Zum Angebot der Goethe-Universität gehört ein stetig wachsendes Qualifizierungsprogramm für Tutoren. Worauf kommt es dabei an? Was können Tutorien leisten, und was gilt es für Lehrende im Blick zu behalten?
Sie studieren selbst noch, doch ihr (HiWi-)Job ist es, auch andere Studierende zum Lernen zu bringen: Tutorinnen und Tutoren vertiefen mit ihren Kommilitonen den Vorlesungsstoff, helfen bei Experimenten im Labor, machen andere Studierende mit den Methoden wissenschaftlichen Arbeitens vertraut. Als ein Puzzleteil in der Lehre ermöglichen Tutorien einen Austausch auf Augenhöhe, der das Üben, Hinterfragen und Diskutieren leicht macht.
Aber auch tutorielle Lehre will gelernt sein. Seit Beginn des »Starken Starts ins Studium« (2011) zur Unterstützung der Studieneingangsphase gibt es ein stetig wachsendes Qualifizierungsprogramm für Tutoren. Worauf kommt es dabei an? Was können Tutorien leisten, was gilt es für Lehrende im Blick zu behalten? Ein Überblick.
Bettina Kühn koordiniert bei studiumdigitale das Tutorenqualifizierungsprogramm. »Im Durchschnitt bieten wir 25 Trainings pro Semester an, vor dem Starken Start war es ein einziger Termin im Semester«, erzählt sie. Zwischen 250 und 350 Studierende nehmen jedes Semester an den Trainings teil. Zur Wahl stehen fachübergreifende und fachspezifische Grundlagentrainings, dazu kommen diverse Vertiefungsangebote.
Viele der Trainings kommen von den Kooperationspartnern des »Starken Start«, die die verschiedenen Fachkulturen abdecken – schließlich gelten zum Beispiel für die Sozialwissenschaften andere Herangehensweisen in Tutorien als für die Naturwissenschaften. Die Aufgaben und Unterlagen für das eigentliche zu unterrichtende Tutoriumsthema liegen wiederum in der Verantwortung der Lehrenden.
Meist stimmt die Betreuungsrelation – das Tutorium funktioniert sonst auch nicht mehr
Über 48.000 Studierende gibt es im aktuellen Wintersemester an der Goethe-Universität; ein erneuter Rekord. Besteht in Zeiten der Massenuniversität die Gefahr, dass Tutorien etwas auffangen müssen, was reguläre Lehrveranstaltungen nicht mehr ermöglichen können? Droht hier eine Überlastung der Tutoren? »Im Allgemeinen stimmt die Relation von Tutor zu Tutoriumsteilnehmern«, meint Kühn.
»Allerdings gibt es auch Ausnahmefälle mit 60 Teilnehmern – dann kann man im eigentlichen Sinne nicht mehr von einem Tutorium sprechen.« Schließlich geht es beim Tutorium um das Lernen unter Gleichen, das so genannte Peer Learning. Das Format ist üblicherweise nicht dafür gedacht, neuen Stoff zu vermitteln, sondern Inhalte und Erlerntes zu vertiefen. Dafür sind kleine Gruppen ideal, die die Hemmschwelle senken, Verständnisfragen zu stellen oder mitzudiskutieren.
Eigene Expertise entwickeln
Tatsächlich scheinen die meisten Tutorinnen und Tutoren ihre Aufgabe zu meistern; unzufriedene Rückmeldungen von Teilnehmern sind die Ausnahme. »Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Tutorinnen und Tuturen meistens sehr engagiert und kreativ sind«, erzählt Dr. Nadja Sennewald. Sie hat jahrelang gemeinsam mit Dr. Stephanie Dreyfürst das Schreibzentrum geleitet und dort Tutorenschulungen angeboten.
