Kann man interstellare Raumsonden auch wieder abbremsen?

Prof. Claudius Gros, Institut für Theoretische Physik

Mit einer miniaturisierten Raumsonde, die man auf bis zu ein Viertel der Lichtgeschwindigkeit beschleunigen könnte, wäre unser nächster Stern, Alpha Centauri, in 20 bis 50 Jahren erreichbar. Ohne einen Mechanismus zum Abbremsen kann die Raumsonde allerdings nur im Vorbeiflug vom Stern und seinen Planeten Daten sammeln. Ein theoretischer Physiker der Goethe-Universität hat jetzt untersucht, ob sich interstellare Raumsonden mit Hilfe von „magnetischen Segeln“ abbremsen ließen.

Lange war die Vorstellung, unbemannte Raumsonden durch die Weiten des interstellaren Raumes zu fremden Sternen zu schicken, reine Utopie. Seit Neuestem wird jedoch u.a. im Rahmen der „Breakthrough Starshot Initiative“ an Konzepten gearbeitet, miniaturisierte Raumsonden mittels starker Laser zu beschleunigen. Noch schwieriger wäre es, interstellare Raumsonden darüber hinaus auch wieder abzubremsen, da man sie aus Gewichtsgründen nicht mit Bremsaggregaten ausstatten kann. Nach Prof. Claudius Gros vom Institut für Theoretische Physik der Goethe-Universität Frankfurt wäre es dagegen möglich, zumindest vergleichsweise langsame Raumsonden mit Hilfe magnetischer Segel wieder abzubremsen.

„Langsam würde in diesem Fall eine Reisegeschwindigkeit von 1000 Kilometern pro Sekunde bedeuten, was zwar nur 0.3 Prozent der Lichtgeschwindigkeit ist, dafür aber etwa fünfzigmal schneller als die Voyager-Raumsonden“, erläutert Claudius Gros. Um die Bewegungsenergie der Raumsonde auf das interstellare Gas zu übertragen, ist nach den Berechnungen von Gros ein magnetisches Segel notwendig, das aus einer großen supraleitenden Schlaufe mit einem Durchmesser von gut 50 Kilometern besteht. In dieser Schlaufe wird verlustfrei ein Strom induziert, der seinerseits ein starkes Magnetfeld erzeugt. Der ionisierte Wasserstoff des interstellaren Mediums wird in der Folge vom Magnetfeld der Sonde reflektiert, wodurch diese nach und nach abgebremst wird. Das funktioniert, wie Gros zeigen konnte, trotz der extrem niedrigen Teilchendichte des interstellaren Raums (0,005 bis 0,1 Teilchen pro Kubikzentimeter).

Die Arbeiten von Gros zeigen auf, dass Magnetsegel ‚langsame‘ Raumsonden mit einer Masse von bis zu 1500 Kilogramm abbremsen können. Für die Reise wären allerdings historische Zeiträume notwendig. Die sieben bekannten Planeten des Trappist-1 Systems könnten so in etwa 12000 Jahren erreicht werden. Interessant ist auf der anderen Seite, dass für den Start der gleiche Laser geeignet wäre, mit dem sich nach bisherigen Planungen auch wenige Gramm schwere Raumsonden fast auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigen und nach Alpha-Centauri schicken ließen.

Missionen zu fremden Sternen, die Jahrtausende benötigen, kommen nicht für wissenschaftliche Erkundungsmissionen infrage. Anders sieht es dagegen aus, wenn die Reisedauer keine Rolle spielt. Ein Beispiel hierfür sind Missionen, die dem irdischen Leben alternative Entwicklungsmöglichkeiten eröffnen. Solche Missionen, wie sie 2016 von Gros unter dem Namen ‚Genesis Projekt‘ vorgeschlagen wurden, würden einzelliges Leben mit sich führen, entweder als tiefgekühlte Sporen oder kodiert in einem miniaturisierten Gen-Labor. Für eine Genesis Sonde ist nicht der Zeitpunkt der Ankunft wichtig, sondern die Möglichkeit abzubremsen und schlussendlich in eine Umlaufbahn um den Zielplaneten einzuschwenken.

Publikationen:

  • Claudius Gros: Universal scaling relation for magnetic sails: momentum braking in the limit of dilute interstellar media, Journal of Physics Communications 1, 045007 (2017) | http://iopscience.iop.org/article/10.1088/2399-6528/aa927e
  • Claudius Gros: Developing Ecospheres on Transiently Habitable Planets: The Genesis Project, in: Astrophysics and Space Science 361, 324 (2016) | http://link.springer.com/article/10.1007/s10509-016-2911-0

Informationen: Prof. Claudius Gros, Institut für Theoretische Physik, Fachbereich 13, Campus Riedberg, Tel.: (069)-798 47818, gros07[@]itp.uni-frankfurt.de.

Scobel 3sat Scobel Interview vom 19.10.2017 | Lässt sich neues Leben auf Exoplaneten bringen?

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