Am Morgen noch ein banger Blick gen Himmel, aber dann wurde alles gut: Nach feucht-kühlen Tagen war der 28. September ein freundlicher und sogar sonniger Tag. Beste Voraussetzungen für das erste Science Festival der Anfang des Jahres neu gegründeten „Frankfurt Alliance“ mitten in der Innenstadt. Bis zum frühen Abend tummelten sich viele Interessierte aus allen Altersgruppen auf dem Festivalgelände, ein abwechslungsreiches Bühnenprogramm und zahlreiche Mitmachaktionen und zu Entdeckendes in den Zelten der beteiligten Institutionen sorgten für einen kurzweiligen Aufenthalt.
„Mit unserem Festival wenden wir uns als neu gegründetes Wissenschaftsnetzwerk bewusst an die Öffentlichkeit, um Interesse an der Wissenschaft zu wecken, aber auch Fragen zu dem Wie, Was und Warum in der Forschung zu beantworten. Unser Anliegen ist es, den Dialog zwischen Forschung und Gesellschaft zu stärken und wissenschaftliche Erkenntnisse in die Breite zu tragen – und Spaß machen soll das alles auch, für die ganze Familie“, betonte Prof. Enrico Schleiff, Präsident der Goethe-Universität, zum Start des Festivals. Auch die anderen Begrüßenden – Dr. Bastian Bergerhoff, Stadtkämmerer und Personaldezernent der Stadt Frankfurt, Apl. Prof.in Dr. Zoe Waibler, Vizepräsidentin des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI)/Goethe-Universität, Prof. Dr. Florian Heider, Leibniz-Institut für Finanzmarktforschung SAFE/Goethe-Universität, und Dr. Katharina Stummeyer (GSI/FAIR) – betonten, dass das Festival die einmalige Gelegenheit biete, Forschung der Öffentlichkeit näherzubringen und den lebendigen Austausch zwischen Wissenschaft und Gesellschaft zu fördern.
Das vielfältige Programm des Festivals sprach gleichermaßen alle Altersgruppen an. So kamen auch die (potenziellen) kleinen Nachwuchswissenschaftlerinnen auf ihre Kosten, testeten am Mikroskop und mit Pipette und Schutzkittel, wie es sich anfühlt, zu forschen. Beispielsweise beim Zentrifugationsexperiment im Zelt des Fraunhofer-Instituts für Translationale Medizin und Pharmakologie (ITMP) konnten die kleinen Forschenden verschiedene Fruchtsäfte in die Zentrifuge geben und beobachten, wie sich die Bestandteile trennen. Beim Max-Planck-Institut für Biophysik konnte virtuell in eine Zelle eingetaucht werden. Auch das begehbare Herzmodell des Exzellenzclusters Cardiopulmonary Institute (CPI) war ein häufig besuchter Ort von Klein und Groß, um mehr über Herz- und Lungenerkrankungen zu erfahren.
Digitalisierung und Künstliche Intelligenz waren wichtige Themen des Festivals: So diskutierten auf der Bühnen Daniel Schiffer (DIPF), David Weiss (Goethe-Universität) und Martin Steinebach (ATHENE | Fraunhofer SIT) über den sinnvollen Einsatz von KI in der Schule; das Team von studiumdigitale (Goethe-Universität) lud auf der Bühne zum großen KI-Quiz ein; im Zelt von DIPF konnten Besucherinnen die Virtual-Reality-Technologie ausprobieren.
Auch die Unterhaltung kam nicht zu kurz: Die beiden „verrückten“ Wissenschaftler Dr. KNOW und Dr. HOW begeisterten auf der Bühne mit ihrem Mix aus Comedy und Infotainment. Spektakulär auch der Vortrag von Sascha Vogel, von Hause aus Theoretischer Physiker und als Wissenschaftskommunikator Kurator des Bühnenprogramms: In seinem Vortrag „Physik in Hollywood“ zeigte er anhand einiger Filmeinspielungen, dass die Berechnung von physikalischen Phänomenen, zum Beispiel Spidermans berüchtigter Flug an einem Spinnenfaden, sowohl unterhaltend als auch instruktiv sein kann.
Von der Theorie in die Praxis: Nikita Kudakov, Forscher am Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik (MPIEA) in der Abteilung Musik, hatte gerade auf der Bühne noch über typische Körperbewegungen und verbale Phrasen in der Rap-Performance doziert. Wenige Minuten später stand er dann als Coodiny mit seiner Band auf der Bühne und begeisterte mit der Show, die zugleich den lautstarken Schlusspunkt des Festivals setzte, besonders das junge an Rap interessierte Publikum.
