Corona und Studienalltag: Mehr Flexibilität, weniger »realer« Austausch

UniReport-Mitarbeiterin Natalia Zajić in der Zoom-Konferenz mit Victoria Dintelmann.

Kein gemeinsames Mittagessen im Dasein, kein Kinobesuch in der Pupille – und der letzte Kaffee im Hopplo ist auch schon eine Weile her. Spätestens im März war klar: Das Sommersemester 2020 wird anders. Corona geht herum, und wir bleiben zu Hause. Nachdem der Semesterstart auf den 20. April verschoben wurde, startete die Universität erstmals mit einem reinen Online-Angebot. Doch was bedeutet Studieren in Zeit der Pandemie? Und wie kommen die Studis mit dieser ungewohnten Situation zurecht?

Wenn Uni nach Hause verlegt wird

Da sämtliche Präsenzveranstaltungen wegfallen, werden Online-Plattformen nun zu virtuellen Dreh- und Angelpunkten des Studiums. „Normalerweise besuchen wir Vorlesungen und begleitende Tutorien. Momentan findet das meiste über Zoom statt, oder es werden vertonte Powerpoint-Präsentation auf OLAT hochgeladen“, erzählt Victoria. Sie ist vor einigen Wochen in das dritte Semester ihres Jurastudiums gestartet. „Meine erste Semesterwoche verlief überraschend gut. Die Zoom-Veranstaltungen laufen größtenteils ohne technische Schwierigkeiten ab, nur auf OLAT gab es Probleme.“

Luise, VWL-Studentin im zweiten Semester, berichtet ebenfalls von technischen Hürden: „Mein Semesterstart war etwas chaotisch. Anfangs konnte ich die Makroökonomie-Vorlesung nicht streamen, weil die Server überlastet waren.“ Das war ein Problem, mit dem wohl viele Studis in der ersten Woche konfrontiert waren. Doch die Überlastung kam nicht von ungefähr. Auf ihrer Twitterseite gab die Medientechnik der Uni bekannt, dass es in der ersten Semesterwoche ganze 232 000 Zugriffe auf die Lernplattformen gab. Hört sich nach viel an, ist es auch.

Im gesamten Sommersemester 2019 gab es vergleichsweise nur 193 000 Zugriffe. Auf die Streaming- Probleme und die Flut an Hilferufen folgten Nachtschichten der Medientechnik mit diversen Updates von OLAT und Co. So hat sich die Lage auch für Luise entspannt: „Mittlerweile funktioniert alles viel besser.“ Nun muss jeder seine gewohnte Arbeitsweise an die neuen Umstände anpassen. Die übliche Präsenzpflicht bei Seminaren fällt weg, es gibt neue Kriterien zur Platzvergabe und neue Wege des Austauschs.

Für Jonah ist es das zweite Semester seines Politik- und Soziologiestudiums, und er berichtet: „Ich konnte mir relativ schnell einen Überblick über die Anforderungen und die Arbeitsweise in diesem Semester machen. Mir ist aufgefallen, dass die Professorinnen und Professoren manchmal mehr von uns fordern, um an den Seminaren teilnehmen zu können. Zum Beispiel müssen wir jede Woche Aufgabenblätter bearbeiten und hochladen. Die Kommunikation zwischen uns Studierenden, aber auch mit den Dozierenden, läuft jetzt über OLAT-Foren.“

Am Fachbereich Medizin geht man andere Wege. Emmy, die im vierten Semester Medizin studiert und sich auf ihr Physikum vorbereitet, erzählt: „In meinem Biochemie-Seminar funktioniert die Kommunikation von beiden Seiten. Von den Teilnehmenden wird mündliche Beteiligung gefordert, und wegen der Anwesenheitspflicht muss man auch seine Kamera anlassen. Das klappt aber nur, weil wir gerade mal 20 Personen sind.“

Sozialleben trotz »Social Distancing«

Doch trotz der Zoom-Meetings und der OLAT-Foren scheint eins besonders schwer ersetzbar – der persönliche Austausch mit den Dozierenden und den Kommilitonen. „Besonders in Politik diskutieren wir viel, und meiner Meinung nach sind diese Diskussionen am produktivsten, wenn wirklich alle vor Ort sind. Die Kommunikation ist dann einfach besser und macht auch mehr Spaß.“ Mit dem Wegfallen des gewohnten Austauschs müssen auch neue Lernmethoden gefunden werden.

„Die Fächer, in denen es kaum Interaktion zwischen uns und den Lehrenden gibt, werden eine besondere Herausforderung. Aber momentan wissen wir noch nicht, welche Klausuren wir dieses Semester überhaupt schreiben. Normalerweise hängt das von den Leistungen im vorigen Semester ab, aber durch die Verlängerung der Abgabefristen für die Hausarbeiten werden wir die Ergebnisse wahrscheinlich nicht vor den nächsten Klausuren erfahren“, erklärt Victoria.

Auch Emmy muss an die Prüfungsvorbereitung denken: „Ich schreibe mein Physikum im August und denke, dass mir der persönliche Kontakt in Seminaren mit Kommilitonen und Dozierenden sehr geholfen hätte, allein, um Lerngruppen zu bilden.“ Aber für die meisten ist Uni nicht nur ein Ort zum Lernen, sondern auch ein Ort, um Freunde zu treffen und neue Bekanntschaften zu knüpfen. In Zeiten von Kontaktverboten muss man auch hier Abstriche machen.

„Ich halte über WhatsApp Kontakt zu meinen Kommilitonen, auch wenn der nicht so regelmäßig ist wie sonst. Wir haben uns teilweise auch bei der Kurswahl abgesprochen“, erzählt Luise. Das WG-Leben erleichtert Emmy die Situation: „Ich wohne mit zwei Mädels zusammen und weil wir eine WG sind, können wir noch viel zusammen unternehmen und kleinere Ausflüge machen.“

Zukunftschancen

Aber gibt es auch eine Chance, etwas Positives aus dieser Krise zu lernen? Und wird sie den Unialltag nachhaltig verändern können? „Ein großer Vorteil dieses Semesters ist, dass die Studierenden sich ihre Zeit komplett selbst einteilen können“, findet Louise. Und Victoria sieht das ähnlich: „Ich hoffe, dass Veranstaltungen auch nach Corona aufgezeichnet werden. Viele Studierende arbeiten neben dem Studium oder engagieren sich sozial. Sie wären dann weniger in ihrer Kurswahl eingeschränkt.“ Das Thema Nebenjob und soziales Engagement ist momentan besonders unter Medizinstudierenden sehr präsent.

Der Fachbereich hat ein Wahlpflichtmodul eingerichtet, in dem sich die Studierenden freiwillig zur Corona-Krisenhilfe melden können, beispielsweise als Aushilfe im Krankenhaus. „Daraufhin haben sich 1200 Studierende gemeldet, ich mich auch. Vielen von uns ist leider auch der Nebenjob weggebrochen, das trägt zur generell schon hohen Bereitschaft bei. Noch wird aber sehr wenig auf diese 1200 Studierenden zurückgegriffen. Ich selbst habe mir jetzt einen Job in einer Arztpraxis organisiert, da ich nicht erwarte, dass man mich im Uniklinikum noch brauchen wird.“

Jonahs Wunsch für die Zukunft ist simpel: „Ich hoffe, dass dieses Semester allen zeigen wird, wie schön es eigentlich ist, in die Uni gehen zu dürfen, mit allem, was dazugehört.“

Natalia Zajić

Dieser Artikel ist in der Ausgabe 3.20 des UniReport erschienen.

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