Goethe in progress 2022

Goethe in progress 2022 – Interaktion

Wir und die Welt

Als Frankfurter Bürger*innen 1914 die Universität gründeten, schufen sie damit einen Ort, an dem frei und unabhängig geforscht werden konnte. Auch heute noch versteht sich die Goethe-Universität als Bürgeruniversität: Sie steht im Dialog mit der Zivilgesellschaft, mit Politik und Wirtschaft, sie reagiert auf Impulse aus der Gesellschaft. Mit ihrer Forschung tragen unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dazu bei, Probleme zu verstehen und eine humane Zukunftsvision zu entwerfen.

2022 hat die Universität beispielsweise ein Nachhaltigkeitsbüro gegründet, das laufende Projekte zur Nachhaltigkeit unterstützt, neue Initiativen anregt sowie eine gesamtuniversitäre Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt. Seit Beginn des Ukraine-Krieges wurden etliche Studierende und Forschende, die aus der Ukraine geflohen sind, auf vielfache Weise gefördert. Im Dialog mit der Wirtschaft hat die Goethe-Universität mit innovativer Wissenschaft auch in diesem Jahr Brücken gebaut. Schließlich hat die Universität ein neues Konzept für Stiftungsprofessuren entwickelt. Damit können von privater Hand gestiftete Professuren auch langfristig finanziert werden.

Nachhaltiger werden

Die Goethe-Universität ist auf dem Weg zur nachhaltigen Hochschule. Seit 2022 ist dafür das Büro für Nachhaltigkeit die zentrale Koordinierungsstelle.

Helfen statt zuschauen

Auf den Ukraine-Krieg hat die Goethe-Universität mit kurzfristigen Hilfen für Studierende und Forschende reagiert – zum Beispiel mit wissenschaftlichen Kooperationen und dem zentral aufgelegten Goethe-Ukraine-Fonds.

Innovationen schaffen

Das Team „RNA-DRUGS“ wurde 2022 zum zweiten Mal von der Bundesagentur für Sprunginnovationen, kurz SPRIND, gefördert. SPRIND verbindet Menschen mit herausragenden Ideen, Fachexpertise und Leidenschaft aus Wissenschaft und Wirtschaft.

Nachhaltige Stiftungsprofessuren

Die Goethe-Universität setzt verstärkt auf eine alternative Finanzierung für Stiftungsprofessuren: Im “Endowed Chair”-Modell investieren private Geldgeber nicht direkt in eine Professur, sondern in einen Stiftungsfonds. Das hat Vorteile.

Eine Plattform für Expertenwissen zum Islam

Die Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft (AIWG) nimmt Fragen aus dem Leben von Muslimen in Deutschland auf und bringt sie mit der Wissenschaft in Austausch. Bis 2027 wird die Akademie nun vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.

Forschungstransfer bereichert

Das Institut für Wirtschaft, Arbeit und Kultur (IWAK) forscht und berät seit Jahren zu den Themen Arbeitsmarkt, Qualifizierung und Regionalentwicklung. Seit Januar 2022 gehört es der Abteilung Forschungstransfer an.

(Foto: Lilly Gothe)

Nachhaltiger werden – vom Wissen zum Handeln

Die Goethe-Universität ist auf dem Weg zur nachhaltigen Hochschule. Seit 2022 ist dafür das Büro für Nachhaltigkeit die zentrale Koordinierungsstelle: Es unterstützt den Wandel in seinen sozialen, ökologischen und ethischen Dimensionen, regt neue Initiativen an und entwickelt eine Nachhaltigkeitsstrategie für die gesamte Universität. Was hat das Team in den ersten Monaten bewegt und geplant?

Einer, der bereits seit Jahren in Sachen Nachhaltigkeit auf dem Campus unterwegs ist, ist der Leiter des Wissenschaftsgartens Robert Anton. Dem Landschaftsgärtner und leidenschaftlichen Kämpfer für Tothölzer, Mauersegler und andere Angehörige von Fauna und Flora geht es um einen grünen, nachhaltig gestalteten Campus, in dem auch die blauflügelige Ödlandschrecke ihren Platz hat.

(Foto: Lilly Gothe)

Impulse für die Nachhaltigkeit

Seit Sommer 2022 hat die Goethe-Universität ein Nachhaltigkeitsbüro. Es soll vorhandene Initiativen an der Universität auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit koordinieren und neue Projekte anstoßen. Die fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verstehen sich als Impulsgeber*innen.

Was macht eine nachhaltig agierende Universität aus? Ein paar Beispiele aus dem Universitätsalltag: Es beginnt beim Weg zur Arbeit – ist der Campus gut an das öffentliche Verkehrsnetz angeschlossen, gibt es Parkplatzgebühren, vielleicht sogar Duschen für Fahrradfahrende? Für die Büroorganisation spielen u.a. Fragen von Beschaffung und Recycling eine Rolle: Wie viel und welches Papier nutzen wir, was passiert mit ausgemusterten technischen Geräten? In der Lehre gewinnt die Frage an Bedeutung, wie die Studierenden auf eine komplexe und sich immer schneller wandelnde Welt vorbereitet werden. Können sie Themen der Nachhaltigkeit in ihren Zusammenhängen betrachten und auf ihre Lerninhalte beziehen? Und nicht zuletzt: Wie reflektieren die Wissenschaftler*innen ihre Forschungsschwerpunkte in Bezug auf Nachhaltigkeit? Als Querschnittsthema berührt Nachhaltigkeit alle Bereiche der Universität.

Die Entwicklung zu einer nachhaltig agierenden Universität ist einer von elf strategischen Handlungsbereichen, den das Präsidium der Goethe-Universität für die kommenden Jahre festgelegt hat. „Die Gesellschaft“, so Universitätspräsident Enrico Schleiff, „sieht sich mittlerweile täglich mit weitreichenden ökologischen, sozialen und ökonomischen Herausforderungen konfrontiert. Hochschulen kommt damit als Forschungseinrichtungen, als Orte von Bildung und Ausbildung und als gesellschaftliche Akteuren eine besondere Verantwortung zu: Sie sollten nicht nur entscheidende Impulse zur Zukunftsfähigkeit von Gesellschaften geben, sie sollten auch selbst beispielhaft vorangehen“.

Warum es an der Goethe-Universität ein Nachhaltigkeitsbüro gibt

Nachhaltiger werden – vom Wissen zum Handeln

Das Nachhaltigkeitsbüro will die breit gefächerten Aufgaben des Nachhaltigkeitsmanagements an der Goethe-Universität an einer zentralen Stelle bündeln. Mit einem Team aus fünf Mitarbeitenden und unterstützt von studentischen Hilfskräften verbindet es die Hochschulleitung, die Hochschullehrenden, die Mitarbeitenden aus Wissenschaft, Technik und Verwaltung, die Studierenden sowie externe Partner*innen. Das Büro berät das Präsidium bei nachhaltigkeitsbezogenen Fragen und bei der Umsetzung einer ganzheitlichen Organisationsentwicklung: Im Sinne eines „Whole Institution Approach“ werden die Handlungsfelder Governance, Betrieb, Forschung, Lehre und Transfer – im Sinne einer Interaktion mit der Gesellschaft – schrittweise an Prinzipien der Nachhaltigkeit ausgerichtet. Die ganze Universität soll nachhaltig werden.

Aufbauen kann das Team bei dieser Aufgabe auf der Vorarbeit der Kollegen*innen des Immobilienmanagements, der studentischen Initiative „Goethes Green Office“ sowie der durch den Senat eingerichteten AG Nachhaltigkeit, die Fach-Expert*innen an der Goethe-Universität und bereits laufende Projekte miteinander vernetzt und Austausch ermöglicht hat.

(Foto: Lilly Gothe)

Entwickeln einer Gesamtstrategie „Nachhaltigkeit“

Als gesamte Organisation nachhaltig werden: Dazu bedarf es einer Nachhaltigkeitsstrategie, die regelmäßig nachjustiert werden soll. Das Team wird dazu auch ein Kennzahlensystem entwickeln, das Nachhaltigkeitsaspekte innerhalb der Universität sicht- und messbar macht. Einzelne bereits bestehende Projekte werden in dieses Gesamtkonzept eingebunden. Mitgewirkt hat das Team des Nachhaltigkeitsbüros bislang etwa an den „Sustainability Studies“: Unter diesem Titel werden Lehrveranstaltungen aller Fachbereichen zum Thema Nachhaltigkeit gesammelt, in denen Studierende sich ein breites Spektrum an Fachwissen aneignen können und – daran wird gearbeitet – bald auch ein fachstudienbegleitendes Zertifikat „Nachhaltigkeit“ erwerben können.

Auch in das „Leitbild Lehre“, das im kommenden Jahr entwickelt werden soll, wird das Thema Nachhaltigkeit in Studium und Lehre einfließen. Um die Integration von Nachhaltigkeit in die Lehre zu fördern, sind Weiterbildungsmaßnahmen für Lehrende geplant. Bildung für nachhaltige Entwicklung – dieses Thema lotet das Nachhaltigkeitsteam auch im Verbund der Rhein-Main Universitäten und im Hessischen Hochschulumfeld aus.

Im Campusbetrieb ist geplant, den CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2025 um insgesamt 10% zu reduzieren

Während der akuten Energiekrise im Winter `22 stieg das Nachhaltigkeitsteam in die Entwicklung kurzfristiger Energiesparmaßnahmen ein: Die Universität beteiligte sich an der Kampagne „Runterdrehen“, ein Projekt, das langfristig den Energieverbrauch an der Universität senken soll. Im Campusbetrieb ist geplant, den CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2025 um insgesamt 10% zu reduzieren. Und auch in der Forschung konnte das Büro erste Impulse setzen: Es beriet die vier Exzellenzclusterinitiativen bei der Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in ihr Clusterkonzept.

