Über eine Millionen Flüchtlinge haben Deutschland seit 2013 erreicht und sind geblieben. Viele dieser Menschen warten monatelang darauf, einen Antrag auf Asyl stellen zu können. „Das ist beschämend für Deutschland“, sagte Frank-Jürgen Weise, Leiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), der am Dienstagabend zu Gast an der Goethe-Universität war und im gut gefüllten Audimax zum Thema „Flüchtlingsmanagement, Integration und Arbeitsmarkt“ referierte.
„Wir wünschen uns nicht, dass Menschen fliehen müssen, um ihr Leben zu retten, die Situation ist aber nun mal so“, beschrieb Weise die Lage sehr sachlich. Umso wichtiger sei es, die Aufnahmeverfahren in Deutschland gut zu organisieren. Doch die langen Abstimmungsprozesse und geringe Transparenz mit den Bundes- und Landesbehörden erschweren die Situation. Um künftig die Asylverfahren zu beschleunigen, habe das BAMF ein neues Konzept entwickelt, das viele Bearbeitungsschritte bündelt. Weise spricht ganz offen und räumt auch Fehler ein: Das Programm komme „offen gesagt ein Jahr zu spät.“
Über eine Million Entscheidungsfälle kämen dieses Jahr auf das Amt zu, sagte Weise. Davon seien 370.000 Anträge bereits eingegangen, aber noch nicht bearbeitet, bis zu 400.000 Flüchtlinge hätten bisher keinen Asylantrag gestellt, sollen aber dazu aufgerufen werden und 500.000 neue kämen noch hinzu. Gelingen solle die beschleunigte und reibungslosere Bearbeitung dieser Asylverfahren mithilfe der in den letzten Monaten neu entstandenen Ankunftszentren als erste Anlaufstelle für ankommende Asylsuchende, wie Weise weiter erklärte. Jeweils eines pro Bundesland werde es geben.
Neun Zentren seien bereits eröffnet. Asylanträge können dort direkt gestellt, innerhalb weniger Tage bearbeitet und entschieden werden. Zudem erfolge eine umfassende Registrierung der persönlichen Daten mit Lichtbild und Fingerabdruck sowie erste medizinische Untersuchungen, auch Dolmetscher können nun per Videotelefonie hinzu geschaltet werden, um Engpässe zu vermeiden. Die registrierten Daten würden auf einer neu eingeführten Ankunftskarte gespeichert. „So erhält jeder Mensch direkt eine Identität“, sagte Weise. Damit das BAMF diese Mehrarbeit leisten kann, erhöhe das Amt die Anzahl der Stellen auf über 6.000.
Menschen mit guter Bleibeperspektive können direkt mit der Antragsstellung auch Angaben zu ihrem Lebenslauf machen und auf diese Weise schneller in den Arbeitsmarkt integriert werden. „Von 660.000, die bleibeberechtigt sind, sind 70 Prozent erwerbsfähig“, sagte Weise, der als Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit auch diese Zahlen im Blick hat. Bis zu 15 Prozent von den 460.000 im arbeitsfähigen Alter seien sehr gut qualifiziert, so dass sie schnell Arbeit finden. Weitere 30 bis 35 Prozent der Erwerbsfähigen könnten nach einer etwas längeren Zeitspanne ebenfalls gut in den Arbeitsmarkt integriert werden, erklärte Weise.
Für geflüchtete Wissenschaftler mit sehr guten Englischkenntnissen habe die Bundesagentur für Arbeit eine Kooperation mit der Helmholtz-Gemeinschaft gestartet, um ihnen einen schnellen Berufseinstieg in die Forschung zu ermöglichen. Auch viele Hochschulen haben in den letzten Monaten Initiativen für hochqualifizierte Flüchtlinge gegründet wie etwa die Goethe-Universität mit ihrem „Academic Welcome Program“. „It’s time to pay back“, sagte Universitätspräsidentin Prof. Birgitta Wolff und nahm Bezug auf die vielen Wissenschaftler der Goethe-Uni, die zur Zeit des Nationalsozialismus ins Exil flüchteten, wo sie gut aufgenommen wurden und ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit weiter nachgehen konnten.
Weise ist trotz der hohen Anzahl an Asylverfahren zuversichtlich, dass Deutschland diese Aufgabe bewältigen wird. Merkels Aussage „wir schaffen das“ sei zutreffend. Was solle man auch sonst sagen: „Wir probieren es mal“?
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Pressestimmen zum Vortrag von Frank-Jürgen Weise an der Goethe-Universität
- Warum Bamf-Chef Weise zuversichtlich ist; sueddeutsche.de, 10 März 2016
- Eine Million Asylanträge sollen 2016 entschieden werden; faz.net, 10 März 2016
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