Kompass statt Hochglanzbroschüre: Das künftige Leitbild Lehre soll ein echtes Arbeitsmittel werden, das Fachbereichen und anderen Einheiten an der Goethe-Universität in Fragen der Lehre und ihrer Weiterentwicklung Orientierung bietet. Jetzt fand am 6. Februar im Casino, Campus Westend, die Kick-off-Veranstaltung mit 160 Teilnehmenden aus allen Statusgruppen statt. In dieser breiten Aufstellung soll auch das Leitbild Lehre entstehen. Gemeinschaftlich und partizipativ von denen entwickelt, die selbst Lehre entwickeln, anbieten, organisieren oder als Studierende erleben. Eingeladen zur Veranstaltung hatte Christiane Thompson, Vizepräsidentin für Studium, Lehre, Weiterbildung, die auch den Prozess initiiert hat und steuert.
In seiner Einleitung zur Veranstaltung zeigte Universitätspräsident Enrico Schleiff, dass das Humboldt’sche Ideal einer Einheit von Forschung und Lehre nichts an Aktualität verloren habe, gerade mit Blick auf die forschungsorientierte Lehre. Der Anspruch der Goethe-Universität, Studierende zu befähigen, die Gesellschaft von morgen mitzugestalten, „Future Skills“ zu vermitteln und Freiräume zu ermöglichen, in denen Studium und Lehre eigenverantwortlich gestaltet werden könnten, stehe in dieser Tradition.
Welt im Wandel – Lehre im Wandel
Allerdings, so Schleiff, sehe sich die Lehre immer wieder neuen Herausforderungen gegenüber, wie der derzeit heiß diskutierten KI-Anwendung ChatGPT. Umso wichtiger sei es, neue digitale Architekturen in die Kunst des Lehrens und Lernens zu integrieren, Bildungsziele und Bildungsprozesse zur Diskussion zu stellen, weiter selbst zu gestalten und eigene Ideale zusammen zu erarbeiten. Das kann ChatGPT nämlich (noch?) nicht: Schleiff zitiert die Antwort der KI auf die Frage nach einem neuen Leitbild für die Lehre – das Ergebnis: ein paar allgemeingültige Sätze, keine spannenden Ideen. Bei null anfangen müssen die Hochschulleitung, Lehrenden, Wissenschaftsmanager*innen und Studierenden nicht, wenn sie nun gemeinsam ein neues Leitbild Lehre entwickeln. Sie können die Gedanken und Leitsätze aus den bisherigen zwei Lehr-Leitbildern der Goethe-Universität – den „Grundsätzen zu Lehre und Studium“ aus dem Jahr 2014 und dem „Leitbild digitale Lehre“ aus dem Jahr 2018 – nutzen und weiterdenken. Mit den Erfahrungen aus der Corona-Zeit und mit den wieder gewonnenen Erfahrungen im – virtuell angereicherten – Präsenzbetrieb.
Umsetzung ist Key
Vielleicht wird sich herausstellen, dass vieles aus den bisherigen Leitbildern für Studium und Lehre weiterhin gilt. Vielleicht wird doch einiges ersetzt, weiter konkretisiert oder neu hinzugefügt werden. In jedem Fall müsse aber festgehalten werden, wie das Leitbild gelebt werde. Schleiff: „Unser Anspruch (…) ist es aber auch, die Visionen und Ziele des Leitbildes objektiv operationalisierbar zu machen und (…) darüber nachzudenken, an welchen Indikatoren wir unsere gesteckten Ziele eigentlich messen können.“ Denn, so Vizepräsidentin Thompson: „Dieses Leitbild wird kein Strategiepapier für die Schublade. Es wird uns als Arbeitsgrundlage für die Weiterentwicklung der Lehre an der Goethe-Universität dienen.“
Faktencheck Leitbild-Relevanz
Wertvolle und praxisrelevante Inspiration für eine erfolgreiche Umsetzung gab Annika Boentert, Professorin für Hochschul- und Qualitätsmanagement an der FH Münster, mit ihrem Impulsvortrag (siehe Folien unten). Sie ist Geschäftsführerin des Wandelwerks – Zentrum für Qualitätsentwicklung in Münster und führte 2020 eine deutschlandweite Umfrage zu den Leitbildern für Lehre an Hochschulen durch. Die Umfrageergebnisse zeigen gut, wo typische Herausforderungen liegen:
Hat mein Leitbild mir wirklich etwas zu sagen – oder ist es so allgemein, dass es für jede Hochschule gelten könnte? Wie finden wir gemeinsame Werte und Ansprüche für unser eigenes Leitbild, trotz aller Heterogenität in den Fächern? Wie präzisiere ich Ideen, ohne zu langatmig zu werden und den „Verfassungscharakter“ eines Leitbilds zu verlieren? Welche Umsetzungshilfen sollte ich mitdenken und – immer wieder – wie schaffe ich es, dass mein Leitbild wirklich bekannt ist an meiner Hochschule, auch bei den Studierenden?