(Foto: Lilly Gothe)

Ideenwettbewerb Biodiversität Frankfurt

Über die Universität hinaus in die Stadt hinein wirkte der Ideenwettbewerb Biodiversität Frankfurt, den die Mitarbeiter*innen des Büros gestartet haben – Partner waren der Palmengarten, die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und das Umweltdezernat der Stadt Frankfurt und als Förderin die Frankfurter Sparkasse: Gesucht wurden realisierbare Projektideen, die modellhaft, kreativ und wirkungsvoll die städtische Biodiversität in Frankfurt erhalten und fördern und dabei das Gemeinwohl der Stadtgesellschaft im Blick haben. Im November hat die Jury zehn Ideen für die sogenannte “Shortlist” bestimmt. Darunter befinden sich Konzepte wie ein Tiny Forest mitten in der Stadt, Frankfurts erste PermaKulturInsel auf einem Dach und Totholz für ein lebendiges Frankfurt. Im März 2023 werden drei Ideen bei der finalen Preisverleihung mit Preisen (1. Preis: 15.000 Euro, 2. Preis: 10.000 Euro und 3. Preis: 5.000 Euro) prämiert.

Alle Projekte sowie die Preisträger des Ideenwettbewerbs werden auf der Projektwebseite vorgestellt.)

(Foto: Lilly Gothe)

Das Nachhaltigkeitsteam vertritt die Goethe-Universität auch als eine von 24 Pilothochschulen im Projekt „University Sustainability Indicator Monitoring System“ (UNISIMS), das die Technische Universität Dresden leitet: Das Projekt entwickelt einen Indikatorenkatalog, mit dem Nachhaltigkeit systematisch bewertet werden kann. So können zukünftig Reformen zur Nachhaltigkeit in allen universitären Handlungsfeldern gemessen werden. Auch diese Indikatoren werden in die Nachhaltigkeitsstrategie der Goethe-Universität einfließen.

Eines macht das Team des neuen Nachhaltigkeitsbüros allerdings immer wieder deutlich: Die Universität ist auf ihrem Weg hin zu einer nachhaltig agierenden Organisation auf das aktive Mitwirken aller Hochschulangehörigen angewiesen. Auch deshalb lud das Büro Ende November universitätsweit zu einer Auftaktveranstaltung ein. Im Zentrum der Podiumsdiskussion stand die Frage: „Wie gestalten wir gemeinsamen Wandel?“. Von nun an soll es regelmäßig Workshops zu verschiedenen Fragestellungen geben. Interesse angemeldet hat beispielsweise das Kernteam Mobilität. Es will unter Studierenden und Mitarbeitenden eine Mobilitätsbefragung durchführen.

Lilly Gothe, Nachhaltigkeitsbüro der Goethe-Universität

(Foto: Lilly Gothe)

Wie Sie mit dem Nachhaltigkeitsbüro in Kontakt kommen:

Nachhaltigkeitsbüro der Goethe-Universität
Nachhaltigkeit an der Goethe-Universität

Entwicklung der Goethe-Universität zu einer nachhaltig agierenden Universität¹

Energie- und Wasserverbrauch der Goethe-Universität² 2019 2020 2021 2022³ Δ% VJ

Energie- und Wasserverbrauch² pro bewirtschafteter Liegenschaftsnettogrundfläche

Strom (in kWh/m2)
133,8
125,5
127,5
126,1
-1,1
Kälte-/Wärmeenergie (in kWh/m²)
127,4
124,2
140,6
119,3
-15,1
Gesamtenergieverbrauch für Strom, Wärme und Kälte
261,21
249,64
268,07
245,36
-0,1
Wasserverbrauch pro bewirtschafteter Liegenschaftsnettogrundfläche (in m³/m²)
0,54
0,45
0,39
0,55
39,2

Treibhausgasemissionen nach Greenhouse Gas Protocol 1-2⁴

aus Strom-, Wärmeverbrauch und Kraftstoffverbrauch der Dienstfahrzeuge (in t CO₂)
16.388
15.613
17.369
15.826
-8,9

¹ Die Goethe-Universität ist auf dem Weg sich zu einer nachhaltig agierenden Universität zu entwickeln. Die hier dargestellten Daten werden sukzessive um weitere Kennzahlen zur Nachhaltigkeit ausgeweitet, wenn sie
belastbar ausgewiesen werden können.

² Die Energieverbrauchsdaten sind excl. der Versorgung Dritter (z.B. MPI und Mobilfunkanlagen etc.). Die Verbräuche des Studierendenwerks sind hier jedoch enthalten. Grundlage ist der Energiebericht der
Goethe-Universität. Der Energiebericht 2022 ist noch nicht veröffentlicht. Die Daten sind vorläufig.

³ Die Daten zu Verbrauch und Emissionen 2022 sind vorläufig. Es wird mit minimalen Abweichungen gerechnet.

⁴ Das Greenhous Gas Protocol ist ein weitverbreitetes standardisiertes Verfahren zur Bilanzierung der Treibhausgasemissionen im privatwirtschaftlichen und öffentlichen Sektor. Der Standard unterteilt Emissionen in drei Geltungsbereiche (Scopes 1-3). Unter Scope 1 werden alle direkten Emissionen eines Unternehmens/einer Institution einbezogen (z.B. Emissionen aus dem eigenen Fuhrpark), unter Scope 2 alle indirekten Emissionen
aus eingekaufter Energie (z.B. Strom, Wärme/Kälte). Scope 3 umfasst zusätzlich die indirekten Emissionen aus vor- und nachgelagerten Prozessen (z.B. Beschaffung), die bisher an der Goethe-Universität noch nicht abgebildet werden können.

(Foto: Robert Anton)

Der Natur einfach mal was zurückgeben

Als Landschaftsarchitekt ist Robert Anton seit elf Jahren für die Pflege der Pflanzen und Tiere auf dem Unigelände zuständig. Seitdem denkt er immer ökologischer. Ein Gespräch über Nachhaltigkeit auf dem Campus.

Goethe in Progress: Wer mit Ihnen spricht, bekommt den Eindruck, dass Nachhaltigkeit auch froh machen kann. Sie sprühen nur so vor Ideen...

Robert Anton: Ich habe eben immer schon gern im Garten gearbeitet. Das fing mit fünf Jahren im Garten meiner Eltern an, in der Grundschule habe ich mich auch für den Garten interessiert, und das geht durch bis heute. Ich glaube, dass Nachhaltigkeit das Wesen eines Gärtners ist - wobei es diese Wortneuschöpfung ja damals noch gar nicht gab; heute nervt sie mich sogar schon ein wenig, weil sie ziemlich breitgetreten wird. Als Landschaftsarchitekt sehe ich es aber als meine Aufgabe an, Nachhaltigkeit umzusetzen. Dazu gehören auch ganz einfache Dinge wie das Aufhängen von Vogelhäuschen – auch das ist gelebte Nachhaltigkeit, denn die Vögel fressen Prozessionsspinner und Ungeziefer. Was ich aber sagen muss: Über die Jahre bin ich immer ökologischer denkend geworden.

Das heißt, in der Ausbildung als Landschaftsarchitekt war Naturschutz nicht immer mitgedacht?

Nein, die klassische Gartengestaltung sah früher ganz anders aus. Meistens gab es ordentliche Ziergärten, mit Rasen, mit Hecken, mit Ziergehölzen, auch nach dem Vorbild der Renaissancegärten in Italien. Seit ein paar Jahren gibt es aber einen großen Wandel. Die Landschaftsarchitekten gestalten heute viel mehr naturnahe Gärten, und Biodiversität ist in aller Munde. Ganz langsam kommt der Gedanke der Nachhaltigkeit in die Köpfe. Man versteht, dass nicht alle Wiesen gleich gemäht werden müssen, dass auch was verwildern darf. Es geht darum, der Natur einfach mal was zurückzugeben.

Stichwort Klimawandel, abnehmende Biodiversität: Wie nehmen Sie den Klimawandel auf dem Campus wahr? Hat sich Ihre Arbeit im Laufe der Zeit verändert?

Absolut. Wir können heute in Frankfurt Pflanzen auspflanzen, die vor dreißig, vierzig Jahren noch kaputtgegangen wären. Das Klima hat sich wirklich dramatisch verändert. Es ist viel, viel milder geworden. Das sieht man an den Hanfpalmen im Palmengarten – sie werden durch Wind und Tiere weggetragen, samen sich in Frankfurt aus und erfrieren gar nicht mehr.

Bei mir war es vor allem der Wissenschaftsgarten mit seinen vielen Natur- und Wiesenflächen, der mich dazu inspiriert hat, noch viel nachhaltiger zu denken. Professor Dierkes hat auf dem Riedberg zum Beispiel einen Schulgarten angelegt, der ein richtiger Naturgarten ist. Seit Beginn dieses Gartens zählt Herr Dierkes, wie die Artenvielfalt dort wächst. Auf knapp 2.000 Quadratmeter kommen inzwischen 939 Tier- und Pflanzenarten. Viele davon stehen auf der roten Liste, plötzlich tauchen diese Tiere in dem Habitat auf und fühlen sich wohl. Es ist also wichtig, dass wir nicht etwas gegen die Natur machen, sondern mit ihr wirtschaften. Deshalb ich finde es gut, dass die die GemüseheldInnen auf dem Campus einen Fleck bekommen. Und ich finde es gut, dass Leute, die sich mit Permakulturgärten beschäftigen, einen Fleck bekommen. Platz haben wir ja genug.

(Foto: Robert Anton)

Profitieren Sie auch von Erkenntnissen der Wissenschaftler?

Der Klimawandel ist ja nicht neu, aber er wird seit 2000 halt prägnant sichtbar. Zum Beispiel in unseren Gewächshäusern: Da ist es im Sommer jetzt teilweise 50 Grad heiß. Wir können durch Gießen gar nicht mehr alle Pflanzen erhalten. Und auch hier auf dem Campus sterben Bäume. Zum Teil nehme ich also die toten Bäume weg, zum Teil lasse ich sie liegen, damit sie als Totholz verrotten. Und dann pflanze ich Bäume, die das zukünftige Klima hoffentlich gut aushalten. Die Entwicklung verläuft dabei relativ logisch: Wenn es wärmer wird, bewegen sich die Pflanzen aus dem Süden nach Norden, wenn es kälter wird umgekehrt. Die Vegetation stellt sich von alleine um.

