Aus dem berühmten Blue Hole im Karibischen Meer barg das Team des französischen Meeresforschers Jacques Cousteau 1970 einen ungewöhnlichen Stalaktiten. Was er über das Klima seit der letzten Eiszeit verrät, erklärt der Geowissenschaftler Eberhard Gischler von der Goethe Universität in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Journal of Sedimentary Research“.
Sichtbare Spuren von Lebewesen hatten die Taucher von Jacques Cousteau seinerzeit nicht in dem Geheimnis umwobenen blauen Loch gefunden. Dafür aber zahlreiche Stalaktiten, wie sie aus Karsthöhlen bekannt sind. Sie entstehen durch die Lösung von Kalkgestein. Heute ist das 125 Meter tiefe Blue Hole vor der Küste von Belize vom Meer überflutet.
Der Frankfurter Geowissenschaftler Eberhard Gischler forscht seit mehr 25 Jahren in Belize. Er bekam die außergewöhnliche Probe vor zwei Jahren von Prof. Robert Ginsburg von der University of Miami, bei dem er in den 1990er Jahren als Postdoktorand tätig war. Robert Ginsburg hatte den Stalaktiten wiederum direkt nach dem Fund von Jacques Cousteau erhalten. Damals ließ er die Probe aufsägen und begann, sie zusammen mit dem Meeresgeologen Bob Dill zu untersuchen. Es blieb aber nur bei vorläufigen Untersuchungen. Hinzu kam, dass die größten Stücke des Stalaktiten bei einem Umzug des Ginsburg-Labors verloren gingen.
Die jetzt untersuchte Scheibe ist die letzte Probe des Cousteau-Stalaktiten. Nach nun fast fünfzig Jahren, als der Blue Hole-Stalaktit in Vergessenheit zu geraten drohte, hat Gischler zusammen mit Physikern der Goethe-Universität, Kollegen der Universitäten Mainz, Hamburg und El Paso (USA) sowie dem GEOMAR in Kiel ihr Geheimnis gelüftet.
Anders als bei den meisten Stalaktiten bestehen bei dem Blue Hole-Stalaktiten die äußeren Schichten aus marinen Ablagerungen. Seine konzentrischen Lagen erlauben eine detaillierte Klima-Rekonstruktion für das späte Pleistozän und das Holozän (die Zeit vor ca. 20.000 Jahren bis heute). So deutet zum Beispiel der unter Süßwasser-Einfluss gebildete Kern auf überraschend trockene Bedingungen während des Maximums der letzten Eiszeit und der Zeit danach hin (ca. 20.000 bis 12.000 Jahre vor der heutigen Zeit). Die marinen Lagen bildeten sich, als die Karsthöhle und der Stalaktit nach der Eiszeit vom ansteigenden Meerespiegel überflutet wurden, seit etwa 11.000 Jahren.
„Erschwert wird die detaillierte Klima-Rekonstruktion allerdings durch den Umstand, dass sowohl die am Festland als auch die im Meerwasser gebildeten Stalaktit-Lagen unter dem Einfluss mikrobieller Aktivität entstanden sind“, erklärt Eberhard Gischler. Die Studie entschlüsselt nun die Arten mikrobieller Aktivität, die während der Bildung des Stalaktiten die Kalkabscheidung beeinflusst haben. Sie liefert so die Grundlage, um das Potential von Stalaktiten mit komplexer Bildungsgeschichte für die Rekonstruktion von Paläo-Umweltbedingungen zukünftig besser ausschöpfen zu können.
Gischler arbeitet derzeit zusammen mit dem Doktoranden Dominik Schmitt weiter an anderen Ablagerungen aus dem Blue Hole. Es handelt sich um bis zu 9 m lange Sediment-Bohrkerne, die im August vom Boden des Blue Hole entnommen wurden. Das schlammige Boden-Sediment des Blue Hole weist eine feine Jahresschichtung auf und soll als hochauflösendes Klima- und Sturmarchiv genutzt werden.
Zu sehen ist eine Scheibe des bemerkenswerten Cousteau-Stalaktiten, der ursprünglich eine Länge von 2,84 Metern und ein Gewicht von gut einer Tonne aufwies, inzwischen am Institut für Geowissenschaften der Goethe-Universität.
Film über die Bergung des Stalaktiten aus dem Blue Hole durch Jacques Cousteau
Quelle: Pressemitteilung vom 13. Dezember 2017