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Geflüchteten eine Perspektive bieten

Marius Jakl vom Academic Welcome Centre (links) und Florian von Bothmer, Goethe Welcome Centre, beraten geflüchtete Menschen an der Goethe-Universität. Foto: Gärtner

Die Beratung und Betreuung geflüchteter Menschen stellt viele Uni-Mitarbeiter vor neue Herausforderungen. Das Goethe Welcome Centre und das Academic Welcome Program des International Office sind kompetente Ansprechpartner an der Goethe-Universität.

Die Beratung und Betreuung geflüchteter Menschen stellt viele Uni-Mitarbeiter vor neue Herausforderungen. Das Goethe Welcome Centre und das Academic Welcome Program des International Office sind Ansprechpartner. Als Deutschland 2015 großflächig die Tore für geflüchtete Menschen öffnete, änderte sich vieles: in der Gesellschaft, als auch an der Goethe-Universität. Während unzählige Initiativen entstanden, um die Geflüchteten in verschiedenen Lebensbereichen zu unterstützen, stellte man sich an der Goethe Universität die Frage, wie es gelingen könnte, den Akademikern und Studieninteressierten unter den Ankommenden in den universitären Strukturen eine Perspektive zu bieten.

Im September 2015 wurde unter dem Dach des International Office das Academic Welcome Program for highly qualified refugees (AWP) gegründet. Das studienvorbereitende und -begleitende AWP richtet sich an hochqualifizierte Geflüchtete, die in ihrem Heimatland ein Abitur vorweisen oder bereits ein Studium begonnen beziehungsweise abgeschlossen haben. Sie können Deutsch-Intensivkurse und Propädeutika (Fachkurse) besuchen und als Gasthörer bei Lehrveranstaltungen teilnehmen. Mit dem Programm sollen Geflüchtete an die deutsche Gesellschaft herangeführt werden und einen Einblick in die hiesigen Wissenschaftsstrukturen erhalten.

Etwa 50 Menschen pro Semester konnte das AWP seither bereits einen Platz in dem Angebot verschaffen. Doch um in das Programm aufgenommen zu werden, müssen einige Grundvoraussetzungen erfüllt sein: Die Interessenten müssen im Gebiet des Rhein-Main-Verkehrsverbundes wohnhaft sein. Sie sollten in der deutschen Sprache mindestens ein A2-Niveau vorweisen, wie etwa nach einem absolvierten Integrationskurs der Fall. Und nicht zuletzt müssen Studienfach und das Grad der Qualifikation zu den Lehrangeboten der Goethe Universität passen.

»Die Goethe Univer- Geflüchteten eine Perspektive bieten Beratungsgespräche verlangen viel Fingerspitzengefühl sität hat eine große Strahlkraft. Es kommen Geflüchtete aus ganz Hessen zu uns, die sich für ein Studium interessieren«, sagt Marius Jakl, Koordinator des Programms. »Unsere Aufgabe ist es, jene Interessierten auszumachen, die für ein Studium geeignet sind.«

Dass der Knowledge Gap, die Diskrepanz der Qualifikationen von Hochschulen aus verschiedenen Ländern, für Studienanwärter und Wissenschaftler zum Problem werden kann, weiß auch Florian von Bothmer. Er leitet seit 2013 das Goethe Welcome Centre (GWC), das ausländischen Gastwissenschaftlern während ihres Aufenthalts an der Goethe Universität bei lebenspraktischen Fragen unter die Arme greift. Die Betreuung der geflüchteten Wissenschaftler kam als zusätzliche Aufgabe hinzu und stellte das GWC vor neue Herausforderungen.

»Oft sind traumatische Erlebnisse und die große Frage nach der Zukunft eine gewaltige Belastung für diese Menschen«, sagt Florian von Bothmer. »Auch der Statusverlust, der mit der Ankunft jenseits der heimischen Wissenschaftsstrukturen einhergehen kann, ist nicht einfach zu akzeptieren. Wir versuchen diese Menschen im Beratungsgespräch zu unterstützen, eine langfristige Perspektive zu entwickeln – im akademischen wie außerakademischen Bereich. Dies ist eine Kompetenz, die wir im Laufe der letzten Jahre erst aufbauen mussten.«

Die Beratungsgespräche verlangen viel Fingerspitzengefühl. Zum einen, wenn es darum geht, die Erwartungen der Menschen an die realistischen Perspektiven anzupassen. Zum anderen, wenn traumatisch bedingte Schwierigkeiten auftreten und in den Beratungssituationen nicht nachvollziehbar scheint, warum sich das Gegenüber in bestimmter Art und Weise verhält.

»Viele Missverständnisse sind kulturell bedingt, da Menschen aus einem anderen Kulturkreis mit bestimmten Situationen anders umgehen«, sagt Marius Jakl. »Wir versuchen im Team viel darüber zu sprechen und lassen uns dabei auch durch eine Supervision unterstützen. Das hilft uns kulturell bedingte Verhaltensweisen besser verstehen zu lernen und unseren Horizont zu erweitern.«

Den sprachlichen Hürden versuchen beide Programme mit mehrsprachigen Angeboten zu begegnen. Beide bieten beispielsweise Beratung auf Arabisch an. Da der Großteil der geflüchteten Wissenschaftler derzeit aus der Türkei kommt, beschäftigt das GWC eine vom Philipp-Schwarz-Programm finanzierte türkischsprachige Hilfskraft. Insgesamt deckt das GWC acht Sprachen ab.

Finanziert wird das GWC von der Stiftung der Santander Universitäten, das AWP erhält seine Bezüge aus Mitteln des DAAD und des Landes Hessen. Im GWC ist derzeit neben Florian von Bothmer eine Hilfskraft für die geflüchteten Wissenschaftler zuständig. Das AWP beschäftigt momentan zwei hauptamtliche Mitarbeiter und vier Hilfskräfte.

Insgesamt sind an der Goethe-Universität etwa 30 Mitarbeiter und studentische Hilfskräfte mit der Beratung und Betreuung von Geflüchteten betraut, denn neben dem AWP und GWC gibt es eine Reihe anderer Initiativen, mit denen GWC und AWP kooperieren, etwa das Internationale Studienzentrum ISZ als zentrale Einrichtung für Spracherwerb, die Goethe Uni Law Clinic für die Beratung in Rechtsfragen, die psychosoziale Beratungsstelle oder der Verein academic experience Worldwide (aeW) als Vermittler von wissenschaftlichen Tandempartnern. AWP und GWC sind die zentralen Ansprechpartner für Fragen rund um geflüchtete Wissenschaftler beziehungsweise Studieninteressierte und können in besonderen Fragen an weitere Ansprechpartner verweisen.

Melanie Gärtner

Mehr Informationen: www.uni-frankfurt.de/refugees
Kontakt: Marius Jakl, Academic Welcome Program,
Tel.: 798 17296, E-Mail: awp@uni-frankfurt.de
Sprechzeiten: Di 9-12 Uhr, Mi 13-16 Uhr; Florian von Bothmer, Goethe Welcome Centre,
Tel.: 798-17192, E-Mail: welcome@uni-frankfurt.de

Dieser Artikel ist in der Ausgabe 1-2019 des Mitarbeitermagazins GoetheSpektrum erschienen.

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