Die Wissenschaftler können uns Landschaftsgärtnern aber schon helfen und Tipps geben, damit Bäume gepflanzt werden, die unseren genetisch näher sind und damit auch nützlich für die Tierwelt. Der chinesische Götterbaum zum Beispiel wächst hier wunderbar, aber er ist für unsere Tierwelt komplett wertlos. Die mediterranen Eichen sind aber unseren Eichen sehr ähnlich, manche kann man fast gar nicht unterscheiden. Professor Brüggemann denkt über solche Themen schon seit mindestens 25 Jahren nach. Und natürlich halte ich mich auch an die Forschung, die den „Wald der Zukunft“ im Wissenschaftsgarten gestaltet. Hier vom dem PA-Gebäude (Gebäude „Präsidium und Administration“, Red.) habe ich zum Beispiel vier esskastanienblättrige Eichen gepflanzt. Sie halten die Hitze, die nachmittags als Rückstrahlung von dem Gebäude kommt, wunderbar aus.

Sie sind auf dem Campus sehr aktiv in Sachen Dachbegrünung. Bei der Fassadenbegrünung...

...da läuft im Moment gar nichts. Die Dächer auf dem Campus Westend haben wir aber extensiv begrünt und sind dabei, diese extensiven Dachbegrünungen einfach wachsen zu lassen, wie sie wachsen. Wir machen nur die Wege frei, wenn zum Beispiel Bäume in die Abflüsse und die Abdichtungen wachsen. Manches würden wir heute allerdings anders pflanzen – auf dem Gebäudedach der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften gibt es zum Beispiel vor allem Lavendel, heute würden wir da Pflanzen ergänzen...

Und ja, was soll ich zur Fassadenbegründung sagen? Es gibt Dinge, die werden oft von den Architekten nicht gewünscht. Sie wollen ihre Gebäude nicht begrünt haben. Ich kann das verstehen, aber ich würde mir schon wünschen, dass wir in Zukunft auch Gebäude begrünen können, dass die Architekten also ein bisschen umdenken. Pflanzen verhindern zum Beispiel die Aufheizung, bilden Habitate für Vögel und Insekten. Es gibt auch spezielle Glasscheiben, die Einlagerungen haben, die die Vögel sehen können, damit sie nicht wie zum Beispiel beim Biologicum am Riedberg an den Scheiben zerschellen. Einfachste Mittel sind auch, bei vorgehängten Fassenden oben einen Spalt einzuplanen; damit könnte man viele Nistgelegenheiten schaffen für Mauerbrüter, also Mauersegler, Schwalben und Fledermäuse. Ein anderes Beispiel: Da wo ich die esskastanienblättrigen Eichen gepflanzt habe, saßen vorher Traubenkirschen, die im feuchten Auenwald wachsen...

...den es hier nie gab...

...eben, das hat ein Planungsbüro geplant, das sicherlich niemals auf diesem Gelände war. Es ist ein wunderschöner Baum, der aber hier gar nicht wachsen kann. Aber natürlich haben sich auch Vegetationszeiten auch geändert. Die Gegensätze zwischen Trockenheit und viel Regen werden extremer, das macht den Pflanzen zu schaffen.
Robert Anton ist Landschaftsgärtner und Technischer Leiter des Wissenschaftsgartens und der Außenanlagen der Goethe-Universität

(Foto: Uwe Dettmar)

Gibt es Projekte, auf die Sie besonders stolz sind?

Ich bin eigentlich auf alle Maßnahmen stolz. Mir macht es besonders viel Spaß, diesen denkmalgeschützten Campus mitgestalten und klimaresilient machen zu können. Denn ich sehe es als meine Aufgabe an, alles, was gerade negativ verläuft, durch neue Baumpflanzungen auszugleichen, damit der Campus schön grün wird. Damit er viel Grünmasse hat. Das Grün ist ja auch der Schönheit des Campus maßgeblich zuträglich, nicht die Gebäude...

Die Architekten würden jetzt sicher protestieren...

Na ja, ein guter Architekt hat immer einen Landschaftsarchitekten bei der Hand, beide gehören nun einmal zusammen. Das ist der ewige Twist zwischen Landschaftsarchitekten und Architekten. Den sehen Sie auch an den Innenhöfen: Sie sind mit vielen Schattenpflanzen bepflanzt worden; im Sommer, wenn die Sonne sehr steil steht, verbrennen sie aber. Da müssen eben andere Pflanzen hin.

Schönheit ist für Sie auch ein Kriterium – neben der Nachhaltigkeit?

Absolut. Ich möchte zum Beispiel gern dem Wissenschaftsgarten eine schöne Gestalt geben. Einiges habe ich schon verändert, indem es kleine Mauern gibt, auf die man sich setzen kann. Die Wissenschaftler brauchen das nicht unbedingt, nehmen es aber doch als etwas Schönes sehr wahr. Auch Leute, die keine Ahnung von Gestaltung haben, erkennen Schönes sehr schnell. Dann wird ein Garten als ein Raum wahrgenommen, in dem ich mich wohlfühle. Ein Garten darf nicht aufregend sein, er muss beruhigend sein.

Die Campi sind also für Sie ein großer Garten?

Der Campus ist für mich ein großer Park, eine Parkanlage.

Sie gehen regelmäßig durch diese Parkanlage und gucken in alle Ecken?

Ich bin jede Woche an jedem Campus. Dann gehe ich mit einem Mitarbeiter über das Gelände und wir überlegen: Welche Probleme gab es während der Woche, welche Bäume wollen wir pflanzen, wie machen wir das mit der blauflügeligen Ödlandschrecke...?

Das mit der blauflügeligen Ödlandschrecke müssen Sie jetzt erklären...

Es gab einmal die Auflage der Stadt, an Orten, an denen es diese Schrecke gab, ein Habitat einzurichten, wenn dort ein Gebäude gebaut wird. Wir haben solche Habitate und haben dann nach einiger Zeit untersuchen lassen, ob die Ödlandschrecke überhaupt noch im Habitat lebt. Das Ergebnis war: Sie gibt es noch – und zwar reichlich. Und dazu noch andere Schreckarten. Deshalb haben wir an die Habitate nochmal Schotter hingeworfen. Den brauchen Schrecken eben.

Gibt es noch Ideen und Lieblingsprojekte, die Sie unbedingt noch verwirklichen wollen?

Ich möchte weiter die Bäume unter Beobachtung haben, damit wir einen guten, kräftigen Bestand entwickeln. Und ich wünsche mir mehr Wildnis, Bereiche, an denen man nichts mehr machen muss. Zum Beispiel beim Vorgarten vor dem IG-Farben Haus – mit 30.000 Quadratmetern sind diese Wiesen übrigens der größte Vorgarten Frankfurts. Östlich dieser Wiesen steht ein Eibenwald mit fast hundertjährigen Eiben. Weil es in unseren Wäldern kaum noch Eiben gibt – sie wurden alle abgeholzt -, haben wir auf dem Campus eine der größten zusammenhängenden Eibenkolonien weit und breit. Wenn man dort reingeht, ist es dunkel und kühl – eine tolle Anmutung.

(Foto: Robert Anton)

Die Uni ist ja keine Insel – stehen Sie mit der Stadt im Austausch? Greifen Sie untereinander Initiativen auf?

Ja, ich stehe mit der Stadt immer in Verbindung, auch mit denjenigen, die mit Bäumen zu tun haben. Ich muss ja auch die Fällanträge bei der Stadt stellen. Und jeder Baum der gefällt wird, muss auch ersetzt werden, lautet eine Vorgabe der Stadt. Ich ersetze aber immer doppelt so viele Bäume. In den letzten Jahren habe ich etwa 120 Bäume auf dem Campus gepflanzt.

Doppelt ersetzen heißt – dieses kleine persönliche Plus für die Umwelt kommt von Ihnen?

Ja. Man lässt mir hier Spielraum. Das ist schön. Wir wollen jetzt zum Beispiel auf dem Campus auch eine Klotzbeute aufhängen, die mein verstorbener Kollege Peter Paul noch hergestellt hat. Das ist ein ausgehöhlter Stamm, in dem Wildbienen nisten können. Irgendwann werden wir ihn in einen Baum hängen. Außerdem haben wir auch einen Tiny Forest vor. Beim Gebäude der Rechts- und Wirtschaftswissenschafter kann ich mir zum Beispiel vorstellen, etwas wildern zu lassen. Da gibt es ja sehr viele Wiesenflächen, die nur zweimal im Jahr gemäht werden. Das sind sogenannte Glatthaferwiesen. Auch in der Umgebung des Adorno-Kubus will ich bald nicht mehr mähen und die Blätter liegenlassen, damit sich eine Art Waldvegetation entwickelt. So eine Entscheidung stimme ich nicht großartig ab. Das Vertrauen ist ja da. Außerdem ist eine Waldvegetation eher billiger als andere Maßnahmen.

Die Akzeptanz für solche verwilderten Wiesen ist inzwischen da?

Es gibt natürlich auch Leute, die eine artenreiche Wiese als unordentlich empfinden. Auch deswegen rufen mich ständig Leute an und äußern Lob, aber auch kritische Gedanken. Studenten, die zum Beispiel fragen, warum im Sommer der Rasen verbrennt. Dann erkläre ich denen, dass ich zwei Millionen Liter Wasser pro Woche auf die Flächen geben müsste, damit der Rasen grün bliebe. Und dann gibt es natürlich die Anrufer, die wegen der Nachhaltigkeit hinter mir her sind. Ich kann mir übrigens auch den Campusplatz vor dem Hörsaalgebäude auf dem Campus Westend grün vorstellen...

Wie könnte das aussehen?

Da könnten drei schöne, großwerdende Bäume stehen. Mit Bäumen hätte der Platz vor dem Hörsaalgebäude meiner Meinung nach eine ganz andere Qualität – er wäre wie ein schön eingerichteter Raum. Ich stelle mir also vor, da Bäume und unter die Bäume Waldgräser zu pflanzen und dann Sitzbänke dazu zu stellen. Dann könnte der Wind durch die Bäume gehen, was noch ein schönes Geräusch gäbe. Für den Platz fände ich das absolut positiv. Deshalb werde ich diese Idee nie ad acta legen.

Die Fragen stellten Lilly Gothe und Katharina Forster
vom Büro für Nachhaltigkeit und Pia Barth.

Im UniReport begrüßte Universitätspräsident Enrico Schleiff alle Studierenden zum Sommersemester – auf Ukrainisch (Foto: Pia Barth)

Helfen statt zuschauen

Auf den Ukraine-Krieg hat die Goethe-Universität mit kurzfristigen Hilfen für Studierende und Forschende reagiert – zum Beispiel mit wissenschaftlichen Kooperationen und dem zentral aufgelegten Goethe-Ukraine-Fonds.

