Studium der Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften – und dann?

Ein Rückblick auf die Jobmesse ENTER_ZUKUNFT_HUMANITIES

Ein Studium ist für viele ein Schritt in Richtung Erwachsenwerden: Sie lernen, sich selbst zu organisieren, beginnen einen Nebenjob, ziehen womöglich in eine andere Stadt. Aber ist das Studium erst einmal geschafft, stehen den frischgebackenen Absolventinnen und Absolventen sämtliche Türen in die Berufswelt offen – oder?

Ganz so einfach ist das leider nicht, verrät uns Sibel Ulucan. Sie ist Career Coach für internationale Studierende im Bereich Studium, Lehre, Internationales (SLI) der Goethe-Universität. Wir treffen Sibel Ulucan auf der ENTER_ZUKUNFT_HUMANITIES, eine von vier Jobmessen, die in diesem Frühjahr an der Goethe-Universität stattgefunden haben. Die Finanzierung dieses Angebots wird durch das Projekt „Erfolgreich Lehren und Lernen – Vielfalt und Internationales im Studium (ELLVIS)“ sichergestellt. Eine der Hauptintentionen der Messe besteht darin, „First-Generation-Studierenden“ die Chance zu bieten, unkompliziert Beziehungen zu potenziellen Arbeitgebern aufzubauen. Die ENTER_ZUKUNFT_HUMANITIES richtet sich speziell an Studierende der Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften. Ihnen wird allzu oft nachgesagt, sie müssten sich nach dem Studium besonders anstrengen, um einen Job zu finden.

In der Tat bereitet ein Studium, insbesondere im Bereich der Humanities, auf kein konkretes Berufsbild vor. Umso wichtiger sei es daher, jungen Menschen früh klarzumachen, wie wichtig Soft und Hard Skills sind. „In unseren Orientierungsveranstaltungen mache ich immer wieder Werbung dafür, dass sich die Studierenden beispielsweise digitale Fähigkeiten aneignen, erst recht, wenn sie aus den Geisteswissenschaften kommen“, sagt Sibel Ulucan. Oftmals bestünden bereits Vorkenntnisse, die die Studierenden gar nicht unbedingt als besondere Skills erkennen würden. So sei manch einer zum Beispiel fit in der Programmiersprache Python und habe dadurch gute Chancen, als Trainee in einer klassischen IT-Stelle oder im Consulting unterzukommen, berichtet die Karriereberaterin. In jedem Fall sei für die Studierenden wichtig, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen, Nischen zu erkennen, sich Spezialkenntnisse anzueignen.

Diese Notwendigkeit, den eigenen Horizont zu erweitern, sei den meisten Studierenden aber ohnehin immer mehr bewusst. So auch der Studentin Nora, die kurz vor ihrem Abschluss in Kulturantrophologie und Gender Studies steht. Für sie bedeutet das Ende ihres Studiums in gewisser Hinsicht einen Wendepunkt, weshalb sie sich heute auf der Messe im Hörsaalzentrum Inspiration für die Zeit danach holen möchte. Besonders interessant findet sie das Auswärtige Amt als Arbeitgeber, verrät sie uns.

Was den Studierenden der Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften zugutekommt, ist die Tatsache, dass auch die Arbeitgeber mittlerweile viel offener sind als früher. Und genau daran knüpft die Jobmesse ENTER_ ZUKUNFT_HUMANITIES an. Unter den Unternehmen, die auf der Messe vertreten sind, sind auch viele Banken und Consultingfirmen. Sie stellen nicht nur Wirtschaftswissenschaftler*innen oder Informatiker*innen ein, sondern zeigen sich auch offen für Absolventinnen und Absolventen anderer Studiengänge. „Für sie kommt es in erster Linie darauf an, wie man sich präsentiert, wie engagiert man ist und ob man bereit ist, sich Neues anzueignen“, sagt Sibel Ulucan. Auch wüssten die Unternehmen genau, was Geistes- und Gesellschaftswissenschaftler*innen zu bieten hätten, nämlich gute analytische und kommunikative Kompetenzen.

Dass auf der Messe vor allem Firmen zu finden sind, die man eher weniger mit Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften in Verbindung bringt, habe zwei Gründe, erklärt Dorothee Schneiders. Sie arbeitet ebenfalls im Bereich Studium, Lehre, Internationales und ist die Organisatorin der Messe. Zum einen hätten es klassische Arbeitgeber wie Museen oder Verlage schlichtweg nicht nötig, Marketing zu betreiben, denn Absolvent*innen der Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften bewerben sich ohnehin bei ihnen. Andererseits ginge es aber eben auch darum, die große Bandbreite an Möglichkeiten aufzuzeigen und die Studierenden zu ermutigen, sich auch bei Firmen anderer Branchen zu bewerben.

Leon, der Politikwissenschaften und Soziologie studiert, nimmt das Angebot Jobmesse für Humanities dankend an, denn in seinen Augen kommt die berufliche Orientierung im Studium insgesamt zu kurz. Es stünden einem beruflich alle Türen offen, aber gleichzeitig auch keine, sagt er uns. Da helfe eine Messe wie diese, sich zu orientieren. Er kommt gerade von einer Veranstaltung einer Consultingfirma im Seminarhaus, die ihm gut gefallen hat – so gut, dass er überlegt, dort ein Praktikum zu machen.

Auf der ENTER_ZUKUNFT_HUMANITIES treffen wir auch auf einige Studierende der Wirtschaftswissenschaften, unter ihnen Dara und Sinan. Da sie sich nach ihrem Abschluss weniger in einem klassischen WiWi-Berufsfeld sehen, wollen auch sie auf der Messe ein paar Ideen sammeln. Dara zum Beispiel möchte sich beruflich auf das Thema Nachhaltigkeit fokussieren und könnte sich vorstellen, der öffentlichen Hand zu helfen, die Digitalisierung voranzutreiben. Auch für Sinan wäre ein Job in einer Bank nichts. Deshalb ist er heute hier, um seinen Horizont zu erweitern.

Sibel Ulucan und Dorothee Schneiders sind sich einig, dass das Studium allein nicht reicht, um in der Berufswelt Fuß zu fassen. Wichtig sei vor allem, sich zu vernetzen und sich zusätzliche Kenntnisse anzueignen, um sich von anderen Bewerberinnen und Bewerbern abzuheben. Und eben auch Angebote wie die Jobmesse zu nutzen, um herauszufinden, welche Möglichkeiten es überhaupt gibt – egal ob man nun aus den Geistes-, Sozial- oder eben Wirtschaftswissenschaften kommt.

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