44. Rechtshistorikertag zum Thema „Die Sprache der Quellen“ auf dem Campus Westend

R und 270 Personen hatten sich insgesamt zum Rechtshistorikertag angemeldet, der nach 1986 zum zweiten Mal in Frankfurt am Main stattfand und gewissermaßen als Klassentreffen der Zunft gilt. So beherrschten schon am Eröffnungsabend im Festsaal des Casinos zahlreiche (Wieder-)Begegnungen und rege Unterhaltungen die Szenerie. Inspiriert von der grenzüberschreitenden Vielfalt von Sprachen und Texten im spätantiken Römischen Reich sprach der Althistoriker Hartmut Leppin zum Verhältnis von Multilingualität und Recht. Sein Vortrag machte den Auftakt und führte die Zuhörerschaft zugleich geschickt an „Die Sprache der Quellen“ heran, das Schwerpunktthema der Tagung vom 16. bis zum 20. September. Davor hatte Astrid Wallrabenstein, Richterin des Bundesverfassungsgerichts, in ihrem Grußwort dem rechtshistorischen Fachpublikum ein zukunftsorientiertes Bewusstsein nicht zuletzt bei der wissenschaftlichen Sprachwahl ins Stammbuch geschrieben, nachdem das Tagungsprogramm auch aktuelle Entwicklungen wie etwa den Medienwandel zu berücksichtigen versprach.

Am ersten „richtigen“ Veranstaltungstag im SKW-Gebäude standen allerdings zunächst Plenarvorträge und Sektionen zu ganz klassischen Feldern und Themen des Fachs auf dem Plan: Übersetzungsprobleme aus dem römischen Recht, der politische Einfluss mittelalterlicher Juristen, epistemische Praktiken in Rechten des Altertums und die Andersartigkeit des Rechts auf dem Meer gegenüber dem Land. Auf dem Empfang durch den Oberbürgermeister am Abend im Kaisersaal des Römers erinnerte Kulturdezernentin Ina Hartwig an das Bemühen der Stadt um eine zeitgemäße Erinnerungskultur, etwa im Zusammenhang mit der Paulskirche und einem neuen Haus der Demokratie.

Neu auf dem Rechtshistorikertag ist tags darauf, dass Projekte, vor allem des wissenschaftlichen Nachwuchses, in einer Art Speed-Dating flott, aber informativ präsentiert wurden. Ort des Geschehens war nun das Max-Planck-Institut für Rechtsgeschichte und Rechtstheorie. Der synchrone Ablauf in insgesamt fünf Räumen gelang nicht vollkommen perfekt – was zu vereinzelten Enttäuschungen über verpasste Vorstellungen führte. Hätte man das besser einer KI-gestützten Anwendung anvertraut? Im Plenum am Morgen waren die neuen Techniken bereits in einem Vortrag zum Umgang mit archivalischen Quellen des Kirchenrechts zur Sprache gekommen. Das setzte sich in einer eigenen Sektion zu Kirchenrecht und Digital Humanities am Nachmittag fort, während parallel dazu über die Quellen einer neuen Globalrechtsgeschichte diskutiert wurden, die das hergebrachte Verständnis von Überlieferung verändert und erweitert, etwa, wenn sie materielle Kulturen in stärkerem Maße berücksichtigt, als das bislang üblich ist.

Medialer Wandel und KI

Konflikte und ihre rechtliche Bewältigung waren am letzten Tag des wissenschaftlichen Programms Gegenstand sowohl eines Referats zur Quellengeschichte des Arbeitsrechts als auch einer Sektion zu Gewalt und Recht in Umsturzlagen. Für Diskussion auch in der Zuhörerschaft sorgte ein Podiumsgespräch zum medialen Wandel und seinen Konsequenzen für die rechtshistorische Publikationskultur. Das international und interdisziplinär besetzte Podium diagnostizierte unter diesen vor allem eine größere Zahl und Vielfalt der zur Verfügung stehenden Publikationsformate, mit denen allerdings auch eine problematische Informationsflut einhergehe. Die selbstbewussten Postulate manch eines etablierten Ordinarius aus dem Publikum, es werde ohnehin viel zu viel veröffentlicht, und man solle sich beim Publizieren ruhig stärker am Spaßfaktor orientieren, statt auf hohem Niveau zu jammern, stieß dem anwesenden wissenschaftlichen Nachwuchs erkennbar sauer auf – was angesichts eines starken Wettbewerbs um Drittmittel und mit Blick auf weitere ökonomische Zwänge und Unsicherheiten auch keineswegs verwundert. Weniger Kontroversen gab es am Nachmittag, als die Chancen und Risiken ausgelotet wurden, die der Einsatz Künstlicher Intelligenz etwa bei der Erfassung und Auswertung umfangreicher Quellenkorpora mit sich bringt – führt der Machine Learning Turn ohne Umweg zur gesteigerten Erkenntnis oder zur Fake Science? Die positive Perspektive überwog, einig war man sich aber vor allem darin, dass dem methodischen Bewusstsein und der transparenten Verständigung über die eigene Forschung in der wissenschaftlichen Community künftig eher mehr als weniger Bedeutung zukommen werde.

Aus der Sicht der vier Veranstalter Albrecht Cordes, Thomas Duve, David von Mayenburg und Guido Pfeifer vom Institut für Rechtsgeschichte hat der 44. Rechtshistorikertag gehalten, was sein Programm versprochen hatte, und hat sich als Forum des aktiven Austauschs über aktuelle Fragen der Rechtsgeschichte bewährt, Methoden und Selbstverständnis der Disziplin eingeschlossen. Das wird durch das positive Feedback der sich verabschiedenden Kollegenschaft bestätigt, wobei auch das Rahmenprogramm aus Campus-Führung, festlichem Konzertabend und zwei fakultativen Exkursionen nach Ingelheim am Rhein und zur Saalburg zur guten Atmosphäre der Veranstaltung beigetragen haben dürfte.

Guido Pfeifer

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