Die Sorgen, die der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine in Europa ausgelöst hat, waren an der Goethe-Universität von Anfang an auch an ganz persönlichen Schicksalen erlebbar. In Frankfurt eingeschriebene Studierende aus der Ukraine mussten auf einmal befürchten, zum Kriegsdienst eingezogen zu werden. Die plötzliche Not ihrer Familien zuhause in der Ukraine führte zum Stopp von Überweisungen für die Studienfinanzierung. Russische und belarussische Studierende wurden durch das Embargo ebenfalls von Überweisungen ihrer Familien abgeschnitten. Hinzu kamen zahlreiche neue Studierende, die vor dem Krieg nach Deutschland geflohen waren. Gleichzeitig erfuhren Wissenschaftler*innen von Kolleg*innen in der Ukraine, die plötzlich um ihr Leben fürchten müssen.

Beratungsstellen an der Goethe-Universität, vom Studierendenwerk und den Hochschulgemeinden reagierten schnell, versuchten Sorgen aufzufangen und seelischen Beistand zu leisten. Die Goethe-Universität entschied sich zudem sehr bald, aktiv zu helfen – zentral, indem ein Goethe-Ukraine-Fonds aufgelegt wurde, sowie mit Einzelinitiativen, wie zum Beispiel mit wissenschaftlichen Kooperationen.

Die Goethe-Universität war einer von sechs Standorten in Deutschland, an dem virtuelle Abschlussprüfungen für junge Menschen aus der Ukraine durchgeführt wurden (Foto: Isabelle Hammerschmiedt)

Ukraine Hilfen: Eine Zwischenbilanz Ende 2022

Stadtgesellschaft und Uni-Community haben unterstützt

Andreas Eckel, Leiter des Büros Private Hochschulförderung

»Einen guten Weg zu finden, wie wir als Goethe-Universität Menschen aus der Ukraine und anderen vom Krieg Betroffenen effektiv helfen können, ging nicht von heute auf morgen: In den ersten Wochen gab es immer wieder politische Entscheidungen, die den Handlungsrahmen veränderten. Für uns war es wichtig, dass klare Rahmenbedingungen festgelegt waren, bevor wir auf unsere Förderer zugehen konnten. Als die Zielsetzung für den Goethe-Ukraine-Fonds dann feststand, ging es schnell: Beim Spendenaufruf konnten wir von den Strukturen profitieren, die wir für den Goethe-Corona-Fonds aufgebaut hatten. Die schöne Summe von einer Viertelmillion Euro für die Ukraine-Hilfe ist zusammengekommen – das ist auch von daher bemerkenswert, weil uns immer klar war, dass humanitäre Hilfe natürlich erst einmal einen höheren Stellenwert hatte. Ich bin immer wieder erfreut über die Bereitschaft in der Stadtgesellschaft, aber auch innerhalb der universitären Gemeinschaft, solche Aktivitäten zu unterstützen: Immerhin knapp 20 Prozent der Spenden kamen von Mitarbeitenden der Goethe-Universität. Die Jones Day Foundation hat zum Beispiel schnell gehandelt und Deutschland- sowie Perspektivenstipendien für Studierende aus der Ukarine, gespendet. Auch das Darmstädter Unternehmen Merck half sofort und unkompliziert: Als an der Goethe-Universität – wir waren einer von sechs Standorten in Deutschland – virtuelle Abschlussprüfungen zum Ende der Schullaufbahn von jungen Menschendurchgeführt wurden, war dies nur durch die finanzielle Unterstützung des Wissenschafts- und Technologieunternehmens Merck möglich. Und das sind nur ein paar Beispiele.

Förderung für internationale Studierende in Not und das Academic Welcome Program

Sybille Blöcker, Gruppe Karriere, Stipendien und Preise, und Dr. Susanne Jauernig, Gruppe Studienerfolg und Integration, beide Bereich Studium Lehre Internationales

»Bei Kriegsausbruch am 24. Februar war völlig unklar, wie es mit den Studierenden hier weitergeht. An der Goethe-Universität gab es den starken Wunsch etwas zu tun; nicht nur zuschauen zu müssen, wie der Krieg gegen die Ukraine auch in Frankfurt Menschen in ihrer Existenz bedrohte. Das Konzept für ein aus dem Goethe-Ukraine-Fonds finanziertes Stipendienprogramm haben wir in recht kurzer Zeit auf die Beine gestellt, nachdem die Rahmenbedingungen schließlich feststanden. Über den Goethe-Ukraine-Fonds unterstützen wir jetzt zum einen vor allem betroffene Studierende, die schon länger an der Goethe-Universität sind und ihr Studium hier bald beenden möchten – mit dem Perspektivenstipendium erhalten sie für ein Semester 400 Euro monatlich. Am 15. Oktober konnten jetzt erstmals die Auszahlungen für die 20 Stipendiat*innen getätigt werden.

Die Studierenden, die sich für das Perspektivenstipendium bewarben, sind gewissermaßen nachträglich zu Geflüchteten geworden beziehungsweise durch den Krieg in eine schwierige Situation geraten. Das bedeutet für sie zum Beispiel, dass sie von Geldflüssen aus ihrer Heimat abgeschnitten sind. Weil dieser Punkt genauso für russische und belarussische Studierende gilt, konnten diese sich ebenfalls für das Programm bewerben. Da es sich um ein Stipendium handelt und um keine Nothilfe, sind bestimmte Voraussetzungen zu erfüllen, wie gute Leistungen innerhalb der Regelstudienzeit. Dazu muss man wissen, dass internationale Studierende ca. 10.000 Euro auf einem Sperrkonto gegenüber der Ausländerbehörde nachweisen müssen; ansonsten verfällt ihr Aufenthaltsstatus. Diese Regelung wurde mittlerweile für die ukrainischen Studierende für zwei Jahre ausgesetzt: Diese können Sozialleistungen in Deutschland beziehen, wenn sie ihren Aufenthaltsstatus wechseln, müssen dann aber auch dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen – und können dann gegebenenfalls nicht zu Ende studieren.

Die Schilderungen der Stipendien-Bewerber*innen sind uns oft sehr nahegegangen. Die persönlichen Schicksale machen greifbar, worum es geht. Die Studierenden schreiben von den Vätern, die an die Front mussten; von den Familien, die teils geflüchtet sind. Leider können wir nicht alle Bewerber*innen unterstützen. Wir verweisen deshalb Studierende, die bei uns anfragen, auch an andere Stellen, bei denen sie sich ebenfalls um finanzielle Unterstützung bewerben können. Gleichzeitig ist es sehr beeindruckend zu erleben, wie engagiert unsere Studierenden sind: Sie übersetzen, haben eigene Projekte gestartet. Und uns bewegende Rückmeldungen gegeben. Eine Äußerung wie ›Danke, dass Sie als Goethe-Universität diese Hilfe möglich machen – wenn jemand anders die Unterstützung mehr benötigt als ich, ist das auch okay‹ – haben wir mehr als einmal gelesen.«

Julia Jochim, Academic Welcome Program, Bereich Studium Lehre Internationales

»Seit Ende April und vor allem im Mai wurden insgesamt 49 ukrainische Geflüchtete in die Deutschkurse am Internationalen Studienzentrum aufgenommen; im Oktober sind weitere 34 ukrainische Geflüchtete dazugekommen. Für das Wintersemester haben uns gut 150 Bewerbungen von ukrainischen Geflüchteten erreicht. Das Academic Welcome Program for highly qualified refugees hat für diese Zielgruppe zusätzliche Deutschkurse auf A1- und A2-Niveau eingerichtet, die wegen der Förderung durch das DAAD-Progamm Integra für Geflüchtete noch zunächst bis Ende 2023 kostenlos sind. Zum Start erhalten die Geflüchteten mit Beginn des Wintersemesters sogenannte Welcome Pakete, als Zuschuss zu Fahrtkosten und Deutschlernmaterialien. Dies wird ermöglicht durch Mittel aus dem Goethe-Ukraine-Fonds. Weitere Erleichterungen sollen folgen.«

Auf Zeit gemeinsam forschen – in Sicherheit

Prof. Dr. Birgit Emich, Historisches Seminar, Fachbereich Philosophie und Geschichtswissenschaften

»Die Ukraine ist ein hochinteressantes Land für unsere Forschung zur Vielfalt des vormodernen Christentums. Nach der Besetzung der Krim war ich erstmals 2015 dort und habe Odessa besucht. Seitdem fasziniert mich das Land und seine Geschichte. Als dann unsere DFG-Kollegforschungsgruppe ›Polyzentrik und Pluralität vormoderner Christentümer‹ bewilligt wurde, entstand schnell die Idee, einen Ukraine-Schwerpunkt für das POLY-Programm zu schaffen. Im jetzigen Wintersemester wollten wir eigentlich eine Studienreise in die Ukraine unternehmen – das kam aus den bekannten Gründen nicht mehr zustande. So entstand die Idee, es ukrainischen Kolleg*innen mit Forschungsstipendien ermöglichen zu wollen, zu uns nach Frankfurt zu kommen. Sehr hilfreich war dabei der Kontakt zu einer Kollegin von der LMU in München, Iryna Klymenko, mit der wir schon länger im Austausch sind und die die Forschungslandschaft in der Ukraine ausgezeichnet kennt. Tatsächlich haben wir dann viele einschlägige Bewerbungen erhalten von Wissenschaftler*innen, die wirklich jene Themen bearbeiten, die auch für uns von Interesse sind. Drei Wissenschaftlerinnen sind bisher zu uns nach Frankfurt gekommen und teils auch noch hier. Drei weitere Stipendien haben wir an männliche Kollegen vergeben, die in den ersten Monaten aber noch nicht zu uns reisen konnten. Hier hat sich die Lage mittlerweile geändert: In den nächsten Tagen können wir hoffentlich die ersten beiden dieser Kollegen in Frankfurt begrüßen. Um die Zeit der Fellowships verlängern zu können, haben wir bei der Gerda-Henkel-Stiftung eine Zwischenfinanzierung beantragt – das hat großartig funktioniert. Mittlerweile haben wir für fünf Fellows zusätzliche Mittel von der Deutschen Forschungsgemeinschaft erhalten, um deren Aufenthalt und Forschungstätigkeit für zwei Jahre in Frankfurt finanzieren zu können. Einen ersten Eindruck, was die Menschen erlebt haben müssen, bekamen wir, als die Frauen im März mit ihren Kindern und einem kleinen Köfferchen auf einmal in Frankfurt standen.«

Über die ukrainische Historikerin und Stipendiatin Svitlana Potapenko lesen Sie hier.

