Startup-Gründungen an der Goethe-Uni: „Unser Potenzial ist noch bei weitem nicht ausgereizt“

Im Februar wurde die RMU Startup Factory gegründet. Vizepräsident Prof. Michael Huth, an der Goethe-Universität verantwortlich für Qualitätsmanagement, Infrastruktur und Technologietransfer, ist überzeugt, dass Universitäten heute auch aus gesellschaftlicher Verantwortung heraus verstärkt Gründungen unterstützen müssen.

Lieber Herr Huth, was bedeutet das Thema Gründungen für Sie persönlich und als Vizepräsident? 

Vizepräsident Michael Huth kennt aus eigener Erfahrung die Herausforderungen, vor denen Gründer*innen stehen.

Prof. Michael Huth: Meine eigenen Erfahrungen als Mitgründer eines Deep Tech-Spinoffs Anfang der 2000er Jahre hat mir gezeigt, mit welchen Problemen man beim Gründen zu kämpfen hat: von Fragen der IP-Überlassung – da geht es um die Universität als Rechteinhaberin – und der Organisation des Zugriffs auf die nötige Geräte-Infrastruktur über die Einwerbung von Risiko-Kapital bis hin zur Kundenakquise. Dazu kommt, dass Innovationen unverzichtbar sind für die dringlich benötigten Transformationsprozesse in Ökologie und Ökonomie. Darum bin ich der Überzeugung: Wir müssen das Thema „Gründungen aus unseren Universitäten heraus“ viel mehr in den Fokus nehmen und aktiv die Rahmenbedingungen dafür möglichst optimal gestalten. Um die schiere Menge an Gründungen geht es dabei aber nicht; es gilt immer “Qualität vor Quantität“.

Wie steht die GU aktuell beim Thema Startups da? 

Wir haben – insbesondere auf studentischer Seite, aber auch immer mehr im Bereich Spin-offs (IP-basierte Startups) – einiges an Gründungsaktivitäten vorzuweisen. Diese finden in unserem Gründungszentrum Unibator im Zusammenspiel mit Innovectis ein etabliertes Unterstützungsangebot. Das wird noch ergänzt durch die seit kurzem etablierte Zusammenarbeit mit dem Venture Capital Fund Carma, bei dem wir selbst auch Limited Partner sind als Gründungsinvestor. 

Unser Potential ist allerdings noch bei weitem nicht ausgereizt. Das beginnt schon bei den Angeboten, die wir im Bereich Lehre zu Entrepreneurship fachbereichsübergreifend anbieten müssen. Wir haben zwar schon mehrere Dutzend Lehrangebote, die im engeren und weiteren Sinne Relevanz für den Bereich „Gründungen“ haben. Diese Angebote sind aber nicht ausreichend koordiniert, sind in aller Regel nicht mit ECTS-Punkten versehen und auch nicht ohne weiteres skalierbar, um beispielsweise fünf- bis zehnmal so viele Studierende plus Doktoranden und Postdocs zu erreichen. An diesem Punkt setzt die RMU Startup Academy an, für die sich die Goethe-Universität, die TU Darmstadt und die Gutenberg-Universität Mainz zusammengetan haben und die Anfang Februar an den Start gegangen ist. 

Zusammen mit der Frankfurt School of Finance and Management wird jetzt die Futury GmbH zur Startup Factory weiterentwickelt. Eine gemeinsame Bewerbung für eine Bundesförderung im Rahmen des Leuchtturmwettbewerbs Startup-Factories des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz ist in Vorbereitung. Was wäre „mehr“ möglich, sollte es mit der Förderung klappen? 

Die geplante Startup Factory auf Basis der Futury – aktuell eine 100% Tochter der Frankfurt School of Finance & Management (FSFM) – wird zukünftig die Startups und Spinoffs der RMU und der FSFM von der Pre-Seed- bis zur Exit-Phase strukturiert unterstützen und in der Entwicklung begleiten. Dazu werden sich die RMU noch vor April an der Futury beteiligen. Aktuell sind wir im Rahmen der Konzeptphase des Leuchtturmwettbewerbs mitten im Aufbau wichtiger Angebote vom Bereich INNOVATE (Entrepreneurship-Sensibilisierung und Lehrangebote an den Universitäten), über den Bereich CREATE (Akzeleration der Startups und Spinoffs) bis hin zum Bereich SCALE (Förderangebote, Risikokapital). Futury wird als Startup Factory in Zukunft die Universitäten bei der Entwicklung und Bereitstellung von Gründungsensibilisierungs- und Lehrprogrammen unterstützen, mit den Gründungszentren der Universitäten eng zusammenarbeiten und deren Angebote ergänzen und koordinieren und als zuverlässiger Netzwerkpartner im Gründungsökosystem der RheinMain-Region eng mit unseren Partnern zusammenarbeiten. Das Angebot von Futury wird offen für Startups & Spinoffs aller hessischen und rheinlandpfälzischen Hochschulen sein, wozu Futury ihr Hochschulpartner-Netzwerk ständig erweitern wird.

