Wenn Grundschulkids ihren ersten Teilchenbeschleuniger bauen

Kinder entdecken die faszinierende Welt der Wissenschaft: Im Projekt „Junge Forscher“ der Stiftung Polytechnische Gesellschaft und der Goethe-Universität wird frühzeitig das Interesse an Naturwissenschaft und Technik geweckt. Studierende und Doktoranden begleiten die Grundschüler*innen und erwerben damit für sich zugleich wichtige Vermittlungskompetenzen.

Der „Teilchenbeschleuniger“ im Klassenzimmer kurz vor der Fertigstellung …

Die kindliche Neugierde ist bekanntlich kaum zu stillen. Grundschulen sollen diesem Bildungshunger ihrer Klientel nachkommen, können dies jedoch oft aufgrund fehlender technischer und didaktischer Ressourcen im Bereich der MINT-Fächer nicht zur Genüge praktizieren. Das Projekt „Junge Forscher“ setzt an dieser Stelle an: Die persönliche Begegnung mit Forschenden steht dabei im Fokus. Im Rahmen von jeweils drei Projekttagen werden dritte und vierte Klassen von Grundschulen experimentell an Themen der Informatik, der Physik oder der Biochemie herangeführt.

Drei Themenmodule sind mittlerweile für Grundschulen im Angebot. Bei „Kleine Teilchen“ geht es um Atomphysik, bei „DNA und Vererbung“ um Biochemie und Genetik und beim neuesten „Digitale Welt“ um Computer, Programmierung und Künstliche Intelligenz. „Es handelt sich sicherlich um recht komplexe Themen, die aber sehr kindgerecht aufbereitet wurden“, betont Annika Löffler-Djahani, Projektleiterin Wissenschaft, Technik, Berufliche Bildung bei der Stiftung Polytechnische Gesellschaft. „Die entwickelten Module beinhalten jeweils theoretische und experimentelle Anteile. Wichtig ist, dass sich die Schülerinnen und Schüler aktiv und spielerisch mit den jeweiligen Fragestellungen auseinandersetzen können.“ Löffler zeigt sich sehr begeistert von den bisherigen Projekttagen. Sehr imponiert haben ihr beispielsweise die Ideen zur Umsetzung des Themas DNA: „Dazu gibt es ein Verkleidungsspiel, um zu zeigen, welche Merkmale bei Menschen vererbt werden. Anhand einer roten Perücke, einer Clownsnase oder eines Tigerschwanzes wird den Kindern nähergebracht, welche Merkmale auf DNA-Strängen enthalten sind und vererbt werden. Ein weiteres Experiment besteht darin, DNA aus der Mundschleimhaut mit einem Wattestäbchen zu erfassen und in einer Lösung mit Salzen, Natriumchlorid und ein bisschen Soda, also Natriumcarbonat, einfach sichtbar zu machen. Damit kann wirklich viel Neugierde und Interesse geweckt werden.“

Ein großes Erlebnis: Einmal in einem richtigen Uni-Hörsaal sitzen …

Vermittelt werden die Module ehrenamtlich von Studierenden und Doktoranden der Natur- und Technikwissenschaft. „In der Regel gewinnen wir die Mentorinnen und Mentoren über das große Netzwerk unserer Stiftung. Wir fragen unsere Main-Campus-Stipendiaten, wer Lust hat, am Projekt mitzuwirken. Das sind meistens Studierende der Naturwissenschaften, aber manchmal melden sich auch Geisteswissenschaftlerinnen und Geisteswissenschaftler. Denn man kann sich natürlich auch als Fachfremder gut in die zu vermittelnden Inhalte und didaktischen Methoden einlesen.“

Ungewöhnlich, wie sich die Mentoren vor den Projekttagen vorstellen: Sie schreiben einen Brief an die Klasse und führen darin in das Thema ein. „Das kommt wirklich sehr gut an; die Kinder antworten mit eigenen Briefen, stellen den jungen Forscherinnen und Forschern darin die unterschiedlichsten Fragen, die dann später an den Projekttagen aufgegriffen werden.“