Als Fellow eine Bereicherung: Die ukrainische Historikerin Svitlana Potapenko ist als Stipendiatin zu Gast an der Goethe-Universität (Foto: Dirk Frank)

Zwischenbilanz der Goethe-Ukraine-Fonds

Der Goethe-Ukraine-Fonds war ein zeitlich befristeter Hilfsfonds, für den die Goethe-Universität nach Kriegsausbruch im April 2022 bestehende Förderer*innen, Mitarbeitende und Alumni um Spenden gebeten hat. So konnten zeitnah und unbürokratisch Projekte realisiert werden, um die Folgen des Krieges abzumildern. Dies geschah beispielsweise durch ein Perspektivenstipendium für Studierende aus den vom Krieg betroffenen Ländern. Das Academic Welcome Program bot zusätzlich Sprachkurse auf akademischem Niveau an. Im Sommer 2022 wurde es Abiturient*innen aus der Ukraine an der Goethe-Universität ermöglicht, ihr Abitur abzulegen, und die psychotherapeutische Beratungsstelle hat im 2022 Erstberatung für Geflüchtete aus der Ukraine angeboten. Weitere Projekte wurde auch noch im Folgejahr durchgeführt wie die Summer School für Medizinstudierende aus der Ukraine oder das Projekt „Start ins Deutsche“, bei dem Studierende der Goethe-Universität ehrenamtlich Deutschunterricht für Geflüchtete geben. Insgesamt sind bis zum Projektende des Goethe-Ukraine-Fonds Januar 2024 403.346 Euro an Spenden von insgesamt ca. 200 Förderern zusammengekommen.

Innovationen schaffen

Von Deutschland aus Innovationen schaffen: Das ist das Ziel der Bundesagentur für Sprunginnovationen, kurz SPRIND, die dazu Menschen mit herausragenden Ideen, Fachexpertise und Leidenschaft aus Wissenschaft und Wirtschaft verbindet. Das Team „RNA-DRUGS“ wurde 2022 zum zweiten Mal von SPRIND gefördert. Um antivirale Wirkstoffe zu entwickeln, die an die Struktur des Erbguts von COVID-19 ansetzen, erhielt „RNA-DRUGS“ 1,4 Millionen Euro.

Eine mögliche Achillesferse des SARS-CoV-2-Virus ist die dreidimensionale Struktur seines RNA-Erbguts. Diese RNA besitzt nicht nur die Baupläne für die Virusproteine, sondern koordiniert auch den Lebenszyklus des Virus und damit letztlich die Reifung neuer Viruspartikel in der menschlichen Wirtszelle. Wie diese dreidimensionalen Steuerungsstrukturen aussehen, hatte bereits das COVID-19-NMR-Korsortium um Prof. Harald Schwalbe von der Goethe-Universität herausgefunden. Diesem internationalen Forschungsverbund zur Strukturaufklärung von SARS-CoV-2-Proteinen und -RNA gehören die Goethe-Universität, Philipps-Universität Marburg und LMU München mit Industriepartnern an.

Das Team RNA-DRUGS nutzt nun diese Erkenntnisse, um Hemmstoffe mit einer geringen Molekülmasse zu identifizieren: Diese können die SARS-CoV-2-Vermehrung stoppen, indem sie sich an die virale RNA binden. 2021 entwickelten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – finanziell unterstützt durch SPRIND – dazu ein mehrstufiges Testsystem. In diesem System werden Substanzbanken durchforstet, Bindungsparameter bestimmt und in Zellkultur-Experimenten die Wirksamkeit und die Verträglichkeit der Substanzen untersucht. Das RNA-DRUGS-Team konnte so mehrere Molekül-Kandidaten identifizieren, die ein gutes Wirkprofil besitzen und als Kandidaten für präklinische Studien infrage kommen könnten.

Das Projektteam „RNA-DRUGS“: (von links oben) Prof. Harald Schwalbe, Prof. Sandra Ciesek, Prof. Julia Wiegand, Prof. Daniel Merk, Dr. Marcel Blommers; (von rechts oben) Peter Maas, Prof. Michael Göbel, Prof. Franz Bracher, Dr. Andreas Schlundt, Dr. Martin Raditsch.

Projektleiter Prof. Harald Schwalbe von der Goethe-Universität erklärt: „Weil wir sehr gut verstehen, wie die Hemmstoffe an die virale RNA binden, können wir die aussichtsreichsten unserer Kandidaten bald sehr gut optimieren. Gleichzeitig arbeiten wir weiter an unserem Testsystem. Dieses wird auch in Zukunft wichtig sein, wenn wir Anti-RNA-Wirkstoffe gegen Varianten von SARS-CoV-2 oder gegen andere RNA-Viren entwickeln wollen. Die dreidimensionalen RNA-Strukturen, die wir im Fokus haben, sind bei verschiedenen RNA-Viren sehr ähnlich und selten von Mutationen betroffen, was sie zu einem lohnenden Ziel für die antivirale Medikamentenentwicklung macht.“

SPRIND ist eine Tochtergesellschaft der Bundesregierung und hat die Aufgabe, bahnbrechende Innovationen zu identifizieren, zu entwickeln, zu finanzieren und zu skalieren. Auf die Ausschreibung „Challenge: Ein Quantensprung für neue antivirale Mittel“ hatten sich 45 Projektteams beworben, neun wurden durch eine internationale Jury aus Fachleuten zur Förderung für das erste Jahr ausgewählt. Die Projekte sind auf drei Jahre angelegt, werden aber jährlich evaluiert. Im zweiten Jahr wurden nur noch sechs Projektteams gefördert. Höchstens vier Projektteams bleiben im dritten Jahr übrig, die dann einen Proof-of-Concept in einem relevanten biologischen Modell durchführen müssen.

Projektpartner des SPRIND-Projekts „RNA-DRUGS“ sind:

Goethe-Universität
Prof. Dr. Sandra Ciesek, Institut für Medizinische Virologie, Universitätsklinikum Frankfurt
Prof. Dr. Michael Göbel, Institut für Organische Chemie und Chemische Biologie
Dr. Andreas Schlundt, Institut für Organische Chemie und Chemische Biologie
Prof. Dr. Harald Schwalbe, Institut für Organische Chemie und Chemische Biologie (Projektleitung)

Ludwig-Maximilians-Universität München
Prof. Dr. Franz Bracher, Department Pharmazie
Prof. Dr. Daniel Merk, Department Pharmazie

Philipps-Universität Marburg
Prof. Dr. Julia Weigand, Institut für Pharmazeutische Chemie

INNOVECTIS, Frankfurt
Dr. Martin Raditsch, Geschäftsführer

Saverna Therapeutics,Basel
Dr. Marcel Blommers, Chief Scientific Officer

Specs, Zoetermeer
Peter Maas, (B.AS)

Große Geräte für die Forschung an kleinsten Molekülen: Dr. Martin Hengesbach (links) und Dr. Andreas Schlundt haben mithilfe eines Kernspinresonanz-Spektrometers an der Goethe-Universität unter anderem Proteinstrukturen von SARS-CoV-2-Proteinen bestimmt (Foto: Uwe Dettmar/Goethe-Universität)

Von Fließbandforschung und Einzelkämpfern

Der Chemiker Harald Schwalbe leitete ein internationales Konsortium zur Forschung an SARS-CoV-2. Ende 2022 wurde es trotz seiner guten Ergebnisse aufgelöst – damit aus Substanzkandidaten Wirkstoffe werden können.

Goethe in Progress: Herr Professor Schwalbe, als Deutschland im März 2020 wegen des Corona-Lockdowns stillstand, starteten Sie ein großes Forschungsprojekt zu SARS-CoV-2 und riefen das COVID-19-NMR-Konsortium ins Leben. Die zwischenzeitlich rund 240 beteiligten Forscherinnen und Forscher aus 18 Ländern wollten mit Hilfe der Kernspin-Resonanz-Spektroskopie (NMR) Strukturen des Virus aufklären und damit bestimmen, wie Atome und Moleküle in den Proteinen und im RNA-Erbgut des Virus angeordnet sind. Warum ist es wichtig, das zu wissen?

Harald Schwalbe: Wenn man die Struktur des Erregers in allen Details kennt, kann man versuchen, sehr gezielt Moleküle zu finden, die an entscheidenden Stellen der SARS-CoV-2-Proteine oder der Virusgenom-RNA binden und dadurch die Vermehrung des Virus stoppen. Das Virus ist vergleichsweise klein: Es hat nur 27 Proteine und 15 relevante RNA-Abschnitte, die das Infektionsgeschehen steuern. Unser Konsortium hatte sich vorgenommen, zunächst die RNAs sowie die Proteine aufzureinigen und ihre Strukturen über NMR zu bestimmen und dann Substanzbanken kleiner Moleküle danach zu durchsuchen, welche von ihnen an welche Substrukturen der viralen RNAs oder Proteine binden.

Mit Beginn der Pandemie haben sich weltweit Forscherinnen und Forscher intensiv mit SARS-CoV-2 beschäftigt. Um schnelle Erfolge in der Entwicklung von Medikamenten zu haben, fokussierten sich die meisten allerdings auf wichtige Proteine wie das Spike-Protein oder ein Enzym namens Hauptprotease, das zentral für die Reifung der Viruspartikel in der Zelle ist und gegen das auch der Wirkstoff Paxlovir erfolgreich entwickelt wurde. Warum wollten Sie im Konsortium alle RNAs und alle Proteine auf einmal untersuchen?

