Macron spricht an der Goethe-Uni über seine Vision von Europa

Emmanuel Macron; Fotos: Dettmar

Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron hat der Goethe-Universität einen Besuch abgestattet. Auf dem Campus Westend diskutierte er mit Daniel Cohn-Bendit, Gilles Kepel und Studierenden über die Herausforderungen, mit denen sich Europa gerade konfrontiert sieht.

Mit Spannung erwarteten Mitarbeiter und Studierende der Goethe-Uni sowie zahlreiche Gäste den Besuch Macrons im restlos gefüllten Festsaal. Denn erst kürzlich hatte der französische Präsident in seiner europapolitischen Grundsatzrede an der Pariser Universität Sorbonne viele Ideen für eine Wiederbelebung des Projekts Europa genannt. Universitätspräsidentin Prof. Birgitta Wolff hob in ihrem Grußwort lobend das Bild hervor, das Macron an der Sorbonne bemüht hatte: das des „europäischen Sisyphos‘“, der sich anstrengen muss, aber dennoch glücklich ist. Wolff betonte ebenso die Rolle der Universitäten, die „traditionell integrative Knotenpunkte kulturell-intellektueller Bedingtheiten“ seien: Sie integrierten individuelle Lebensentwürfe und gesellschaftliche Vorstellungen.

In der Diskussion stellte Daniel Cohn-Bendit, deutsch-französischer Politiker aus Frankfurt, Macron die Frage, ob Europa zu ängstlich geworden sei und keine Visionen mehr habe. Macron konzedierte, dass gegenwärtig die „Souveränisten“, die die kulturelle Hegemonie Europas und die Sicherheit der Bürger ins Zentrum rückten, die Debatte prägten. Jedoch erinnerte er unter anderem auch an den ehemaligen deutschen Außenminister Joschka Fischer, der durchaus Visionen entwickelt hätte. „Wir brauchen wieder mehr politische, soziale und kulturelle Konvergenz in Europa und auch mehr Demokratie“, forderte der französische Präsident deutlich.

Prof. Gilles Kepel, Sozialwissenschaftler in Paris, stellte die Frage in den Raum, wie angesichts großer Flüchtlingsströme und einer anhaltenden Terrorgefahr verhindert werden könne, dass die Bevölkerung in Europa weiter nach rechts drifte. Macron betonte, dass der Terror in Europa nicht allein auf den Islam zurückgeführt werden könne. Die Politik müsse mit neuen geopolitischen Strategien, die auf Integration und Pluralität setzen, Frieden im Nahen Osten schaffen. Kriegerisch seien die Konflikte dort hingegen nicht zu lösen.

 

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In der Flüchtlingsfrage müsse Europa, so Macron, verantwortungsvoll handeln: Es sei einerseits unverantwortlich, Flüchtlinge, die aus politischen Gründen ihre Heimat verlassen müssen, abzuweisen; allerdings seien unter den Menschen, die es nach Europa zöge, auch Wirtschaftsflüchtlinge. Für deren Aufnahme müsse es Grenzen geben. Für die Integration von Flüchtlingen und Migranten sei Bildung sehr wichtig: „Wer nicht lesen kann und ungebildet bleibt, wird auch seinen Platz in der Gesellschaft nicht finden.“ Ein glückliches Kind werde sich auch nicht dem Terrorismus zuwenden.

Cohn-Bendit sprach den Präsidenten auf den aktuellen Konflikt zwischen Spanien und Katalonien an: „Warum rührt sich Europa nicht?“, wollte Cohn-Bendit wissen. Er könne sich dort nicht einmischen, so Macron, da es sich um einen innerspanischen Konflikt handle. Bei der Vermittlung müsse man sich beide Seiten anhören. Allerdings sehe er nicht, dass das Vorgehen der katalanischen Regierung mit der spanischen Verfassung in Einklang zu bringen sei.

Zum Ende der Diskussion stellte sich Macron auch noch einigen Fragen von Studierenden. Eine französische Studentin mit arabischem Migrationshintergrund wollte von ihm wissen, wie er die Frage nach der Identität von Migranten sehe; so fühlten sich manche Migranten in Deutschland nicht als „deutsch“. „Wir haben alle gemischte Identitäten“, erklärte Macron. Wer nur um sich selbst kreise, entwickle keine Identität.

Seine Generation, so Macron, sei angetreten, die Konflikte, die der Kolonialismus in Frankreich hinterlassen habe, zu versöhnen. Die Benachteiligungen von Menschen mit Migrationshintergrund im Bildungssystem müssten überwunden werden. Macron sprach sich in diesem Zusammenhang für eine höhere Mobilität im universitären Bereich aus: „Der Bologna-Prozess und gemeinsame Studiengänge sind für Europa sehr wichtig.“ Er könne sich sogar europäische Universitäten vorstellen als Orte eines gemeinsamen Bewusstseins.

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