„Innovationen sind unverzichtbar für die dringlich benötigten Transformationsprozesse in Ökologie und Ökonomie“

Am 24. Januar war wieder Social Pitch Day: Studierende der Goethe-Universität stellten beim Partner Commerzbank Early-Stage-Startups vor; alle mit dem Fokus auf sozialen, nachhaltigen Geschäftsmodellen. Praktische Unterstützung bekamen sie von Andres Felipe Macias vom Unibator. Ist Nachhaltigkeit auch sonst ein Faktor für die Arbeit des Unibators?

Ja, sogar im doppelten Sinne. Zum einen ist das Thema „Nachhaltigkeit“ bei vielen der Startups nicht nur Anliegen, sondern Teil der Gründungsidee. Der Unibator nimmt das natürlich auf und unterstützt dabei, derartige Gründungsideen dennoch kritisch auf Marktfähigkeit hin zu entwickeln. Salopp formuliert: Marktfähige Nachhaltigkeit erzeugt gleich doppelt so viel Impact. Zum anderen legt der Unibator sehr großen Wert darauf, die langfristige Entwicklungsperspektive der betreuten Startups von einem frühen Stadium an im Auge zu behalten und gezielt herauszuarbeiten. Nur ein skalierbares Startup hat gute Chancen, sich am Markt zu behaupten, ist also nachhaltig.

Theoretisches Gründungswissen hatten die Studierenden vorab in einer Lehrveranstaltung von Eberhard Schnebel zu Finanzmanagement und Ethik erworben. Kann ein solches Seminar motivieren, verstärkt beruflichen Erfolg und soziale Verantwortung zusammenzudenken? 

Die Identifikation mit einem Gründungsprojekt wird umso stärker sein, je klarer die damit verbundenen Implikationen und Verantwortlichkeiten schon in einer frühen Phase, also der Überlegensphase, ins Bewusstsein gebracht werden: Einerseits weiß man als potentieller Gründer dann sehr viel besser, auf was man sich einlässt. Andererseits ist es wünschenswert, insbesondere solche Gründungen zu unterstützen, die das Thema „Soziale Verantwortung“ sowohl innerhalb des Unternehmens selbst, aber auch in seinem Wirken am Markt bewusst in den Fokus nehmen. Daraus ergibt sich auch mit sehr viel höherer Wahrscheinlichkeit ein nachhaltiges Unternehmertum.

Was würden Sie Studierenden raten, die eine Idee für eine Gründung haben, aber nicht wissen, wie sie am besten starten sollen? 

Mein erster Rat wäre: Wenden sie sich an den Unibator. Unternehmertum kann man lernen, sowohl mit Bezug auf die nötigen Kenntnisse, als auch in Bezug auf den dafür nötigen „Mindset“: Dazu gehören der Abbau von übertriebener Risikoaversion und der Aufbau der richtigen Haltung zum Umgang mit eigenen Fehlern und denen des Gründerteams; auf Sachkenntnis basierte, objektive Einschätzung der eigenen Gründungsidee hinsichtlich Marktfähigkeit; die Erkenntnis der Notwendigkeit in einem komplementären Team von „Spezialisten“, die alle auch ein bisschen von dem verstehen, was der jeweils andere tut und leistet; Disziplin … – diese Liste ließe sich noch weiterführen. 

Vielen Dank für das Gespräch. 

Interview: Imke Folkerts

Deep Tech: Der Begriff steht für Technologien wie Künstliche Intelligenz, Robotik, Blockchain, Biotechnologie und Quantencomputing, die nicht auf Endbenutzerdienste ausgerichtet sind. Deep Tech vereint drei Ansätze – Wissenschaft, Technik und Design – um die Komplexität von Problemen zu meistern. (vergl Cambridge Dictionary, https://tinyurl.com/3a9pccmp)

Spin-off: Bei einem Spin-off („Ausgründung“) handelt es sich um die Ausgliederung unselbständiger Bereiche eines Unternehmens oder einer Organisation. Der ausgegliederte Teil der Organisation wird zu einer selbstständigen Firma. Im Innovationsmanagement dienen solche Ausgründungen häufig dem Zweck, Forschungs- und Entwicklungsergebnisse extern zu vermarkten. (vergl. Bundesverband M&A, https://www.bm-a.de/glossar/spin-off/)

IP-basiert: IP steht für Intellecutal Property, also geistiges Eigentum. Darunter versteht man Eigentumsrechte an Schöpfungen des menschlichen Intellekts (beispielsweise Erfindungen, Know-how, Software). Dieses geistige Eigentum kann durch das Erlangen von Schutzrechten vor Nachahmung geschützt werden. (siehe https://startmiup.de/ideenentwicklung-prototyping/intellectual-property)

Die Rhein-Main-Universitäten (RMU) wollen mit einem neuen Projekt Innovation und Unternehmertum noch stärker fördern: Die RMU Startup Academy ging am 5. Februar 2025 offiziell an den Start.

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