Persönliche Erfahrungen
Wie die bisherigen Berührungspunkte mit den Leitbildern für Lehre an der Goethe-Universität waren, was sie auf jeden Fall gerne im künftigen Leitbild Lehre festhalten würde und was passieren müsse, damit das Leitbild eben wirklich ein Arbeitsmittel werde – um diese Fragen ging es direkt im Anschluss in einem kurzen Podiumsgespräch.
So verschieden wie die Teilnehmer*innen beim Kick-off waren auch die Podiumsgäste: Vizepräsidentin Christiane Thompson, Studiendekan Detlef Kanwischer, Studentin Yasmine Goldhorn, Markus Lindner (wissenschaftlicher Mitarbeiter und 1822-Preisträger) sowie Maximilian Brauch (Experte für Studiengangentwicklung bei SLI) stellten ihre Blickpunkte auf das Thema dar.
Einstieg in die Arbeitsphase – We can do it!
Eingestimmt durch diese Eindrücke begann für die Teilnehmenden danach der aktive Part: Sie konnten sich eine Arbeitsgruppe aussuchen, die ein Thema behandelt, das sie besonders interessiert. Zur Auswahl standen Digitalisierung, Diversität, Nachhaltigkeit & Internationalisierung, Praxisbezug, Professionalisierung & Forschungsorientierung, Qualitätssicherung. Dass es dabei Überschneidungen gibt, ist willkommen: Ein Projektteam wird später die Kernaussagen zusammenführen und in einen ersten Gesamtentwurf überführen. Schon während der Kick-Off-Veranstaltung gab es eine erste Arbeitsphase, moderiert von Expert*innen zu den jeweiligen Themen – Ausgangspunkt für die inhaltliche Strukturierung des neuen Leitbilds. Ein „Gallery Walk“ präsentierte im Anschluss den Ausblick auf einen spannenden Diskussions- und Arbeitsprozess.
Nun haben die Arbeitsgruppen noch bis zum 6. März Zeit, um ihre Ideen auszuformulieren und abzugleichen. Im Rahmen eines Studiendekan*innen-Fachtages werden die Ergebnisse der Arbeitsgruppen und ihre Auswertung weiter diskutiert werden, bevor dann in den universitären Gremien der Leitbildentwurf zum Thema werden wird. Ende des Jahres soll das neue Leitbild dann stehen – und nicht als Hochglanzbroschüre in der Schublade landen, sondern direkt als praktisches Werkzeug und Kompass eingesetzt werden.
⠀:
Die Folien zur Keynote von Prof. Dr. Annika Boentert „Leitbilder für die Lehre – ‚Überflüssige Sammlung von Allgemeinplätzen‘ oder ‚hilfreicher Kompass im Hochschulalltag‘?“ können Sie hier einsehen: PDF-Download Keynote Boentert
Mein Studium, meine Lehre – Jetzt noch einsteigen beim Leitbildprozess:
Sie haben den Kick-off-Termin verpasst, möchten aber noch Ideen für die Entwicklung des künftigen Leitbilds Lehre einbringen? Mit der folgenden Feedbackbefragung haben Sie die Möglichkeit, Ideen für die Entwicklung unseres künftigen „Leitbilds Lehre“ einzubringen und sich damit aktiv am Prozess zu beteiligen: https://tinygu.de/YSWq9
Fotos: Uwe Dettmar