„Später will ich auch mal Forscher*in werden“

Joshua König, Doktorand bei Prof. Henner Büsching am Institut für Kernphysik, ist bereits seit sieben Jahren Mitarbeiter bei „Junge Forscher – kleine Teilchen“, leitet mittlerweile das Teilprojekt uniseitig. Der erste Schulbesuch, erzählt König, besteht aus einer theoretischen Beschäftigung mit dem Gegenstand, was aber nicht minder spannend ist: „Es ist jedes Mal wieder schön zu sehen, wie fasziniert und erstaunt die Schülerinnen sind, wenn sie erfahren, dass alles, was sie umgibt, aus Atomen besteht.“ Beim zweiten Schulbesuch baut er gemeinsam mit den Schülerinnen aus ganz einfachen und bekannten Dingen einen Teilchenbeschleuniger: aus einem Gartenschlauch, einer Luftpumpe, Kugeln und Knete. „Mithilfe des gebauten Modells können die Schülerinnen selbst experimentieren und den Klassenraum zum Labor umfunktionieren“, erzählt König. Ganz aufgeregt sind die Grundschulkids, wenn am dritten Tag der naturwissenschaftliche Campus der Goethe-Universität am Riedberg besucht wird. Faszinierend sei es, betont König, wie viel die Kinder aus dem Unterricht mitgenommen hätten: „So bleibt nicht nur das Atom als Grundbaustein der Materie im Gedächtnis, sondern auch, wie klein diese sind und teilweise sogar, dass es noch kleinere Teilchen gibt, wie beispielsweise die Quarks.“ Joshua König freut sich, ab und zu Sätze wie „Später will ich auch mal Forscherin werden“ zu hören. „Das zeigt doch, dass das eine tolle und einmalige Erfahrung für die Schülerinnen ist.“ Er betont aber auch, dass beide Seiten vom Projekt profitieren und auch die Studierenden und Doktorandinnen es als eine bereichernde Erfahrung empfinden: „Nicht nur, dass es uns Freude bereitet, den Schüler*innen einen Einblick in ‚die Welt der kleinen Teilchen‘ zu geben, sondern ebenfalls, dass man so die Möglichkeit bekommt, seine persönlichen Kompetenzen im Bereich Wissenschaftskommunikation auszubauen.“

Was steckt eigentlich in einem Computer?

Bastian Stock ist Mentor bei der „Digitalen Welt“. Der Wirtschaftsinformatiker an der Frankfurt School of Applied Science führt im Teilprojekt der „Jungen Forscher“ Grundschulkids an die Grundlagen der Informatik und das Thema Künstliche Intelligenz heran. „Die Kinder lernten durch praktische Aktivitäten, was ein Computer ist, indem wir gemeinsam einen PC auseinanderbauten und die Hardware-Komponenten identifizierten. Der zweite Tag vertiefte das Verständnis durch spielerische Programmierübungen mit sogenannten Micro:Bits, also Minicontroller mit verschiedenen Sensoren und Aktoren wie bspw. Knöpfe, LED-Lichter, Bewegungssensoren und Midi-Lautsprecher, die man mit den eigens gebauten Programmen dann kreativ steuern konnte.“ Auch Stock sieht für sich persönlich die Teilnahme am Projekt als eine äußerst bereichernde Erfahrung: „Es war nicht nur eine Gelegenheit, mein Wissen weiterzugeben, sondern auch, selbst viel zu lernen und die Welt durch die Augen der Kinder neu zu entdecken. Die Interaktion mit den jungen Forschern hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, frühzeitig ein Verständnis für Technologie zu fördern und die nächste Generation zu inspirieren.“ Auch die Lehrkräfte, berichtet Stock, seien begeistert und sehr engagiert gewesen, hätten das Programm in den höchsten Tönen gelobt und würden sich freuen, wenn es weitergeführt würde.

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