Unter den einflussreichsten Forschenden der Welt finden sich etliche an der Goethe- Universität. Diese Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden laut Analyse der »Web of Science Group« besonders häufig in Fachveröffentlichungen zitiert – ein wichtiger Beleg für die Bedeutung ihrer Forschung. Stefan Knapp ist einer von ihnen. Der Professor für Pharmazeutische Chemie entwickelt kleine Moleküle, die eine ungehemmte Vermehrung von Krebszellen stoppen. Ein Porträt.
Nach 20 Uhr noch am Schreibtisch sitzen oder über Forschungsergebnisse diskutieren, das ist der Normalfall für Stefan Knapp: »Ich habe nie das Gefühl, ich würde arbeiten«, erzählt der freundliche Mann. Forschen ist für den Strukturbiologen Lebensinhalt und Lebensform, wenn auch nicht streng im Max Weber’schen Sinne: ausgedehnte Arbeitszeiten ja, expliziter Fokus auf Grundlagenforschung nein. »Ich forsche an humanen Systemen, die einen Anwendungsaspekt haben.« Der gesellschaftliche Nutzen von Wissenschaft ist Stefan Knapp persönlich wichtig. »Mich interessieren bei meinen Arbeiten eben so die ethischen, politischen und gesellschaftlichen Aspekte. Das kann man nicht außer Acht lassen.« Vor allem nicht als Krebsforscher.
Neue Waffen gegen Krebs
Stefan Knapp ist von Haus aus Chemiker und entwickelt Wirkstoffe gegen Proteine, die in Krebszellen außer Kontrolle geraten sind. Mit seiner Forschergruppe baut der Professor für Pharmazeutische Chemie kleine Moleküle, die epigenetische Mechanismen hemmen und so in das unkontrollierte Wachstum von Krebszellen eingreifen. Er will dadurch ganz gezielt entartete Zellen bekämpfen: personalisierte Medizin. »Ich kreiere Ideen für neue Therapien«, sagt Knapp. Damit aus seinen Ideen auch Medikamente entstehen, arbeitet der Wissenschaftler mit Industrielaboratorien zusammen, die diese Ideen aufgreifen.
»Die Entwicklung von Arzneimitteln vom Labor bis zur klinischen Zulassung dauert immer noch zehn bis fünfzehn Jahre. Ich bin aber überzeugt, dass wir diese Zeit erheblich verkürzen können, wenn Forschergruppen und Industrie besser und effektiver zusammenarbeiten.« Knapps Forschergruppe publiziert deshalb ihre Ergebnisse möglichst unmittelbar. Das spart Kosten und Zeit auf beiden Seiten. »Neue Inhibitoren veröffentlichen wir sofort nach ausführlicher Validierung. Das verhindert Dopplungen, wenn andere unnötigerweise dasselbe erforschen.« Es verhindere allerdings auch eine Patentierung, was ja eine lange Geheimhaltung der Daten voraussetze, grinst Knapp. »Mit diesem ›open science‹ Ansatz versuchen wir jedoch, neue Wege in der angewandten Forschung und auch in der späteren Kommerzialisierung zu gehen, der eine Geheimhaltung nicht notwendig macht.«
Erfolgreiche Forschung arbeitet international
Geschadet hat sie ihm indes nicht. 2018 wurde Stefan Knapp als neues Mitglied in die europäische Wissenschaftsorganisation für Molekularbiologie, EMBO, gewählt. Er zählt seither zum Kreis der besten 1.800 Forscher in Europa und der Welt: »Mit dieser Gruppe herausragender Wissenschaftler zusammenzuarbeiten bedeutet, neue Ideen austauschen und die Forschung auf höchstem Niveau vorantreiben zu können«, freut sich Knapp, denn er könne immer nur so gut sein wie sein Netzwerk. »Für erfolgreiche Wissenschaft braucht es internationale Kollaborationen. Niemand kann heute mehr für sich allein forschen.« Knapps Erfolgsrezept: Kommunikation und Transparenz. Das schaffe Vertrauen. »Und ich schreibe gute Anträge«, ergänzt Stefan Knapp. Wichtig sei nicht nur wissenschaftliche Expertise, man müsse auch schreiben können. Mit seinem Kommunikations- und Managementtalent warb Knapp mit seinen Kollegen im Mai 2020 für den neuen internationalen Forschungsverbund EUbOPEN 65,8 Millionen Euro von der europäischen Innovative Medicines Initiative (IMI) ein (https://www.eubopen.org/). Damit finanziert das Konsortium vielfältige internationale Forschungsprojekte, die ihre wissenschaftlichen Daten ebenfalls zeitnah publizieren und veröffentlichte Reagenzien uneingeschränkt zur Verfügung stellen. Es ist das erste Mal, dass von Frankfurt aus ein solch großes internationales Verbundforschungsprojekt gesteuert wird.
Dieser Artikel ist in der Ausgabe 46 des Alumni-Magazins »Einblick« erschienen.