Wie hat sich die NS-Herrschaft und -Ideologie in der Frankfurter Kommunalpolitik und Verwaltung durchgesetzt? Mit welchen Stellschrauben wurde die Wirtschaft in der Mainmetropole verändert und angepasst? Und wie wurden Kultur, Bildung und Wissenschaft „gleichgeschaltet“? Fragen wie diesen widmet sich der neue Band „Frankfurt am Main und der Nationalsozialismus“, den Prof. Christoph Cornelißen und Prof. Sibylle Steinbacher gemeinsam herausgegeben haben.
„Als US-amerikanische Truppen am 26. März 1945 die Stadtgrenze von Frankfurt am Main überschritten, brach die nationalsozialistische Herrschaft in der größten Stadt Hessens endgültig zusammen.“ So beginnt der Beitrag von Christoph Cornelißen, Professor für Neueste Geschichte an der Goethe-Universität, über Frankfurts Auseinandersetzung mit der NS-Zeit, gerade druckfrisch erschienen im Sammelband „Frankfurt am Main und der Nationalsozialismus“. Was geschah, bevor Gauleiter Jakob Sprenger und Oberbürgermeister Friedrich Krebs sowie zahlreiche Gestapoleute und Funktionsträger der Stadt das Weite suchten, wie es zu alledem kam, das beleuchten die verschiedenen Beiträge im neuen historischen Sammelband.
„Frankfurt am Main und der Nationalsozialismus. Herrschaft und Repression – Wirtschaft und Gesellschaft – Kultur und Gedächtnis“ – so lautet der vollständige Titel des Buches – setzt sich 75 Jahre nach Kriegsende mit der NS-Vergangenheit der Stadt am Main auseinander. Im Zentrum stehen Durchbruch, Umsetzung und Wahrnehmung nationalsozialistischer Politik in Frankfurt am Main zwischen 1933 und 1945. Herausgegeben haben den historischen Sammelband Prof. Christoph Cornelißen und seine Kollegin Sibylle Steinbacher, Direktorin des Fritz-Bauer-Instituts.
Bislang gab es keine neuere Darstellung über die Geschichte Frankfurts zwischen 1933 und 1945. Hier setzt der Band an, der die Durchsetzung der NS-Herrschaft auf verschiedenen Feldern der kommunalen Politik und Verwaltung ebenso in den Blick nimmt wie den Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft – wobei es auch um Themen wie Stadtplanung, kulturelle Entwicklungen und die nationalsozialistische Imagepolitik geht. Zum anderen wird nachgezeichnet, wie die Gewalt gegen diejenigen Gruppen ins Rollen gebracht wurde, die seit 1933 als „Gemeinschaftsfremde“ unterdrückt und bekämpft worden waren. Auch in Frankfurt richtete sich die rassistisch motivierte Ausgrenzung und Verfolgung zuvorderst gegen Jüdinnen und Juden; annähernd 13.000 Frauen, Männer, Jugendliche und Kinder wurden in den Jahren 1933 bis 1945 in der Shoah ermordet oder in den Tod getrieben. Ein ähnliches Schicksal erfuhren Sinti und Roma, Homosexuelle und andere Gruppen, die oft eine Existenz am Rande der Gesellschaft fristen mussten. Wie stark die Propaganda des NS-Regimes wirkte, zeigt sich an der unverbrüchlichen Treue breiter Bevölkerungskreise selbst dann noch, als Frankfurts Innenstadt im Bombenkrieg in Schutt und Asche versank.
Neben einem Vorwort der Herausgeber sind Beiträge enthalten von Bettina Tüffers (Die Frankfurter NSDAP vor dem Krieg), Tobias Freimüller („Gemeinschaftsfremd“), Heike Drummer („Stadt ohne Juden“), Markus Roth (Widerstand), Ralf Banken (Aufrüstung, „Arisierung“ und Zerstörung, Nicole Kramer (Fürsorgerische Ordnung), Michael Fleiter (Die Stadt im Bombenkrieg), Fabian Link (Im Einsatz für die Weltanschauung), C. Julius Reinsberg (Das Ende der Moderne?) und Christoph Cornelißen („Eine Stadt auf der Suche nach Erinnerung“).
Der Band ist zugleich als Band 10 in der Reihe Studien zur Geschichte und Wirkung des Holocaust im Auftrag des Fritz Bauer Instituts und als Veröffentlichung der Frankfurter Historischen Kommission XXVII, Geschichte der Stadt Frankfurt, Band 5, im Auftrag der Frankfurter Historischen Kommission im Wallstein Verlag erschienen.
Publikation: Frankfurt am Main und der Nationalsozialismus. HERRSCHAFT UND REPRESSION – WIRTSCHAFT UND GESELLSCHAFT – KULTUR UND GEDÄCHTNIS. Herausgegeben von Christoph Cornelißen und Sybille Steinbacher. 500 Seiten, 55 zum Teil farbige Abbildungen. ISBN 978-3-8353-5587-3, 38 Euro