Die LED-Anzeigetafel verriet nichts Gutes: Der Flug der renommierten Anthropologin wurde infolge des Orkantiefs unwiederbringlich annulliert.“ Solche und noch kniffligere Sätze las Jurastudent Marco Hammer auf der Bühne des Casino-Festsaals mit fester Stimme den rund 170 Teilnehmern des ersten Diktatwettbewerbs an der Uni vor.
„Wer abschreibt, bekommt einen Einzelplatz auf der Bühne“, hatte er sich vorab Autorität verschafft. Dabei blickte er auf ein Publikum, das sich, ausgerüstet mit Klemmbrett und Einheitsstift, ordentlich aufgeteilt nach Fachbereichen und Karrierestufen (Studierender, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Professor) platziert hatte.
„Wir schreiben viele E-Mails, Essays, Ausarbeitungen, aber schreiben wir überhaupt richtig?“, hatte vorher das genauso charmante wie junge Moderatorenpaar Michelle Schmitz und Niklas Wolf in die Runde gefragt.
Sie alle gehören zu der Gruppe von Deutschlandstipendiaten rund um Mentor Oliver Beddies (als Projektleiter Bildung bei der Stiftung Polytechnische Gesellschaft für „Frankfurt schreibt“ mitverantwortlich) und Antje Peters (Gewinnerin des Uni-Teams beim Hessen-Finale 2014), der es zu verdanken ist, dass der stadtweite Wettbewerb der Stiftung Polytechnische Gesellschaft am 2. Juni erstmals einen uni-internen Ableger bekam.
Dass korrekte Rechtschreibung heute noch zu den Selbstverständlichkeiten an einer Hochschule gehört, galt es zu beweisen. Die Juristen schienen diese Frage vorab schon positiv beantwortet zu haben und wurden nur durch zwei Studierende vertreten, während sich die Experten aus den Sprachwissenschaften, aber auch Mediziner und Biologen recht zahlreich dem Diktat stellten.
„‚Frankfurt schreibt‘ ist eigentlich ein Schulwettbewerb, bei dem meist die Naturwissenschaftler gewinnen“, fachte der Vorsitzende der Stiftung Polytechnische Gesellschaft, Dr. Roland Kaehlbrandt, den Ehrgeiz der Fachbereiche an. Beim Vorlesen mancher Wörter und Wendungen des Diktats reagierte das Publikum gelegentlich etwas lauter mit amüsierten bis leicht gequälten Ausrufen.
Das Á-la-carte-Restaurant, der My Wasabi, vor allem aber die Zusammen- und Getrenntschreib- Regeln bei „wiedererkennbare Attribute“, „Misere gedanklich beiseitezuschieben“ oder „infolge des Orkans“ brachten auch die eloquentesten Akademiker ins Grübeln.
Studierender mit der besten Rechtschreibung
Schließlich ging es nicht nur darum, selbst möglich wenig Fehler zu machen, sondern auch im Wettstreit der Fachbereiche und der Professoren contra Studierende contra wissenschaftliche Mitarbeiter gut abzuschneiden. Und siehe da: Der Studierende mit der besten Rechtschreibung im Saal, (Carl Jamka, vergleichende Literaturwissenschaften) toppte schließlich mit nur vier Fehlern den Sieger unter den Professoren:
Tim Engartner, Fachbereich 3, mit acht Fehlern. Zur Ehrenrettung muss man allerdings sagen, dass die Professorenriege an diesem Abend sehr spärlich besetzt war. Scheuten die Kollegen etwas den Wettstreit mit Studierenden und Mitarbeitern? Denn auch die beiden Spitzenreiter im Mittelbau, Sportpädagogin Fabienne Ennigkeit und Klaus Grommet, Biowissenschaften, setzten mit nur vier Fehlern Maßstäbe.
Dass Grommet schon seit vier Jahren als Elternsprecher der Ziehenschule an „Frankfurt schreibt“ teilnimmt, hat ihn offenbar gut trainiert. Welcher Fachbereich die wahrscheinlich fehlerfreisten Hausarbeiten schreibt, konnte die Jury auch ermitteln: der Fachbereich 4 mit durchschnittlich 12 Fehlern. Die Stipendiaten warben im Vorfeld an allen Fachbereichen für die Teilnahme und führten professionell durch einen kurzweiligen Abend mit musikalischer Einlage des weiblichen Singer-Songwriter-Duos Romie.
Der Kooperation mit der Stiftung Polytechnische Gesellschaft waren attraktive Preise wie Buchgutscheine, Konzertkarten und Zeitungs-Abos zu verdanken. Vielleicht können sie etwas dazu beitragen, dass diese gemeinschaftsfördernde, weil fachbereichsübergreifende und durchaus unterhaltsame Veranstaltung noch mehr Mitstreiter findet, falls es zur Neuauflage kommt.
So menschelte es doch gewaltig, als in den Kurzinterviews nach dem Diktat Professoren und Hochschulangehörige sich etwas wanden, bevor sie ihre Fehlerzahl preisgaben. Einige machten die Rechtschreibreform für gewisse Unsicherheiten verantwortlich. Beate Firla, Projektleiterin Deutschlandstipendium sagte, dies sei das erste Diktat seit ihrer Schulzeit gewesen.
Erkenntnis des Abends: Ein bisschen Auffrischung in Sachen Rechtschreibung ist auch an einer renommierten – Achtung, immer mit zwei m schreiben! Kommt von dem französischen Wort renommée, das wiederum eingedeutscht ohne Accent aigu geschrieben wird – Universität nicht vergebens. Dazu bietet die Stiftung Polytechnische Gesellschaft auf ihrer Homepage www.dergrossediktatwettbewerb.de Tests und Echtzeitdiktate an. Auch geeignet zum Warm-Up für „Frankfurt schreibt“ oder „die Goethe schreibt“ im nächsten Jahr. [Autorin: Julia Wittenhagen]