Die Investitionen von Haushalten in risikoreiche Anlageformen, insbesondere direkte und indirekte Investitionen in Aktien, sind zwischen den späten 1980er Jahren und 2001 in den USA stark angestiegen. Es wird häufig angenommen, dass eine Ausdehnung der Aktionärsbasis den Aufbau von Vermögen begünstigt und die Ungleichheit der Vermögensverteilung verringert, da der Zugang zu Aktiengewinnen vergrößert wird.
Allerdings weisen einige Wissenschaftler auch auf gegenläufige Faktoren hin, die das Wohlstandsgefälle vergrößern. So verstärke sich etwa durch einen Aktienboom die Ungleichheit zwischen Aktienbesitzern und Haushalten, die keine Aktien besitzen. Außerdem seien Aktien komplizierte und aufwendig zu handhabende Finanzinstrumente, die eine Herausforderung für Neueinsteiger mit geringem Finanzwissen darstellten und deren Wohlstand gefährden könnten. Somit ist letztlich unklar, ob eine stärkere Beteiligung am Aktienmarkt die Ungleichheit der Vermögensverteilung reduziert oder erhöht.
In einer aktuellen Publikation* haben Michael Haliassos, Professor für Makroökonomie und Finanzen an der Goethe-Universität, und seine Ko-Autoren Yannis Bilias (Universität Athen AUEB) und Dimitris Georgarakos (Deutsche Bundesbank) drei große Umfragen zum Thema Finanzen unter U.S.-Bürgern im Zeitraum von 1989 bis 2001 untersucht, der von großen Veränderungen der Beteiligung von amerikanischen Haushalten am Aktienmarkt und der Aktienrenditen geprägt war.
Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass die Veränderung der Aktienrenditen den Effekt der vergrößerten Aktionärsbasis mit Blick auf die Gesamtentwicklung der Vermögensungleichverteilung dominiert. Insbesondere finden sie keine Belege dafür, dass ein breiterer Zugang zum Aktienmarkt in diesem Zeitraum die Ungleichheit in der Verteilung des Aktienvermögens oder des Nettovermögens der US-Haushalte reduziert hat.
Sie können zudem zeigen, dass insbesondere kleinere Investoren im Zuge des Aktienmarktbooms Ende der 1990er Jahre als neue Teilnehmer in den Aktienmarkt eingestiegen sind, während vor allem größere Investoren nach dem Platzen der Dot-Com-Blase im Jahr 2000 am Markt blieben.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Veränderung in der Zusammensetzung des Aktionärspools signifikant auf veränderte Einstellungen der Investoren gegenüber Finanzthemen zurückzuführen ist sowie auf Gewohnheiten, die auf das Finanzwissen der Investoren zurückzuführen sind. Im Einklang mit diesem Ergebnis gibt es Hinweise auf unterschiedliche finanzielle Geschicklichkeit sowie die Tendenz mancher demografischer Gruppen, Aktienanlagen schlecht zu verwalten.
Indem sie die Bedeutung von Haushaltscharakteristika sowie von Einstellung und Gewohnheiten mit Blick auf Finanzthemen für die Entwicklung der Ungleichverteilung des Netto-Vermögens hervorhebt, trägt die Studie zur Debatte um die Bedeutung finanzieller Bildung, guter Finanzberatung und gut konzipierter Misserfolgsoptionen bei.
* Bilias, Y., Georgarakos, D., Haliassos, M. (2015): “Has Greater Stock Market Participation Increased Wealth Inequality in the US?”, forthcoming in the Review of Income and Wealth.