Von „law in the books“ zu „law in action“

Die Karlsruhe-Fahrt zu BGH und BVerfG: ein Erfahrungsbericht von Florian Kavermann

Rund 40 Jurastudierende der Goethe-Universität hatten im Juni 2025 die Möglichkeit, die höchsten deutschen Gerichte in Karlsruhe zu besuchen und Einblicke in die Abläufe der Rechtsfindung sowie den Arbeitsalltag der hiesigen Richter zu erlangen. Was sonst abstrakter Gegenstand von Vorlesungen, Lehrbüchern und Fallbearbeitungen ist, wurde so für die Teilnehmenden greifbare Realität. Die Exkursion wurde organisiert von Prof. Dr. Matthias Jahn, Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht, Strafprozessrecht, Wirtschaftsstrafrecht und Rechtstheorie, in Kooperation mit der Lokalgruppe der Europäischen Jurastudierendenvereinigung, ELSA-Frankfurt am Main.

Jurastudierende der Goethe-Universität bei den höchsten deutschen Gerichten in Karlsruhe
© ELSA

Spannender Auftakt beim Bundesgerichtshof

Unsere erste Station war die Außenstelle des Bundesgerichtshofs in der Karlsruher Waldstadt, wo unter anderem der zweite Strafsenat aufgrund von Renovierungsarbeiten im Erbgroßherzoglichen Palais, dem Hauptsitz des Bundesgerichtshofs, seinen vorübergehenden Sitz hat. Nachdem wir die Sicherheitskontrolle passiert hatten, empfingen uns zwei Wissenschaftliche Mitarbeiter in einem schlichten Gerichtssaal und führten uns in die Zuständigkeiten und Struktur des Gerichts sowie die zwei Fälle, die im Folgenden verhandelt werden sollten, ein. Beide Fälle betrafen Straftaten im Zusammenhang mit Drogenhandel. Gegenstand der Revisionen waren die vom Landgericht angeordneten Einziehungsentscheidungen (§§ 73 ff. StGB). Pünktlich um 9 Uhr kamen die Strafverteidiger der Angeklagten sowie ein Vertreter der Bundesanwaltschaft in den Sitzungssaal, bevor schließlich die fünf Richterinnen und Richter des zweiten Strafsenats eintraten und ihre Plätze einnahmen. Nach der Eröffnung der Hauptverhandlung durch die Vorsitzende Richterin, Dr. Eva Menges, fasste der Berichterstatter den bisherigen Verfahrensgang zusammen. Anschließend stellte der Vertreter der Bundesanwaltschaft die Gründe für die Revision der Staatsanwaltschaft dar und beantragte, die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen. Vonseiten der Strafverteidiger erfolgten keine Ausführungen; auch Anträge wurden nicht gestellt, sodass die Hauptverhandlung bereits nach wenigen Minuten beendet war. Die zweite Hauptverhandlung folgte dem gleichen Muster, wenngleich sich die Anwälte diesmal als argumentationsfreudiger (wenn auch nicht unbedingt in Bezug auf den eigentlichen Gegenstand der Verhandlung) erwiesen. Nachdem auch diese Verhandlung ihr Ende genommen hatte, erhielten wir noch die Möglichkeit, den Richterinnen und Richtern Fragen zu stellen, wovon wir auch reichlich Gebrauch machten. Von besonderem Interesse waren dabei Fragen zur Entscheidungsfindung innerhalb des Senats und zu Arbeitsweise und -umfang.

Verfassungsrecht ganz nah

Weiter ging es zum schon von Weitem zu erkennenden Baumgarten-Bau, in welchem das Bundesverfassungsgericht residiert. Nach einer auch hier obligatorischen Sicherheitskontrolle begaben wir uns in den aus den Medien bekannten lichtdurchfluteten Sitzungssaal. Dort empfing uns Prof. Dr. Astrid Wallrabenstein, Inhaberin eines Lehrstuhls für Öffentliches Recht an der Goethe-Universität und seit dem Jahr 2020 Richterin des zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts. In entspannter Atmosphäre erläuterte sie, was die Arbeit als Verfassungsrichterin ausmacht, welche Zuständigkeiten sie hat und wie das Gericht aus ihrer Sicht in der Bevölkerung wahrgenommen wird. Dabei kam auch die Frage auf, wie man mit der großen Verantwortung als Richterin des Bundesverfassungsgerichts umgeht. Zuletzt hob Astrid Wallrabenstein hervor, dass nicht nur Verfassungsrichter, sondern Richter aller Instanzen Verantwortung für den Schutz der Grundrechte trügen und dieser in aller Regel auch gerecht würden. Nach diesen spannenden Einblicken führte uns schließlich noch ein Wissenschaftlicher Mitarbeiter durch andere Teile des Gebäudes und ging auf die – begrenzten, aber grundsätzlich möglichen – Karrieremöglichkeiten als Referendar oder Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bundesverfassungsgericht ein.

Einblicke in die höchstrichterliche Praxis

Nach einer anekdotenreichen Führung von Prof. Dr. Jahn, der einst selbst Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bundesverfassungsgericht war, durch den botanischen Garten, der das Bundesverfassungsgericht umgibt, fuhren wir voller neuer Eindrücke und Erkenntnisse wieder zurück nach Frankfurt. Der Tagesausflug nach Karlsruhe, durch den wir Teilnehmenden seltene und eindrucksvolle Blicke hinter die Kulissen der höchsten deutschen Gerichte erlangen konnten, wird uns noch lange in Erinnerung bleiben. Damit hat die Exkursion einmal mehr gezeigt, wie sehr es das juristische Studium bereichert, die Theorie aus der Lehre um Einblicke in die Praxis zu ergänzen.

Florian J. Kavermann ist Präsident von ELSA-Frankfurt am Main e.V.

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