Interdisziplinarität und interkultureller Dialog: Der Fachbereich Katholische Theologie (FB 07) im Kurzprofil.
Die Stadt Frankfurt, wo Bankgebäude die Kirchtürme überragen, ist kein Ort, an dem man sich viel um Gott schert, könnte man meinen. Doch gerade in einer Stadt, deren internationaler Charakter das Leben der Menschen prägt und in der es über 160 Gemeinden aller Weltreligionen gibt, ist es wichtig, sich den Fragen des Glaubens zu stellen.
Für die Wissenschaftler der Katholischen Theologie, Fachbereich 07 der Goethe Universität, gehört dies zum Alltagsgeschäft. Trotz ihrer relativ jungen Geschichte – an der säkular ausgerichteten Goethe-Universität besteht die Katholische Theologie erst seit 1987 als eigenständiger Fachbereich – ist die Katholische Theologie als eine der ältesten Disziplinen fest in der Wissenschaftstradition verankert.
Doch das geschichtsträchtige Fach hat ein Selbstverständnis, das weit über die Auseinandersetzung mit der eigenen Historie hinausgeht. »Ein großes Anliegen der modernen Theologie ist, den Blick nach außen zu öffnen«, sagt Prof. Thomas Schreijäck, Dekan des Fachbereichs. »Die Vielfältigkeit der Welt auch in einer vielfältigen, interkulturell ansetzenden Theologie umzusetzen, ist uns gerade an einem Standort wie Frankfurt sehr wichtig.«
Dem interkulturellen Dialog, den die Katholische Kirche als Weltkirche seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) betont, misst auch der Fachbereich an der Goethe-Universität große Bedeutung bei. Das interdisziplinäre Forschungs- und Lehrprojekt Theologie interkulturell verdeutlicht diese Ausrichtung am eindrücklichsten.
Seit 1985 lädt der Fachbereich in jedem Studienjahr einen renommierten Theologen aus einem außereuropäischen kulturellen Kontext für mehrere Monate als Gastprofessor oder -professorin ein, um an der Goethe- Universität zu lehren und zu forschen. Theologeninnen und Theologen aus Afrika, Asien, Lateinamerika und vielen anderen Teilen der Welt waren im Rahmen des Programms bereits in Frankfurt zu Gast.
»Mit Theologie interkulturell möchten wir dafür sensibilisieren, dass Glaube, theologisches Denken und solidarisches Handeln aus religiöser Überzeugung nicht nur im westlich-europäischen Christentum gelebt werden«, sagt Schreijäck. »Wir möchten den weltkirchlichen Horizont in Forschung und Lehre einbeziehen. Mit Theologie interkulturell gelingt uns das seit 33 Jahren. Das macht uns in der deutschen Universitätslandschaft einzigartig.«
Interkulturalität und Dialog werden auch bei den Studierenden gelebt. Einmal im Jahr organisieren christliche, muslimische und jüdische Studierende auf dem Campus das Zeltcafé Café Abraham und laden zum interkulturellen und interreligiösen Dialog ein. Die Öffnung zu anderen Disziplinen ist eine Eigenschaft, die bereits im Fach selbst angelegt ist.
In den Herangehensweisen an biblische Schriften und religiöse Diskurse ergeben sich in Methodik und Fachlichkeit viele Schnittstellen mit anderen Disziplinen wie Geschichte oder Philosophie. »Die Theologie muss sich zur Interdisziplinarität nicht durchringen«, sagt Prof. Knut Wenzel, Prodekan des Fachbereichs. »Sie ist es schon aus sich selbst heraus.«
Zusammen mit dem Fachbereich Evangelische Theologie rief die Katholische Theologie den Bachelor- und Masterstudiengang Religionswissenschaft ins Leben, in dem sich Studierende konfessions- und religionsübergreifend mit Fragen der Religion und der Religionen auseinandersetzen.
In Kooperation mit der Evangelischen Theologie und dem Fachbereich Philosophie gründete die Katholische Theologie in Anknüpfung an die religionsphilosophische Tradition an der Goethe-Universität, die mit Namen wie Martin Buber, Paul Tillich und Max Horkheimer verbunden ist, das Institut für religionswissenschaftliche Forschung (IRF).
Die Katholische Theologie an der Goethe-Universität ist der einzige universitäre Fachbereich an einer staatlichen Universität in Hessen und als solcher unter anderem für die Ausbildung von Religionslehrerinnen und -lehrern aller Schulformen zuständig. Da in Frankfurt alle Disziplinen der Katholischen Theologie in Forschung und Lehre vertreten sind, kann der Fachbereich eine fachlich differenzierte Ausbildung für den Religionsunterricht garantieren.