Seit Beginn des Jahres 2022 sind bisher weltweit Strukturuntersuchungen von 2781 SARS-CoV-2-Proteinen und mehr als 60 RNA-Protein-Komplexen gemacht worden, meist mittels Kristallographie oder hochauflösender Kryo-Elektronentomographie. Doch ein ungeheuer großer Teil dieser Daten ist redundant: 900 der Untersuchungen wurden am Spike-Protein und 500 an der Hauptprotease gemacht. Eine solche Redundanz wollten wir mit Bildung des NMR-Konsortiums vermeiden. Außerdem konnten wir die Präparation der RNAs und der Viren in Laboratorien weltweit standardisieren. Damit sind die Qualität der Daten und die Vergleichbarkeit der Datensätze viel höher, als wenn das von Labor zu Labor immer ein bisschen anders gemacht wird. Gegenüber der Kryo-Elektronentomographie und der Kristallographie hat die NMR zudem den Vorteil, dass man mit ihr auch solche Proteine charakterisieren kann, die dynamisch verschiedene Strukturen annehmen. Insbesondere RNA-Strukturen, mit denen das Virus seine Vermehrung steuert, lassen sich nur über NMR abbilden. Und genau auf RNA-Forschung sind wir hier in Frankfurt spezialisiert: Seit 2000 arbeiten wir in Sonderforschungsbereichen an der Untersuchung von RNAs. Was früher als Nischenforschung angesehen wurde, ist nun in aller Munde: mRNA.

Wir wollen den Austausch zwischen Nutzer*innen, Fachbereichen, der Verwaltung und den an der Digitalisierung beteiligten Einheiten voranbringen

Und heute haben Sie im COVID-19-NMR-Konsortium ihr Ziel erreicht?

Ja, heute habe wir 22 Proteine der 27 SARS-CoV-2-Proteine – fünf hatten wir von vorneherein aus technischen Gründen ausgeschlossen – und alle RNA-Steuerungselemente zugänglich gemacht. Außerdem haben wir eine ganze Reihe an kleinen Molekülen als potenzielle Bindungspartner identifiziert. Viele Kolleginnen und Kollegen haben gesagt: „Aber wir wissen doch, dass das Virus über das Spike-Protein in die Zelle eindringt, und dass die Blockade der Hauptprotease die Virusvermehrung stoppt. Warum fokussiert Ihr Euch nicht auf diese und die wenigen anderen Proteine, die für die Virusinfektion relevant sind?“ Wir haben dagegengehalten, dass wir bislang nicht verstehen, warum zum Beispiel SARSCoV- 2 jetzt weltweit ein viel größeres Problem ist, als es SARS-CoV vor einigen Jahren war. Und dass als Nächstes vielleicht ein Virus namens SARS-CoV-3 kommt. Wir waren daher überzeugt, dass es sich lohnt, SARS-CoV-2 so genau wie möglich anzuschauen. Denn welche Proteine und RNA-Steuerelemente bei künftigen Mutationen oder neuen, ähnlichen Virusarten relevant sein werden, wissen wir heute noch nicht.
Prof. Dr. Harald Schwalbe, Goethe-Universität Frankfurt

(Foto: Jürgen Lecher)

Als Sie 2020 loslegten, herrschten strenge Kontaktbeschränkungen. Wie kann man unter solchen Umständen forschen?

Wir haben in drei Schichten rund um die Uhr gearbeitet: Montagmorgen um 7.30 Uhr haben die ersten beiden Forschenden im Labor angefangen, gearbeitet bis 14.00 Uhr und dann das Labor desinfiziert. Um 14.30 Uhr kam die zweite Schicht rein bis 22.00 Uhr, dann wurde wieder desinfiziert, und anschließend startete die Nachtschicht. Mit 30 Leuten konnten wir so alle zwei Wochen vier neue RNA-Proben sauber herstellen, die dann im NMR-Spektrometer vermessen wurden, von anderen in einem zweiten Schichtverfahren. Die NMR-Daten wurden dann in weltweiten Teams digital analysiert. Das war ein Arbeiten wie am Fließband und hat wegen unseres standardisierten Vorgehens hohe Anforderung an die Disziplin gestellt. Funktionieren konnte das nur, weil alle im Team hier in Frankfurt und bei unseren Partnern in Darmstadt extrem motiviert waren. Doch es war auch die Zeit, wo die Alternative darin bestand, zu Hause zu sitzen und sämtliche Netflix-Serien durchzuschauen. Alle, die ich gefragt habe, waren total dankbar, dass sie arbeiten konnten und haben auch die ethische Verantwortung gespürt.

Das Konsortium war sehr erfolgreich – und hat sich jetzt trotzdem aufgelöst. Warum?

Jetzt beginnt eine neue Phase: Wir arbeiten nicht mehr an allen Proteinen und RNAs gleichzeitig, wir fokussieren jetzt alle auf einzelne Proteine oder RNA-Abschnitte. Dafür braucht es keine große Gruppe mehr. Die Arbeiten des Konsortiums haben wir komplett als Open Source auf der Webpage www.covid19-nmr.de allen Forschungsgruppen der Welt zugänglich gemacht und darauf bauen auch wir selber auf. In Frankfurt haben wir mit unseren Kooperationspartnern in Marburg und München und Industriepartnern jetzt zwei Moleküle synthetisiert, die in der Zellkultur die Vermehrung von SARS-CoV-2 sehr erfolgreich hemmen. Damit daraus vielleicht einmal antivirale Medikamente werden können, die ein Unternehmen produzieren und verkaufen kann, haben wir diese Verbindungen patentiert. Wenn die Substanzen einmal in die klinische Forschung gehen sollten, müssen die klinischen Zulassungsphasen am Patienten finanziert werden. So viel Geld investiert nur jemand, der mit einem fertigen Medikament auch Gewinn erwirtschaften kann.

Es gibt es die großen gesellschaftlichen Herausforderungen, wo wir als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sozusagen kampagnenfähig sein müssen

Braucht es also die kleine Gruppe, die »wissenschaftlichen Einzelkämpfer«, genauso wie das in Open Source veröffentlichende Konsortium?

Ja, und das betrifft nicht nur Patente und die Entwicklung von Wirkstoffen, sondern auch die wissenschaftliche Karriere. Vor allem in der Grundlagenforschung sind Publikationen mit möglichst wenig Autoren wichtig, damit jemand zeigen kann: Das habe ich erreicht, das qualifiziert mich zum Beispiel für eine Professur. Auf der anderen Seite gibt es aber auch die großen gesellschaftlichen Herausforderungen, wo wir als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sozusagen kampagnenfähig sein und eine ganze andere Art von Forschung machen müssen, arbeitsteilig und standardisiert. Hier müssen wir in Deutschland noch schneller werden, um Ressourcen kurzfristig bündeln zu können. Dabei sehe ich die Art, wie große gesellschaftliche Herausforderungen identifiziert werden, durchaus kritisch. Die entsprechenden Forschungsfelder erhalten üppige Finanzierungen, wohinter auch viel Lobbying steckt. Das führt zu Fehlentscheidungen der politischen Entscheidungsträger, die Virologie Jahrzehnte lang als wenig relevant einstuften.

Wir sind dankbar, dass wir im NMR-Konsortium eine bisher nicht bekannte internationale Solidarität im Wissenschaftsbereich in der Corona-Krise erleben konnten

Und wie wird es weitergehen?

Erstmal sind wir dankbar, dass wir im NMR-Konsortium eine bisher nicht bekannte internationale Solidarität im Wissenschaftsbereich in der Corona-Krise erleben konnten. Dies ist ja keine Selbstverständlichkeit angesichts der geschlossenen Grenzen in Europa. In vielen Bereichen haben wir als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hervorragend geliefert und sind gleichzeitig noch weit entfernt vom Ziel. Denn erst jetzt sind wir in der Lage, gezielt antivirale Arzneistoffe zu entwickeln. Und genau dies machen wir in einem Leitprojekt der Bundesagentur für Sprunginnovationen, wo wir antivirale innovative Wirkstoffe gegen die SARS-CoV-2-RNA entwickeln, zusammen mit der Frankfurter Kollegin Prof. Sandra Ciesek und vielen anderen Kolleginnen und Kollegen aus Marburg und München.

Die Fragen stellte Markus Bernards. Das Interview erschien im UniReport 6.22.

Kurz & bündig: Innovationspreis

Zum ersten Mal wurde der Unibator-Innovationspreis an wissenschaftliche Projekte mit Gründungspotenzial verliehen. Drei Gewinner-Teams erhielten bei der von der Technologietransfergesellschaft der Universität Innovectis veranstalteten Verleihung Preisgelder in Höhe von 2.500, 1.250 bzw. 750 Euro sowie eine Teilnahmeberechtigung an der Goethe Startup School. 

Unibator-Innovationspreis an drei wissenschaftliche Projekte vergeben

Top 10 mit Start-ups

Mehr Start-ups an der Goethe-Universität: Die Goethe-Universität stieg erstmals unter die Top 10 der Gründungshochschulen auf und belegt dort gemeinsam mit der Humboldt-Universität zu Berlin Platz 10.

Stiftungsprofessuren decken neue Forschungsschwerpunkte ab: Was sind die zellulären Grundlagen der Gedächtnisbildung? An Honigbienen erforscht dies seit 2008 der Neurobiologe und Leiter des Instituts für Bienenkunde Prof. Dr. Bernd Grünewald auf der Stiftungsprofessur der Polytechnischen Gesellschaft (Foto: Damien Tupinier / unsplash)

Wie Stiftungsprofessuren nachhaltiger werden

Die Goethe-Universität setzt verstärkt auf eine alternative Finanzierung für Stiftungsprofessuren: Im „Endowed Chair“-Modell investieren private Geldgeber nicht direkt in eine Professur, sondern in einen Stiftungsfonds. Das hat Vorteile.

Seit die Goethe-Universität im Jahr 2008 zur Stiftungshochschule wurde – und damit an ihre Tradition als erste deutsche Stiftungsuniversität anknüpfte – ist die Zahl ihrer Stiftungsprofessuren gestiegen: 2022 wurde 24 Professuren nicht vom Staat, sondern von privater Hand finanziert, also von Unternehmen, Privatpersonen und Stiftungen. Das bringt für die Universität enorme Vorteile mit sich: Sie kann etwa schnell und flexibel ein neues Forschungsgebiet wie die Virologie fördern, eine Neubesetzung beschleunigen oder talentierten Nachwuchswissenschaftlern Perspektiven bieten.  Die Stiftungsprofessuren entlasten das Budget der Fachbereiche – und decken oft dringend benötigte Forschungsfelder ab. Das Spektrum dieser Professuren reicht derzeit von „Wirtschaftsrecht“ und „Volkswirtschaftslehre, insbesondere Monetäre Ökonomie“ über „Inklusionsforschung“ bis hin zu „Arzneimittel-Versorgungsforschung“, von „Bienenkunde“ über „Interdisziplinäre Onkologie“ bis zu „Prädiktiver Psychiatrie“. Diese Professuren sind mittlerweile fester Bestandteil der Fachbereiche – und aus deren Profil, in der Lehre wie in der Forschung, nicht mehr wegzudenken. Die Freiheit von Forschung und Lehre ist übrigens bei diesen Professuren durch die Stiftungsrichtlinie von 2008 Voll gewährleistet.