Das ganze Programm und weitere Infos zum Wissenschaftsfestival https://frankfurtscience.de
Julia Krohmer, promovierte Geoökologin und Wissenschaftskoordinatorin bei der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, stellte auf der Bühne des Wissenschaftsfestivals das Citizen Science Projekt #Krautschau vor.
UniReport: Frau Dr. Krohmer, was macht aus Ihrer Sicht ein solches Wissenschaftsfestival so wichtig, wie ist Ihre Bilanz vom Samstag?
Julia Krohmer: Ich persönlich finde schon lange, dass wir in Frankfurt endlich Anlässe und Formate brauchen, wo wir in der Stadt mit unserer Forschung sichtbar werden, und dass das jetzt in Form dieses gemeinsamen Festivals geklappt hat, ist einfach großartig. Frankfurt ist eine Wissenschaftsstadt, aber niemand weiß es. Dies sichtbar und greifbar zu machen, auch den Menschen, die nicht gezielt, sondern zufällig vorbeikamen, war toll. Zulauf und Interesse waren sehr groß, und dies wirklich durchgehend den ganzen Tag. Wir waren wirklich baff.
Es wäre schön, wenn das so oder in ähnlicher Form wiederholt werden könnte. Vielleicht können wir ja demnächst einmal die Bewerbung um die European Night of Science gemeinsam angehen!
Menschen interessieren sich durchaus für Natur und für Pflanzen. Woher kommt aber die von Ihnen angesprochene »Pflanzenblindheit«? Müsste man vielleicht den Begriff »Unkraut« überdenken?
Auf jeden Fall!! Der Begriff ist ein Unwort, keine Pflanze ist Unkraut – nur unsere Wahrnehmung macht sie dazu. Über die Ursachen kann man nur mutmaßen: Pflanzen bewegen sich scheinbar nicht, Pflanzen kann man nicht streicheln oder füttern. Wahrscheinlich spielt auch die Evolution eine Rolle: Unser Sehsinn ist darauf optimiert, farbliche Unterschiede und Bewegungen zu erkennen, um Gefahren und Nahrungsquellen zu identifizieren. Pflanzen – abgesehen von ihren Früchten – fallen da durchs Raster, ihre Anwesenheit wird deshalb vom Sehsinn vernachlässigt.
Und: In Gesellschaften, die noch in und mit der Natur leben, ist Pflanzenkenntnis extrem wichtig und sehr breit. Je urbaner das menschliche Leben wird, desto weniger Bedeutung haben Pflanzen hingegen im Alltag, man nimmt sie dann auch nicht mehr differenziert wahr.
Die Besucher*innen sollten selber eine »Krautschau« auf dem Gelände des Wissenschaftsfestivals betreiben, wie sind Sie dabei vorgegangen, wie viele Pflanzen wurden gefunden?
Es wurde der Platz zwischen Bühne, Tiefgarage und Brunnen durchstreift, die verschiedenen Arten notiert, zum Teil mit Flora Incognita überprüft, auf die Kreidebeschriftung aber aufgrund der Zeitknappheit diesmal verzichtet. Es wurden insgesamt 35 Arten gefunden, überwiegend weitverbreitete, die typisch für dieses städtische Habitat sind. Sie haben überraschende Namen wie z. B. das Viermännige Schaumkraut, das Niederliegende Mastkraut, die Blutrote Fingerhirse oder das Kleine Liebesgras und ebenso überraschende und spannende Eigenschaften.
Forschung zu betreiben, erfordert in der Regel ein Studium und eine entsprechende Qualifizierung in der Wissenschaft. Was kann aber eine »Citizen Science« wie die von Ihnen vorgestellte »Krautschau« leisten, profitiert die Wissenschaft auch davon?
Die #Krautschau ist ein sehr niederschwelliges Citizen-Science-Format, das jede/r überall und immer durchführen kann. Die in ganz Deutschland über die App FloraIncognita erhobenen Daten sind auf jeden Fall wertvoll für die Forschung. Sie tragen dazu bei, phänologische Veränderungen zu dokumentieren (wann keimen/blühen/fruchten welche Pflanzen und wie ändert sich dies) und Vorkommen und Ausbreitung von Pflanzen zu erfassen, gerade auch angesichts sich durch den Klimawandel verändernder Bedingungen, von denen viele eingewanderte oder eingeführte Pflanzenarten heute profitieren.
In allererster Linie ist die #Krautschau für mich aber ein niederschwelliges, einladendes und kreatives Umweltbildungsformat, das den Menschen Lust auf die Beschäftigung mit Pflanzen macht und ihre Neugier weckt.
Fragen: Dirk Frank