine große Rolle. Virtuelle Kommunikation werde zwar genutzt, besonders in der Coronazeit. „Den physischen Kontakt ersetzt es aber nicht. Nicht nur, wenn es darum geht, die Ware auszusuchen; auch Geschenke kann man nur in Präsenz überreichen“, so Fehlings. Wie sich die Bedingungen für die Händler in der Pandemiezeit geändert hat und wie sie damit umgehen, darüber soll das neue Modul Aufschluss geben, dass offiziell am 1. Februar startet.