Dabei erhalten die Tutorinnen und Tutoren Einblick in begleitende schreibdidaktische Methoden, um so anderen Studierenden sinnvolle Hilfestellungen beim Schreiben eines wissenschaftlichen Textes geben zu können. Sennewald: »Weil die Tutorinnen und Tutoren genau wissen, wo Bedarfe existieren, entwickeln sie mit den neu erlernten Methoden teils ganz eigene Formate, die zum Beispiel eine gute Klausurvorbereitung ermöglichen.«
Eine Frage der Haltung
Genau darum geht es auch im Tutorenqualifizierungsprogramm: Während vertiefende Schulungen darauf ausgerichtet sind, die Teilnehmer mit einem prall gefüllten Methodenkoffer auszustatten, lernen die Tutoren im Grundlagentraining, selbstständig zu planen und ihren persönlichen Stil zu finden. Im Grundlagentraining erhalten die Tutoren das Basis-Rüstzeug, lernen unter anderem didaktische Grundlagen kennen, erarbeiten sich eine Veranstaltungsplanung.
Zum Training gehört aber auch die Auseinandersetzung mit der neuen Rolle als Tutor – was mache ich hier, was machen die anderen, wo befinden wir uns? »Damit ein Tutorium gelingt, kommt es immer auch auf die Haltung an«, unterstreicht Ulrike Timmler, die seit 2016 als interne Trainerin bei studiumdigitale arbeitet.
»Die künftigen Tutoren müssen sich klar machen, dass sie nicht der verlängerte Arm der Professorin oder des Professors sind, dass sie nicht alles wissen müssen, sondern als Studierende vor den anderen Studierenden stehen, um gemeinsam mit diesen Stoff zu üben und zu vertiefen.« Diese Rolle selbstbewusst anzunehmen helfe auch, die Angst vor der Lehrsituation zu verlieren.
Wer an das Grundlagen- noch ein Vertiefungstraining anschließt, kann das Frankfurter Tutorenzertifikat erwerben. Vertiefungstrainings können etwa das erwähnte schreibdidaktische Training sein, Angebote zum Umgang mit heterogenen Gruppen, Zeitmanagement oder der Umgang mit Störungen und Konflikten im Tutorium.
Gerade auch beim Konfliktmanagement bewähre sich der moderierte Austausch in der Gruppe (»reflecting Team«), erklärt Ulrike Timmler: »Die Tutoren beraten sich dann gegenseitig. Es ist sehr hilfreich für sie zu sehen, dass sie nicht alleine mit ihrem Thema sind.«
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Support für Tutorien
Tutorien stehen in den Studienordnungen, aber nicht alle Fachbereiche verfügen über ausreichende Mittel, um diese zu finanzieren. Die Lehrenden haben daher die Möglichkeit, sich mit einem Tutoriumskonzept für ihr Fach um Mittel aus den QSL- oder »Starker Start ins Studium«-Programmen zu bewerben.
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Mehr Zeit für den Austausch
Ohnehin bekommen Kühn und Timmler über die Evaluierungsbögen immer wieder die Rückmeldung, wie sehr die Tutoren den Austausch mit anderen Tutoren schätzen, ebenso wie die Reflexion über die eigene Tutorentätigkeit. »Nachdem wir in den ersten Jahren die breite Masse an Tutoren qualifiziert haben, haben wir nun durch unsere interne Trainerin die Möglichkeit, die Tutoren nicht nur durch Eintagestrainings zu schulen, sondern können durch semesterübergreifende Angebote die Tutoren in ihrer Arbeit auch durch Austauschtreffen und Einzelcoachings begleiten«, erklärt Bettina Kühn.
Künftig werden diese Angebote erweitert durch gegenseitige Hospitationen, erweiterte Reflexions- und Vernetzungsmöglichkeiten. »Wir begleiten die Tutorinnen und Tutoren längerfristig in ihrer Entwicklung, und diese können zu einer echten Lerngruppe mit kollegialem Austausch zusammenwachsen.« Timmler ergänzt: »Gerade für diejenigen, die eine Karriere in der Wissenschaft oder als Trainer anstreben, hat dies den Vorteil, dass sie eine qualifizierte Ausbildung mitbringen.«
Dieser Artikel ist in der Ausgabe 1.18 der Mitarbeiterzeitung GoetheSpektrum erschienen.