Bisher wurden verschiedene Ausprägungen von Intelligenz vor allem mit Unterschieden in einzelnen Hirnregionen erklärt. Sind die Gehirne von intelligenteren Personen jedoch auch anders verschaltet als die Gehirne von weniger intelligenten Personen? Eine aktuelle Studie von Wissenschaftlern der Goethe-Universität bestätigt diese Vermutung. Bestimmte Gehirnregionen sind bei intelligenteren Personen stärker, andere Regionen hingegen schwächer in den Informationsfluss zwischen und innerhalb von Gehirnmodulen eingebunden.
Die Grundlagen des menschlichen Denkens faszinieren Wissenschaftler und Laien seit jeher. Unterschiede in kognitiven Leistungen – und daraus resultierende Differenzen etwa bei Schulerfolg und Karriere – werden vor allem auf individuell unterschiedlich ausgeprägte Intelligenz zurückgeführt. Dass damit auch Unterschiede in der Vernetzung funktioneller Module im neuronalen Netzwerk des Gehirns einhergehen, zeigt eine Studie, die gerade in der Fachzeitschrift „Scientific Reports“ veröffentlicht worden ist. Kirsten Hilger, Christian Fiebach und Ulrike Basten vom Institut für Psychologie der Goethe-Universität Frankfurt nutzten MRT-Hirnscans von mehr als 300 Personen und moderne Verfahren der graphentheoretischen Netzwerkanalyse, um die neurobiologischen Grundlagen menschlicher Intelligenz zu untersuchen.
Schon 2015 hat die Forschergruppe eine Meta-Studie in der Fachzeitschrift „Intelligence“ veröffentlicht, worin sie Hirnregionen identifizierte – darunter den Präfrontalcortex – , in denen Aktivierungsveränderungen während kognitiver Herausforderungen einen zuverlässigen Zusammenhang mit Intelligenz zeigten. Wie diese „Intelligenz-Regionen“ des Gehirns jedoch untereinander vernetzt sind, darüber gab es in der Forschung bis vor wenigen Jahren kaum Einsichten.
Anfang 2017 dann berichtete das Forscherteam der Goethe-Universität, dass bei intelligenteren Personen zwei Hirnregionen, die mit der Verarbeitung aufgabenrelevanter Informationen in Verbindung gebracht werden (vorderer insulärer und cingulärer Cortex), über kürzere und somit effizientere Verbindungen mit dem Rest des Hirnnetzwerks verbunden sind (2017, „Intelligence“). Eine andere Region, die mit dem Ausblenden irrelevanter Informationen in Verbindung gebracht wird (die Übergangsregion zwischen Temporal- und Parietalcortex), ist hingegen weniger stark mit dem Rest des Netzwerks verbunden. „Die unterschiedlich starke Einbettung dieser Regionen ins Gesamtnetzwerk des Gehirns könnte es intelligenteren Personen erleichtern, zwischen wichtigen und unwichtigen Informationen zu unterscheiden – was bei vielen kognitiven Herausforderungen einen Vorteil darstellen würde“, spekuliert Studienleiterin Ulrike Basten.
In ihrer aktuellen Studie nun berücksichtigten die Wissenschaftler, dass das menschliche Gehirn modular organisiert ist. „Das ist ähnlich wie bei einem sozialen Netzwerk, das sich aus Subnetzwerken (Familien, Cliquen, Freundeskreise) zusammensetzt, in denen die Personen untereinander stärker verbunden sind als zu Personen anderer Subnetzwerke. So ist auch unser Gehirn organisiert. Im Gehirn gibt es Subnetzwerke von Hirnregionen – oder eben Module –, die untereinander eng vernetzt sind, während sie zum Rest des Netzwerks nur schwache Verbindungen haben. In unserer Studie haben wir uns intelligenzabhängige Unterschiede in der Rolle einzelner Hirnregionen für die Kommunikation zwischen und innerhalb von Subnetzwerken angesehen: Unterstützt eine Region eher den Informationsfluss innerhalb der eigenen ‚Clique’ oder ermöglicht sie durch Verbindungen zu anderen Subnetzwerken den Informationsaustausch mit anderen ‚Cliquen’, und wie hängt dies mit Intelligenz zusammen?“
Die Studie zeigt: Bei intelligenteren Personen sind bestimmte Gehirnregionen deutlich stärker am Austausch von Informationen zwischen Subnetzwerken beteiligt, so dass bedeutsame Informationen schneller und effizienter kommuniziert werden können. Auf der anderen Seite konnten die Forscher auch Regionen identifizieren, welche bei intelligenteren Personen stärker vom restlichen Netzwerk abgekoppelt sind, wodurch Gedanken möglicherweise besser gegen störende Einflüsse abgeschirmt sind. „Wir gehen davon aus, dass Netzwerkmerkmale, die wir bei intelligenteren Personen in stärkerer Ausprägung gefunden haben, es den Menschen erleichtern, sich gedanklich auf etwas zu konzentrieren und dabei irrelevante, möglicherweise störende Reize auszublenden“, sagt Basten. Dabei bleibt zunächst offen, wie die Zusammenhänge, die die Autoren in ihren Studien finden, zustande kommen. Ulrike Basten: „Es ist möglich, dass manche Menschen aufgrund einer biologischen Veranlagung Hirnnetzwerke ausbilden, die intelligente Leistungen wahrscheinlicher machen. Genauso gut kann sich aber umgekehrt der häufigere Gebrauch des Gehirns für intelligentere Leistungen positiv auf die Ausformung der Netzwerke im Gehirn auswirken. Bei allem, was wir über den Einfluss von Anlage und Umwelt auf die Intelligenz wissen, erscheint ein Wechselspiel beider Prozesse am wahrscheinlichsten.“
[dt_call_to_action content_size=“small“ background=“fancy“ line=“true“ style=“1″ animation=“fadeIn“]
Publikation: Hilger, K., Ekman, M., Fiebach, C., & Basten, U. (2017). Intelligence is associated with the modular structure of intrinsic brain networks. Scientific Reports. (DOI:10.1038/s41598-017-15795-7)
Weitere Referenzen:
- Basten, U., Hilger, K., & Fiebach, C. J. (2015). Where smart brains are different: A quantitative meta-analysis of functional and structural brain imaging studies on intelligence. Intelligence, 51, 10-27.
- Hilger, K., Ekman, M., Fiebach, C., & Basten, U. (2017). Efficient hubs in the intelligent brain: Nodal efficiency of hub regions in the salience network is associated with general intelligence. Intelligence, 60, 10-25.
Informationen: Dr. Ulrike Basten, Institut für Psychologie, Fachbereich 05, Theodor-W.-Adorno-Platz 6 (Campus Westend), 60323 Frankfurt, basten@psych.uni-frankfurt.de, Telefon 0176 23973329; vgl. Arbeitsgruppe für Neurokognitive Psychologie, http://fiebachlab.org
[/dt_call_to_action]