Stiftungsprofessuren haben jedoch ein Problem: Sie sind befristet, in der Regel auf zehn, manchmal auch nur auf fünf Jahre. Danach endet die Finanzierung, es sei denn, die Förderung wird verlängert oder die Universität kann die Stelle aus ihrem eigenen Budget weiterhin finanzieren.  Bei einer Besetzung von mehr als sechs Jahren muss die Universität allerdings vorab sicherstellen, dass sie die Professur im Anschluss weiterfinanziert.

Das neue Frankfurter Modell der „Endowed Chairs“ zeigt nun Möglichkeiten auf, wie Stiftungsprofessuren langfristig finanziert werden können: Das nach amerikanischem Vorbild entwickelte Modell sieht vor, dass Stiftungen, Unternehmen oder Privatpersonen nicht direkt eine Professur finanzieren, sondern ihre Mittel in einen Fonds einzahlen. Aus den Erträgen des Stiftungsfonds oder mehrerer solcher Fonds können dann die Personalkosten einer Professur dauerhaft gezahlt werden. Andreas Eckel, Leiter der Abteilung für private Hochschulförderung, erklärt: „Unser Präsident Professor Schleiff hat angeregt, verstärkt auf ein Konzept zu setzen, mit dem Forschungsgebiete nachhaltig an der Universität etabliert und finanziert werden können.“ Im Endowed Chair-Modell hat die Universität zudem nach einer bestimmten Frist die Möglichkeit, zunehmend freier über das Forschungsgebiet der Professur zu entscheiden. Dadurch können die Forschungsschwerpunkte der Professuren den aktuellen Herausforderungen sowie das Forschungsprofil der Universität angepasst werden. „Diese langfristige Förderung eröffnet uns die Möglichkeit, neue wissenschaftliche Wege zu beschreiten“, betont Universitätspräsident Prof. Enrico Schleiff.

Drei Professuren wurden bereits 2022 über das „Endowed Chair“-Modell geschaffen: Der neue Gisela und Wilfried Eckhardt-Stiftungsfonds aus dem Nachlass von Dr. Gisela Eckhardt, Alumna der Goethe-Universität, ist Grund dafür, dass die „Gisela und Wilfried Eckhardt-Stiftungsprofessur für Experimentalphysik“ ausgeschrieben werden konnte. Aus dem Stiftungsfonds für Digitale Transformation und Arbeit – er speist sich aus Mitteln der SustainableLife Stiftung (vormals ProLife Stiftung) und Frankfurter University of Labour – wird zukünftig die „Stiftungsprofessur für Soziologie mit dem Schwerpunkt Digitale Transformation und Arbeit“ finanziert. Und für die neue Lichtenberg-Stiftungsprofessur haben sich gleich vier Stiftungen zusammengeschlossen: federführend die VolkswagenStiftung sowie die Johanna Quandt Universitäts-Stiftung, die Alfons und Gertrud Kassel-Stiftung und die Dr. Rolf M. Schwiete Stiftung.

Nach dem erfolgreichen Start des „Endowed Chair“-Modell soll die Anzahl dieser Stiftungsprofessuren in den nächsten Jahren steigen.

(pb)

(Foto: Ayse Tasci / islamimbild)

Eine einmalige Plattform für Expertinnen und Experten zum Islam

Welche islamrechtlichen Fragen gibt es in akut-intensivmedizinischen Entscheidungssituationen? Und wie können Moscheegemeinden nachhaltiger wirtschaften? Zu diesen und anderen Themen forscht die Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft an der Goethe-Universität – und stellt ihre Ergebnisse für gesellschaftliche Debatten zur Verfügung. 2022 hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die Akademie zum zweiten Mal gefördert.

Die Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft (AIWG) wird bis 2027 vom BMBF mit 6,4 Millionen Euro unterstützt. Damit sieht sich die AIWG in ihrer Aufgabe bestätigt, die islamisch-theologischen Studien (ITS) im Wissenschaftssystem und Transfer zu sichern – und zwar weiterhin innerhalb der Goethe-Universität, aber verstärkt bundesweit und teilweise international vernetzt. Die Akademie versteht sich somit als zentraler Knotenpunkt für universitätsübergreifende Verbundprojekte: „Wir werden künftig auch selbst wichtige wissenschaftliche Fragen bearbeiten und den Wissenstransfer zur Gesellschaft hin noch gezielter betreiben“, erklärte AIWG-Direktor Prof. Bekim Agai. „Wir nehmen Fragen auf, die sich aus dem Leben von Muslimen in Deutschland für Muslime und Nichtmuslime praktisch ergeben und bringen diese mit der Wissenschaft in Austausch“. Wie Universitätspräsident Prof. Enrico Schleiff betonte, „konnte sich die AIWG als eine bundesweit einmalige Plattform für die Forschung und die Vernetzung von Expert*innen zum Islam etablieren. Die Weiterförderung ist zugleich Ausweis des bisherigen Erfolgs und Ansporn, die strategischen Entwicklungsziele konsequent weiterzuverfolgen“, so Schleiff. Als zentrale Säule der islambezogenen Expertise an der Goethe-Universität seien von der AIWG zudem wichtige Beiträge zu einer stärkeren Profilierung der islambezogenen Forschung an der Universität zu erwarten.

Die AIWG hatte 2022 die erste Ausgabe ihrer neuen Publikationsreihe „Praxisperspektiven“ veröffentlicht. Darin geht es um das Thema Nachhaltigkeit in Moscheegemeinden. In einer weiteren Ausgabe der Publikationsreihe beschäftigen sich der Mediziner Dr. Assem Aweimer und der Islamtheologe Prof. Dr. Serdar Kurnaz mit islamrechtlichen Fragen in akut-intensivmedizinischen Entscheidungssituationen. Muss im Islam alles Menschenmögliche getan werden, um einen kranken Menschen am Leben zu erhalten? Wann dürfen muslimische Patient*innen auf lebenserhaltende Maßnahmen verzichten? Und welche Behandlungsmethoden sind aus islamrechtlicher Sicht für Muslim*innen überhaupt zulässig? Dies sind Fragen, auf die die Ausgabe eingeht und damit einen ersten Grundstein legt für den Austausch zwischen medizinischer Praxis und Forschung sowie den islam-theologischen Wissenschaften im deutschsprachigen Raum. Ebenfalls 2022 veröffentlicht wurde eine Studie zum „Berufsfeld Islam“, gemeinsam erstellt von der Goethe-Universität mit den Universitäten Gießen und Mainz: Welchen Beruf ergreifen Absolventinnen und Absolventen der islamisch-theologischen Studien, nachdem sie ihr Studium abgeschlossen haben? Zentrale Erkenntnisse der Studie, die in der Publikationsreihe „WiFo paper“ der Akademie veröffentlicht wurde, sind: Fast die Hälfte der Absolventinnen und Absolventen ist in der Sozialen Arbeit oder verwandten Berufsfeldern beschäftigt. Weitere 40 Prozent arbeiten in pädagogischen Berufen. Kaum ein Studienteilnehmer arbeitet hingegen hauptberuflich als Imam. 

Eine Plattform für Forschung und Vernetzung von Expert*innen zum Islam: Prof. Bekim Agai leitet die Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft an der Goethe-Universität (Foto: Julius Matuschik)

In der ersten Förderphase hat die AIWG bundesweit mehr als 20 Forschungsprojekte angestoßen und finanziert. Umgesetzt wurden diese dann von muslimischen Theologen und Theologinnen aus unterschiedlichen Subdisziplinen an verschiedenen Partnerhochschulen. Auch zahlreiche Praxisprojekte zu gesellschaftlichen Themen und ein Mentoringprogramm wurden realisiert.

Ende 2021 haben erstmals sechs Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus dem In- und Ausland für sechs Monate ihr Forschungsfellowship an der AIWG angetreten. Die AIWG-Forschungsfellows arbeiten in den islamisch-theologischen Studien oder benachbarten Disziplinen.

(asa/pb)

Kurz & bündig: Meldungen

Sport-Hochschule des Jahres

Die Goethe-Universität wurde vom „allgemeinen deutschen hochschulsportverband“ (adh) zur Hochschule des Jahres 2022 gekürt: Das Team vom „Zentrum für Hochschulsport“ ist für sein innovatives und vorbildhaftes Gesundheits- und Sportprogramm und besonders für das Projekt „Active Movement Break“ ausgezeichnet worden. Damit hat das „Zentrum für Hochschulsport“ das physische, psychische und soziale Wohlbefinden der gesamten Unicommunity im Blick.  

Hochschulsport der Goethe-Universität ausgezeichnet

Ein Gespräch mit dem Leiter Martin Miecke und seinem Team vom „Zentrum für Hochschulsport“ lesen Sie hier:

„Wir müssen das Thema Gesundheit breiter denken“

Deutschlandstipendium

Das technisch runderneuerte Museum Giersch der Goethe-Universität hat mit der umfassenden Retrospektive der Frankfurter Fotografinnen Nini (1884–1943) und Carry Hess (1889–1957) wiedereröffnet.

Nach Sanierung: Wiedereröffnung des MGGU mit Werken der Fotografinnen Nini und Carry Hess 

Olympiasiegerin begrüßt

Deborah Levi, Olympiasiegerin im Bobfahren und Studentin für Grundschullehramt an der Goethe- Universität, wurde vom Präsidium empfangen. Sie ist die erste olympische Goldmedaillengewinnerin, die an der Goethe-Universität studiert.

Mit 150 Sachen durch den Eiskanal: Goldmedaillengewinnerin Deborah Levi im Interview

Instagram: Werde Lehrer in Hessen

Geflüchtete psychologisch unterstützt

Seit 2022 steuert die Goethe-Universität ein bundesweites Projekt zur psychologischen Unterstützung von Geflüchteten. Die Psychotherapie an der Goethe-Universität bietet Therapieplätze für Betroffene an.

