Futtersuche: bei Mensch und Wurm ähnlich reguliert?

Nervenschaltkreis, der das Futtersuchverhalten des Fadenwurms C. elegans steuert. Bildrechte: A. Bergs, A. Gottschalk.

Wie motiviert uns unser Nervensystem, vom Sofa aufzustehen und im Kühlschrank oder sogar im Supermarkt nach Essen zu suchen? Das hat ein Forscherteam um Alexander Gottschalk von der Goethe-Universität am Beispiel des Fadenwurms Caenorhabditis elegans untersucht. Die Ergebnisse weisen darauf hin, wie sich das Verhalten bei der Futtersuche im Laufe der Evolution bei höheren Tieren entwickelt haben könnte.

Nahrung zu finden und an einer Nahrungsquelle zu verweilen, sind entscheidende Überlebensstrategien im Tierreich. Aber wie werden externe Futter-Signale auf molekularer, zellulärer und neuronaler Ebene in Verhalten verwandelt? Um das herauszufinden, greifen Neurowissenschaftler gern auf einfache Modellorganismen wie den Fadenwurm C. elegans zurück. Er besitzt nur 302 Nervenzellen, deren Verknüpfungen präzise kartiert sind. So können Forscher im Detail untersuchen, wie diese Nervenzellen miteinander kommunizieren, um bestimmte Verhaltensweisen zu erreichen.

Alexander Gottschalk und sein Team konzentrierten sich in ihrer Studie auf einen neuronalen Schaltkreis, an dessen „Spitze“ sich ein Paar sensorischer Nervenzellen befindet. Ist Nahrung vorhanden, setzt es den Botenstoff Dopamin frei. Das wirkt sich auf zwei Arten von nachgeschalteten Neuronen aus (DVA und AVK) – und zwar auf ganz unterschiedliche Weise, wie das Forscherteam entdeckte. Dopamin aktiviert DVA, was ein Verweilen und ein lokales Suchverhalten fördert, während es AVK inhibiert, das sonst eine Futtersuche über längere Distanzen fördern würde. Konkret geschieht dies, indem DVA und AVK die Information an Motoneuronen weitervermitteln, die wiederum die Muskelaktivität steuern.

Doch welche Schlüsse lässt dies auf die Nahrungssuche bei höheren Tieren wie dem Menschen zu? Beim Fadenwurm beeinflusst das DVA-Neuron die Fortbewegung, indem es das Neuropeptid NLP-12 an die Motoneuronen weiterleitet. Säugetiere haben ein äquivalentes Neuropeptid, das Cholecystokinin. Seine Freisetzung wird ebenfalls durch Dopamin-Signale reguliert, beispielsweise bei belohnungsabhängigem Verhalten. Dies zeigt, dass im Laufe der Evolution die Bedeutung von Dopamin und Cholecystokinin/NLP-12 als Neuromodulatoren erhalten blieb. Beide Neurotransmitter beeinflussen motiviertes Verhalten bei der Nahrungssuche sowie bei anderen Aktivitäten, die eine Belohnung versprechen.

Das Neuron AVK, das als Gegenspieler zum DVA-Neuron wirkt, setzt bei erfolgloser Nahrungssuche im Wurm das Neuropeptid FLP-1 frei. Es ist ein Gegenspieler zu NLP-12/Cholecystokininin. Obwohl FLP-1 wahrscheinlich auf wirbellose Tiere beschränkt ist, finden sich ähnliche Neuropeptide bei Säugetieren, wo sie ebenfalls die Nahrungsaufnahme kontrollieren.

Womöglich werden die Cholecystokinin-Signale bei Säugetieren also ähnlich ausbalanciert wie beim Fadenwurm. Die in der Studie identifizierten Neuronentypen können daher wichtige Hinweise für die Suche nach ähnlichen Zelltypen in den Myriaden von Zellen bei Säugetieren liefern, die ähnliche Mechanismen der Bewegungskontrolle vermitteln.

Publikation / Oranth et al.: Alexander Gottschalk et al.: Food sensation modulates locomotion by dopamine and neuropeptide signaling in a distributed neuronal network, in: Neuron 100, 1–15; December 19, 2018. https://doi.org/10.1016/j.neuron.2018.10.024)

Quelle: Pressemitteilung vom 2. November 2018

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