Auf Einladung der Konferenz Hessischer Universitätspräsidien (KHU) und der HAW Hessen stellten sich eine Woche vor der Landtagswahl Spitzenvertreterinnen und -vertreter der Landespolitik im Casino der Goethe-Universität Fragen zum Themen Weiterbildung. Nach den Grußworten von Universitätspräsidentin Birgitta Wolff und Prof. Frank Dievernich, Präsident der Frankfurt University of Applied Sciences sowie einem Impulsvortrag von Wissenschaftsminister Boris Rhein fragte Moderator Sascha Zoske einleitend die Runde auf dem Podium nach dem Verhältnis von beruflicher und akademischer Bildung. „Unter den Bedingungen des Arbeitsmarktes 4.0 ändern sich grundlegend Bildung und Ausbildung. Das Prinzip des lebenslangen Lernens betrifft gleichermaßen den akademischen wie auch den nichtakademischen Bildungssektor“ unterstrich Prof. Tanja Brühl, Mitglied des Regierungsteams der hessischen SPD. Die Hochschulen müssten sich allen Menschen öffnen. Daniel May, MdL (Bündnis 90/Die Grünen), unterstrich, dass der Aspekt akademischer Weiterbildung nicht nur „verwertbare“ Aspekte umfasse. Die Hochschulen könnten mit eigenen Angeboten einer Monopolisierung entgegenarbeiten. „An akademischer Weiterbildung sollten sich möglichst viele beteiligen“, sagte Michael Boddenberg, MdL (CDU). Seine Partei habe unter anderem mit dem Promotionsrecht für bestimmte Hochschulen für Angewandte Wissenschaften starre Grenzen im Wissenschaftssystem aufgelöst.
Dass der Markt der Weiterbildung von den staatlichen Hochschulen erst relativ spät entdeckt worden sei, stellte Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn, MdL (FDP) heraus. Gerade wegen des Fachkräftemangels würden Unternehmen darin künftig investieren, die staatlichen Hochschulen sollten nicht bevorzugt werden. „Die Weiterbildung sollte nicht an Verwertungslogiken ausgerichtet werden“, hielt Jan Schalauske, MdL (Die LINKE) dagegen. Seine Partei bevorzuge es, private Interessen außen vor zu halten.
Ein weiteres Thema der Diskussion war das studentische Wohnen. Michael Boddenberg verwies auf den Zusammenhang von allgemeinem Wohnungsmarkt und studentischem Wohnen: „Wir müssen auch den privaten Wohnungsmarkt ertüchtigen, ebenso die Motivation der Umlandkommunen erhöhen.“ Tanja Brühl sieht das Problem des fehlenden Wohnraumes für Studis als einen Aspekt einer Wohnmisere; Hessen stehe allerdings im Vergleich mit anderen Bundesländern sehr schlecht da: „Bei uns wohnen weniger Studierende in Häusern des Studentenwerkes.“ Jan Schalauske ergänzte: „Wir benötigen mehr Sozialwohnungen und staatlich geförderte Studentenwohnungen. Private Wohnheime sind viel zu teuer, man darf das Problem nicht einfach dem Markt überlassen.“ Jörg-Uwe Hahn hob darauf ab, dass vor allem Flächen gefragt seien; die Standards in der Baubranche seien zudem zu hoch.
Moderator Sascha Zoske sprach das Podium auch auf die schlechte Betreuungssituation an hessischen Hochschulen an. Werde das Problem nicht dadurch verschärft, dass die Last vor allem bei oft schlecht bezahlten Lehrbeauftragten liege?, wollte Zoske von Jörg-Uwe Hahn wissen. „Die Betreuungssituation muss ganz klar verbessert werden“, betonte Hahn. Dass es aufgrund der Struktur des Forschungsbetriebs befristete und unbefristete Stellen geben müsse, warf Michael Boddenberg ein, der die schlechte Betreuungsrelation vor allem von den stark gestiegenen Studierendenzahlen herleitete. „Die Zustände im wissenschaftlichen Mittelbau sind nicht akzeptabel – gut ausgebildete Wissenschaftler sind teilweise prekär beschäftigt“, entgegnete Jan Schalauske. Tanja Brühl betonte, dass bei einer verlässlicheren Grundfinanzierung der Hochschulen dem Mittelbau auch längerfristige Verträge angeboten werden könnten. „Bei Langzeitaufgaben, gerade im Bereich der Lehre, würde ich für Dauerstellen plädieren.“
Bezüglich des Abschneidens der hessischen Unis im Exzellenzwettbewerb äußerte sich Daniel May eher zurückhaltend: „Es gibt Schlimmeres“, schob aber nach, dass er nach Bekanntgabe der Ergebnisse sehr überrascht gewesen sei. May betonte aber die Qualität des LOEWE-Programms. Dieses hätten die Grünen zu schätzen gelernt, dieses würde daher auch nicht angetastet. Hingegen kritisierte Jan Schalauske das LOEWE-Programm, es sei zu sehr auf die MINT-Fächer ausgerichtet, habe den Bereich der Lehre geschwächt, Geld sei an außeruniversitäre Forschung geflossen. Tanja Brühl machte den Vorschlag, dass LOEWE evaluiert werden sollte; sie könne sich ferner vorstellen, dass ein Teil des Programms für Forschung zu „großen gesellschaftlichen Fragen“ verwendet werden könne.
Zum Schluss wollte Moderator Sascha Zoske von den Diskutanten wissen, in welchen Bereich sie mehr Geld investieren würden: „In die Digitalisierung oder in eine neue Universitätsbibliothek?“ Zwar war sich das Podium darin einig, dass es gleichermaßen wichtige Themen seien; Michael Boddenberg wies aber auch auf die Wichtigkeit eines ausgeglichenen Haushalts hin; er priorisiere die Investition in „Köpfe“.