Hilfe für traumatisierte Menschen auf der Flucht

Kinder-Uni

Mehr als 7.000 Schülerinnen und Schülern haben nach pandemiebedingter Präsenzpause wie im Audimax vom 4. -7. Oktober an der 19. Kinder-Uni teilgenommen. Auf dem Programm standen Vorlesungen zu den Themen: „Wie schließt man Frieden. Von der Schwierigkeit, einander die Hände zu reichen“, „Ins Kloster! Vom Schreiben, Spielen und Bierbrauen in St. Gallen“, „Wofür braucht ein Computer Strom? Über energiesparende Riesenrechner“ und „Was passiert beim Impfen“.

19. Frankfurter Kinder-Uni: Von Krieg und Frieden und dem Stromhunger elektronischer Geräte

Bürger-Universität

Unter dem Signet Bürger-Universität bietet die Goethe-Uni während der Semester zahlreiche Vorträge, Gesprächsrunden, Ausstellungen, Führungen und Universitätskonzerte an. Neue Formate für den Dialog mit der Stadtgesellschaft waren 2022 beispielsweise die Spaziergänge zu Kunst und Demokratie, ergänzt durch „Campus wandeln“, Spaziergänge und Ortstermine zur Nachhaltigkeit.

Kunst auf dem Campus Westend: Dialogischer Spaziergang „DenkMalDemokratie“ im Rahmen der Bürger-Universität

U3L

Die Universität des 3. Lebensalters feierte im Wintersemester 2022/23 ihr Jubiläumssemester zum 40jährigen Bestehen mit einem vielfältigen Veranstaltungsangebot.

40 Jahre U3L

Ein Ort der Entschleunigung

Das interreligiöse Haus der Stille auf dem Campus Westend wurde am 5. Oktober 2010 eröffnet. Mit coronabedingter Verspätung ist im November 2022 das 10-jährige Jubiläum mit einer Diskussionsveranstaltung begangen worden.

Einzigartiger Ort der Entschleunigung: „Haus der Stille“

Internationale Partnerschaft

Die Kanadische Universität Saskatchewan ist neuerdings Partneruniversität der Goethe-Universität: Das Engagement einzelner Wissenschaftler*innen für Nachhaltigkeit, Biodiversität und planetare Gesundheit hatte vor Jahren die kanadische Universität Saskatchewan und die Goethe-Universität zusammengebracht. Im Dezember 2022 beschlossen beide Hochschulen eine umfassende internationale Partnerschaft.

Von Frankfurt bis Saskatchewan: Gemeinsame Forschung für die Gesundheit unseres Planeten

Italienforum: RMU-gebündelt

Die Strategische Allianz der Rhein-Main-Universitäten (RMU) hat im Dezember 2022 ihr neu gegründetes RMU-Italienforum eröffnet. Das Forum soll italienbezogene Forschung an den jeweiligen Universitäten vernetzen und sichtbar machen. Dazu haben sich acht Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Rhein-Main-Universitäten aus geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern zusammengeschlossen.

Rhein-Main-Universitäten eröffnen RMU-Italienforum | Rhein-Main Universitäten (rhein-main-universitaeten.de)

30 Jahre Partner

Aus Anlass des 30-jährigen Bestehens der Partnerschaft der Université Paris Dauphine-PSL mit dem Fachbereich für Wirtschaftswissenschaften besuchte Anfang Dezember eine vielköpfige Delegation aus Paris die Goethe-Universität. Aus der Partnerschaft sind zwei Doppelstudiengänge entstanden, die ein Studium mit den Abschlüssen beider Länder ermöglichen.

344 Gesichter einer deutsch-französischen Freundschaft

Dr. Christin Siegfried

Wirtschaftspädagogin, ist erste Preisträgerin des neuen „New Horizon – Preis des Präsidenten“ der Goethe-Universität. Der Preis ist mit 5.000 Euro ausgezeichnet.

Wirtschaftspädagogin erhält ersten „New Horizons – Preis des Präsidenten“ der Goethe-Universität

(Foto: Dilok Klaisartaporn / Shutterstock)

Wie der Forschungstransfer bereichert wird

Das Institut für Wirtschaft, Arbeit und Kultur (IWAK) forscht und berät seit Jahren zu den Themen Arbeitsmarkt, Qualifizierung und Regionalentwicklung. Seit Januar 2022 gehört es der Abteilung Forschungstransfer im Bereich Research Support an.

Wie können wie Betriebe und Berufsschulen digital besser miteinander vernetzt werden? Gibt es eine Lohndifferenz zwischen Frauen und Männern? Und wie entwickelt sich die Arbeitslosigkeit in Hessen? Viele Jahre forschte das Institut für Wirtschaft, Arbeit und Kultur (IWAK) zu diesen und anderen Themen als ein Zentrum der Fachbereiche Gesellschaftswissenschaften und Geowissenschaften/Geographie. Zum Jahresbeginn 2022 wurde nun das Institut, das Anfang der 1990er Jahre von dem Volkswirtschaftler und Soziologen Prof. Dr. Alfons Schmid gegründet wurde, in die übergeordnete Abteilung Research Support und dort in den Forschungstransfer integriert. „Das Präsidium hat erkannt“, so Vizepräsident Prof. Dr. Bernhard Brüne, „dass das IWAK mit seinen wissenschaftlichen Untersuchungen und der Beratung der einschlägigen Ministerien in Hessen, Rheinland-Pfalz und im Bund einen wichtigen Beitrag der Goethe-Universität zum Wissens- und Forschungstransfer in Politik und Öffentlichkeit leistet“.

Was lag also näher, als das Institut dem Forschungstransfer im Research Support der Goethe-Universität zuzuordnen? Die Leiterin der Abteilung Dr. Sabine Monz geht davon aus, dass der neue Ort zu „Synergien und einer befruchtenden Zusammenarbeit führen wird, insbesondere mit dem Mercator Science Policy Programm“. Monz ist zuversichtlich, „dass auch die direkte Nähe zur Förderberatung einen Beitrag zur Stabilisierung und zum Ausbau der Aktivitäten des überwiegend drittmittelfinanzierten IWAK leisten wird«.

Während der Corona-Pandemie wurden die Beratung des IWAK und seine Forschungsbefunde stark nachgefragt, sein Datenmaterial wurde Grundlage für zeitnahe politische Entscheidungen. Die Pandemie hat nicht nur Arbeit durch Digitalisierung und mobiles Arbeiten stark verändert, sondern Betriebe in Branchen wie der Gastronomie oder der für das Rhein-Main-Gebiet wichtigen Messebranche oder den Tourismus in ihrer Existenz bedroht. Neue Geschäftsmodelle, neue Formen der Mitarbeiter- und Kundenbindung werden benötigt, erprobt, etabliert oder wieder verworfen. Das IWAK kann dabei nahezu in Echtzeit neue Lagen erfassen und die einschlägigen Entscheider in Politik und Verbänden informieren, da es ein großes Netzwerk mit Wirtschaftsförderern, Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften pflegt. Zudem steht es im Austausch mit anderen Arbeitsmarktorganisationen und Arbeitsmarktforscher*innen.

Neben der Politikberatung fördert das IWAK Diskurse zu aktuellen Entwicklungen zwischen Arbeitsmarktakteuren. Vielfältige virtuelle Formate, wie beispielsweise der monatliche »IWAK-Lunchtalk«, schaffen den Rahmen dafür. Allein im Jahr 2021 hat das Institut ca. 10.000 Arbeitsmarktakteure aus den entsprechenden Bereichen über virtuelle Formate erreicht.

Wie wirkt sich der demografische Wandel auf Arbeitsmärkte, Beschäftigung und Qualifizierung aus? Mit seinen Prognosen zeigt das Institut, dass insbesondere der altersbedingte Erwerbsaustritt der sogenannten Baby-Boomer immer stärker zum Hauptreiber von Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsentwicklung wird. Das IWAK dokumentiert diese Auswirkungen auf regionaler Ebene und begleitet Strategieprozesse in vielen hessischen Regionen. Dabei nutzt es unter anderem internationale Forschungsergebnisse aus dem »European Network on Regional Labour Market Monitoring«, ein Netzwerk von Arbeitsmarktforscher*innen, das seit vielen Jahren geschäftsführend beim IWAK angesiedelt ist.

Ein Spezialgebiet des IWAK ist der Arbeitsmarkt im Gesundheitsbereich: Das Institut beobachtet Entwicklungen im Bereich der Pflege- und der Gesundheitsberufe in Hessen und Rheinland-Pfalz, erstellt wissenschaftliche Studien und formuliert Handlungsempfehlungen. Aufgrund der Daten aus den Arbeitsmarktmonitoring-Systemen in Hessen und Rheinland-Pfalz werden in Ministerien Kapazitäten von Ausbildungsplätzen geplant und Strategien für die Sicherung von Fachkräften entwickelt. In keinem anderen Bundesland ist die Arbeitsmarktlage für die Pflege- und Gesundheitsberufe so transparent wie in Hessen und Rheinland-Pfalz.

Seit 2021 begleitet das IWAK zudem wissenschaftlich die hessischen Gesundheitsämter bei den Debatten um Personalsicherung. Auf der Homepage des IWAK und über seinen Newsletter können Informationen zu Themen wie Digitalisierung, Fachkräftesicherung, Lohngleichheit zwischen Frauen und Männern, Arbeitslosigkeit und Modernisierung von Aus- und Weiterbildung abgerufen werden. Eine direkte Schnittstelle zur Hochschule ergibt sich beim Thema der Studienabbrecher und der Frage, wie diese von Betrieben für die duale Ausbildung gewonnen werden können.

Ein Expertenrat aus Vertreter*innen der hessischen Wirtschaft, der bei Vizepräsident Prof. Dr. Bernhard Brüne angesiedelt ist, unterstützt die Arbeit des Instituts. Deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ist sich die langjährige Geschäftsführerin des IWAK Christa Larsen sicher, „freuen sich auf die neuen Kollegen*innen, auf neue Arbeitsfelder und neue Möglichkeiten, miteinander zu kooperieren.“

Christa Larsen und Oliver Lauxen

Sie wollen mehr über das Institut für Wirtschaft, Arbeit und Kultur (IWAK) wissen? Weiteres unter der Homepage des IWAK Frankfurt.

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