Nachwuchs für Landarztpraxen und Gesundheitsämter: Erste 58 Medizinstudierende starten Studium nach „hessischem Weg“

Wer sich verpflichtet, nach Medizinstudium und Facharztweiterbildung in Hessen zehn Jahre als Hausärztin oder Hausarzt in einer unterversorgten Region zu arbeiten oder in einem Gesundheitsamt, kann einen Studienplatz auch ohne Einser-Abitur erhalten. Diese Regelung gilt seit Anfang 2022. Jetzt wurden in einem Festakt in Gießen die ersten 58 Studierenden der Goethe-Universität Frankfurt, der Justus-Liebig-Universität Gießen und der Philipps-Universität Marburg begrüßt. Das Besondere: Auf sie wartet innerhalb des Medizinstudiums der „hessische Weg“, auf dem sie nicht nur durch Mentoring individuell gefördert, sondern von Beginn an auch gezielt auf ihre spätere Berufspraxis vorbereitet werden.

Nach dem Festakt in Gießen: Gruppenbild mit den neuen Medizinstudierenden, die nach ihrer beruflichen Qualifikation als Landärzt:innen und in Gesundheitsämtern arbeiten werden. Foto: Rolf K. Wegst

Um dem Ärztemangel in unterversorgten Regionen entgegenzuwirken, gibt es bei der Vergabe der Medizinstudienplätze in den meisten Flächenbundesländern bereits eine Landarztquote, teilweise auch eine für den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD): Ein bestimmter Prozentsatz der Medizinstudienplätze wird an Bewerberinnen und Bewerber vergeben, die sich verpflichten – nach Abschluss ihres Medizinstudiums und einer Weiterbildung in Allgemeinmedizin, Innere Medizin oder Kinder- und Jugendmedizin oder dem Öffentlichen Gesundheitswesen – 10 Jahre lang in unterversorgen Regionen hausärztlich zu praktizieren oder in Gesundheitsämtern mit besonderem Bedarf zu arbeiten. Dafür spielt bei der Bewerbung die Abiturnote keine ausschlaggebende Rolle. Vielmehr kommt es auf die persönliche und fachspezifische Eignung an, die zum Beispiel durch eine einschlägige Ausbildung oder berufliche Tätigkeit, einen fachspezifischen Studierfähigkeitstest, ein Ehrenamt oder einen Freiwilligendienst gezeigt wird. Ob Bewerberinnen und Bewerber geeignet sind, wird in einem speziellen Auswahlverfahren ermittelt. Die sogenannte Doppel-Vorabquote – für die hausärztliche Versorgung und den ÖGD – hat das Land Hessen für das Wintersemester 2022/2023 eingeführt. Zuständige Stelle ist das Hessische Landesprüfungs- und Untersuchungsamt im Gesundheitswesen (HLPUG). Es verantwortet insbesondere Bewerbungs- und Auswahlprozesse, die Meldung an Hochschulstart zur Studienplatzvergabe und ist Ansprechpunkt für alle Belange rund um den öffentlich-rechtlichen Vertrag, den die Studierenden mit dem Land Hessen geschlossen haben.

Um den Erfolg der angehenden Ärztinnen und Ärzte nachhaltig zu sichern, haben die drei medizinführenden Universitäten in Hessen – gefördert durch die Hessischen Ministerien für Soziales und Integration sowie Wissenaschaft und Kunst – den „hessischen Weg“ erarbeitet. Die künftigen Landärztinnen und Landärzte profitieren vom innovativen Schwerpunktcurriculum „HeLaMed – Hessen.Land.Medizin“, das die Studierenden während der gesamten Ausbildung und darüber hinaus frühzeitig an den Alltag einer hausärztlichen Praxis heranführt. So absolvieren die Studierenden der Universitäten Frankfurt, Gießen und Marburg zum Beispiel schon in den ersten Semestern Praktika in hausärztlichen Landpraxen und sammeln Erfahrungen im direkten Patientenkontakt. In Seminaren lernen sie neben medizinischen und praktischen Inhalten auch, wie eine Praxis organisatorisch und wirtschaftlich geführt wird. Während des Studiums werden sie von Mentorinnen und Mentoren individuell begleitet und erfahren durch Exkursionen in verschiedene Regionen, wie Versorgungsmodelle der Zukunft aussehen. In diesem innovativen HeLaMed-Schwerpunktcurriculum gibt es an allen drei Universitäten ebenso auch begrenzte Plätze für weitere interessierte Studierende, die nicht über die Vorabquote zugelassen wurden. Ein eigenes Schwerpunktcurriculum für das Öffentliche Gesundheitswesen ist ebenso bereits in Arbeit.

Hessenweit wird das Programm fortdauernd evaluiert und die drei Standorte vernetzen – unter anderem über eigene dezentrale Videokonferenzräume – Lehrende wie Lernende in ländlichen Regionen untereinander und mit den Universitäten.

In einem Festakt an der Justus-Liebig-Universität Gießen wurden die neuen Studierenden jetzt begrüßt durch Prof. Joachim Kreuder, Leiter des Instituts für Hausärztliche Medizin der Justus-Liebig-Universität Gießen, Prof. Annette Becker, Studiendekanin und Leiterin der Abteilung Allgemeinmedizin, Präventive und Rehabilitative Medizin der Philipps-Universität Marburg, und Prof. Ferdinand Gerlach, Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin der Goethe-Universität Frankfurt und Vorsitzender des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen.

Kai Klose, Hessischer Minister für Soziales und Integration, gratulierte den neuen Medizinstudierenden in einer Videobotschaft: „Sie sind als erster Jahrgang nach einem anspruchsvollen Auswahlverfahren ausgewählt worden, um an einer hessischen Universität Medizin im Rahmen unserer neuen Landarztquote zu studieren. Darauf sind Sie hoffentlich genauso stolz wie wir auf Sie! Ihr Medizinstudium und Ihre anschließende Weiterbildung im hausärztlichen Bereich oder im öffentlichen Gesundheitswesen werden dazu beitragen, dem drohenden Ärztemangel insbesondere in den ländlichen Regionen Hessens und im öffentlichen Gesundheitsdienst entgegenzuwirken. Ihre künftige ärztliche Tätigkeit ist so auch ein wertvoller Beitrag zur medizinischen Versorgung in unserem Land.“

Prof. Ferdinand Gerlach hob die Attraktivität des Berufs hervor: „Hausärzte sind als Vertrauenspersonen nah an den Menschen und betreuen ihre Patientinnen und Patienten oft ein Leben lang. Unsere Studierenden sollen selbst erleben, wie schön dieser Beruf ist, wie viele Freiräume eine Hausarztpraxis bietet, wie gut sich Familie und Beruf vereinbaren lassen und wie erfüllend gerade eine Tätigkeit im ländlichen Raum oder im Öffentlichen Gesundheitswesen sein kann. Mit dem ‚hessischen Weg‘ wollen wir in Frankfurt, Gießen und Marburg gemeinsam dafür sorgen, dass Hessen viele hochmotivierte und bestens qualifizierte Ärztinnen und Ärzte auf dem Land und in den Gesundheitsämtern bekommt.“

Das Hessische Landesprüfungs- und Untersuchungsamt im Gesundheitswesen (HLPUG) bereitet aktuell die zweite Bewerbungskampagne zum Wintersemester 2023/2024 vor, worauf Christof Diefenbach, Direktor des HLPUG, hinweist. Vom 1. bis 28. Februar 2023 ist es dann erneut möglich, sich online im Bewerbungsportal zu registrieren und zu bewerben.

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