Über den Standort Frankfurt hinaus gibt es Kooperationen mit Hochschulen wie der TU Darmstadt, an die Lehrbeauftragte zur Ausbildung von Religionslehrerinnen und -lehrern entsendet werden, sowie mit der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen zum Austausch in der Lehre und zur Betreuung von Promovenden. Schließlich nimmt der Fachbereich auch in Form von Projekten seine gesellschaftliche Verantwortung wahr.
Das an die Professur Sozialethik/Moraltheologie des Fachbereichs angelehnte Projekt Medizinische Ethik in der Klinikseelsorge ist dabei nur ein Beispiel. Durch ein einjähriges, berufsbegleitendes Zertifizierungsprogramm sowie durch Fortbildungen und Workshops leisten die Wissenschaftler einen zentralen Beitrag zur medizinethischen Ausbildung von Klinikseelsorgern.
Das Programm wird seit 2006 vom Bistum Limburg gefördert. »Im Rahmen dieses Projekts geht die Theologie als Wissenschaft auf ein gesellschaftliches Bedürfnis ein«, sagt Prof. Christof Mandry, Professor für Moraltheologie und Sozialethik am Fachbereich Katholische Theologie. »Schwierige Entscheidungen im Krankenhaus, wie der Umgang mit Krankheit und Tod, erfordern eine pluralitätssensible ethische Beratungskompetenz. Hier bedienen wir nicht nur wissenschaftliche Anliegen, sondern stellen unsere Expertise auch den Bürgern zur Verfügung.«
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Der Fachbereich Katholische Theologie –
Daten und Fakten:
Studiengänge:
• Lehramt Katholische Theologie
• Bachelor / Master Religionswissenschaft (zusammen mit FB 06)
• MA Religionsphilosophie (zusammen mit FB 06)
• Postgraduiertenstudium
Forschung und Projekte:
• Theologie interkulturell
• Graduiertenkolleg 1728
• IPP Religion im Dialog
• Institut für Religionsphilosophische Forschung IRF
• Forschungsgruppe Ethisch-Ökologisches Rating
Der Fachbereich Katholische Theologie arbeitet national und international mit einer Vielzahl von Kooperationspartnern. Darunter sind 16 internationale Hochschulen und institutionelle Partner wie das Bistum Limburg, die Deutsche Bischofskonferenz oder der Verband der Diözesen Deutschlands. Projektbezogene Partner sind unter anderem Misereor, die Cusanus Stiftung oder der Katholische Akademische Ausländer-Dienst (KAAD).
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Obwohl die Katholische Theologie inhaltlich eng mit der Kirche verbunden ist, hat die Kirche auf den Wissenschaftsbetrieb am Institut keinen Einfluss. »Der Fachbereich Katholische Theologie an der Goethe-Universität ist eine staatliche Einrichtung«, sagt Prof. Bernd Trocholepczy, Studiendekan des Fachbereichs. »Wir setzen uns nach hermeneutischen Kriterien mit theologischen Inhalten auseinander und suchen einen kritikoffenen Diskurs mit gesellschaftlichen wie auch kirchlichen Exponenten und Einrichtungen.«
Als Institutionen beeinflussen sich Kirche und Wissenschaft wechselseitig, wobei die Wissenschaft, die einen spirituellen Gegenstand mit den Werkzeugen der Vernunft behandelt, die Aufgabe des Korrektivs einnimmt. Deutlich werde dies, so Prof. Knut Wenzel, in der jüngeren Vergangenheit zum Beispiel am Fall der Wallfahrt Deggendorfer Gnad, der der Kirchenhistoriker Manfred Eder in seiner Promotion antijüdische Tendenzen nachgewiesen habe.
Der damalige Bischof von Regensburg habe daraufhin die Praxis dieser Wallfahrt aufgrund der Forschungsergebnisse aufgelöst. Auch im Bildungs- und Beratungsbereich übernehmen katholische Theologinnen und Theologen der Goethe-Universität aus ihrem Selbstverständnis heraus gesellschaftlich relevante Aufgaben. Dazu gehören beispielsweise Bildungsangebote in ökumenischer Perspektive sowie die kritische Überprüfung von Lehrmaterialien hinsichtlich antijüdischer und antiislamischer Tendenzen.
Sie leisten darüber hinaus einen Beitrag in der Beratung und Begleitung kirchlicher Einrichtungen wie der Caritas und sie werden als Fachleute in unterschiedliche Kommissionen der Deutschen Bischofskonferenz berufen. Gegenwärtig arbeiten die Mitglieder des Fachbereichs Katholische Theologie mit großem Engagement an der Entwicklung eines neuen Masterstudiengangs und an der Neukonzeption des Internationalen Promotionsprogramms Religion im Dialog, das fachbereichsübergreifend im Jahr 2001 mit Mitteln der DFG und des DAAD eingerichtet wurde. [Autorin: Melanie Gärtner]
Dieser Artikel ist in der Ausgabe 3.16 der Mitarbeiterzeitung GoetheSpektrum erschienen.