Vor zwei Jahren kam Yauheniya Zhdanovich mit einem Stipendium für ihr Masterstudium Bioinformatik aus Belarus an die Goethe-Universität. Jetzt wurde ihre Masterarbeit zur Vorhersage von Prostatakrebs-Erkrankungen mithilfe von KI mit dem ersten Preis des DMEA-Nachwuchspreises ausgezeichnet.
Es spricht einiges dafür, den Bericht über die 24-jährige Bioinformatikerin Yauheniya Zhdanovich in zwei Teilen anzulegen. Teil eins bezieht sich auf ihre Masterarbeit im Fach Bioinformatik an der Goethe-Universität, mit der sie die ärztliche Vorhersage von Prostatakrebs-Erkrankungen unterstützt und für die sie jetzt mit dem DMEA-Nachwuchspreis für Arbeiten aus dem Bereich Gesundheits-IT ausgezeichnet wurde. Yauheniya Zhdanovich hat vorab Computermathematik und Systemanalyse studiert, sich aber schon immer gewünscht, ihr Mathematik- und KI-Wissen praktisch, bevorzugt im medizinischen Umfeld, anwenden zu können. Deshalb hatte sie gleich zugesagt, als ihre Betreuer Prof. Ina Koch und Dr. Jörg Ackermann an der Goethe-Universität für die Masterarbeit eine Kooperation mit Ärzten des Universitätsklinikums vorschlugen. Wie kann eine Prostataerkrankung aufgrund von MRT-Sequenzen oder mikroskopischen Bildern von Gewebeschnitten frühzeitig erkannt werden? „Die Arbeit mit den Ärzten, das gemeinsame Suchen nach einer Lösung hat viel Spaß gemacht“, sagt Zhdanovich rückblickend. Und sie war erfolgreich: Ihre Machine learning-Programme kamen im Fall der Gewebeanalysen zu einem Ergebnis mit hoher Vorhersagekraft: Das Programm kann bösartiges von gesundem Gewebe leicht unterscheiden und somit ärztliche Diagnosen zuverlässig ergänzen.
Weniger eindeutig fiel der Befund der Programme allerdings bei MRT-Sequenzen zur Diagnose von Prostatakrebs aus, die die Entnahme von Gewebeproben überflüssig machen würden. Nur mit 70-prozentiger Wahrscheinlichkeit konnten Modelle eine beginnende Krankheit identifizieren. Warum gelang es den machine learning-Algorithmen nicht, klare Muster zu erkennen? Lag es am knappen Datenmaterial, an der Fülle verschiedener Aufnahmetechniken oder dem Einsatz womöglich unterschiedlich aussagekräftiger Sequenzen der 3T-MRT-Scanner? Um die Bedeutung der MRT-Aufnahmen zu untersuchen, waren die Bioinformatikerin und das Ärzte-Team kreativ: Sie untersuchten Sequenzen von Feinschnitten sechzehn verschiedener Früchte: „Auch das Gewebe von Obst ist verschieden wasserhaltig und unterschiedlich dicht, das lässt sich auf menschliches Gewebe übertragen.“ Die Untersuchungen am „Multi-Frucht-Phantom-Modell“ brachten Klarheit: Die Stabilität der Bildeigenschaften ist stark von der verwendeten Sequenz abhängig. Deshalb schlägt Zhdanovich in ihrer Arbeit vor, sich in klinischen Studien künftig auf einige Techniken zu konzentrieren. Außerdem fand sie heraus, dass bestimmte MRT-Sequenzen weitaus stabilere Ergebnisse lieferten als andere. Zusammengenommen könnten diese beiden Ergebnisse in Zukunft den erfahrenen Blick der Ärztinnen und Ärzte bei der Diagnose durch KI unterstützen – und unnötige operative Eingriffe verhindern.
Teil zwei des Berichts über Yauheniya Zhdanovich sollte nicht unerwähnt lassen, dass die junge Bioinformatikerin aus Belarus stammt. Dort hat sie Abitur gemacht und danach Computermathematik und Systemanalyse studiert. Sieben Jahre lang besuchte sie Deutschkurse am Minsker Goethe-Institut – ein Hobby, die ihr bei der Suche nach einem Masterstudiengang mit Medizinbezug weiterhalf. Denn bei dieser Suche wurde sie zuerst nach Deutschland geleitet – und dann weiter an die Goethe-Universität. Das „Goethe Goes Global“-Stipendium ermöglichte ihr das Masterstudium Bioinformatik, das sie Ende letzten Jahres abgeschlossen hat. „Einen Plan für Deutschland gab es erst gar nicht“, so Yauheniya Zhdanovich. Gern hätte sie ihr Masterprojekt in einer Promotion an der Goethe-Universität fortgesetzt, doch es ließ sich keine Finanzierung auftreiben. Nun aber gibt es einen Plan B – oder genauer Plan D wie Deutschland: Yauheniya Zhdanovich hat eine Stelle als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Ludwig-Maximilians-Universität München gefunden und promoviert dort. Zur Goethe-Universität hält sie weiterhin Kontakt, indem sie etwa Studierende zum Bioinformatik-Studium berät, mit dem Ärzte-Team an weiteren Publikationen arbeitet und sich den internationalen Alumnis der Goethe-Uni angeschlossen hat. Nicht auszuschließen also, dass Plan D sie noch einmal nach Frankfurt führt.
Mehr über Yauheniya Zhdanovichs Masterarbeit im YouTube-Video von DMEA – Connecting Digital Health.