Die Vielschichtigkeit der Kürbisfratze

Menschen | Tun | Dinge, Eine Ausstellung des Graduiertenkollegs „Wert und Äquivalent“ und im Foyer des IG-Farben-Hauses an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, 15. Oktober - 20. Dezember 2015
Menschen | Tun | Dinge, eine Ausstellung des Graduiertenkollegs „Wert und Äquivalent“ und im Foyer des
IG-Farben-Hauses an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, 15. Oktober – 20. Dezember 2015

»Menschen | Tun | Dinge« – Eine multimediale Ausstellung von Archäologen und Ethnologen.

Eine schelmische Kürbisfratze in einem mit neongrünen Ecken angedeuteten Quadrat – sie irritiert und animiert. Was steckt dahinter? Wer sich auf eine interaktive Entdeckungsreise einlässt, landet über dieses Objekt bei den scheinbaren Gegensätzen zwischen Tradition und Wandel. Geisteswissenschaften multimedial – Wissensvermittlung per Touch und Click – vergnüglicher Erkenntnisgewinn, das bieten die 16 Doktorandinnen und Doktoranden des Graduiertenkollegs „Wert und Äquivalent“ in ihrer Ausstellung „Menschen | Tun | Dinge“.

Sie wird am 15. Oktober um 18.15 Uhr im Foyer des IG-Farben-Hauses eröffnet. Wer – wie diese Gruppe junger Wissenschaftler – von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) Drittmittel bekommt, verpflichtet sich, nicht nur an dem Opus Magnum der Dissertation zu arbeiten, sondern die Öffentlichkeit an den eigenen Forschungsergebnissen teilhaben zu lassen – und das mit viel Kreativität und begrenztem Budget.

„Es ist schon eine Herausforderung, komplexe Themen knapp und in leicht verständlichen Begriffen inhaltsgetreu darstellen“, so der Ethnologe Prof. Hans Peter Hahn, der gemeinsam mit den Archäologinnen Annabel Bokern und Prof. Fleur Kemmers diese Ausstellung kuratiert. „Der Clou ist, ein Thema zu finden, das Beteiligte aus ganz unterschiedlichen Fächern zusammenbringt. Wir haben uns entschieden, vier Cluster zu bilden, um die Forschung zu Wert und Wandel von Objekten zu präsentieren“, ergänzt Kemmers.

Für den Themenbereich „Tradition und Wandel“ verständigten sich beispielsweise zwei Archäologen und zwei Ethnologen schnell darauf, dass die Kürbislaterne die beste Wahl sei, denn der Link zu Halloween ist unmittelbar und eindeutig. Dazu der Ethnologe Sebastian Schellhaas, der sich eigentlich mit indigener Küche in British Columbia befasst: „Keiner von uns beschäftigt sich mit Kürbisfratzen, doch der sinnbildliche Charakter dieses Objekts ist unmissverständlich und verweist unmittelbar auf ein Phänomen, nämlich Halloween.

Das verbindet die vielen Fragestellungen, mit denen wir uns auseinandersetzen.“ Am Exempel Halloween können sie zeigen, dass Tradition aus dem Aneignen, Zusammenfügen, Neuordnen und Wiederaufgeben kultureller Praktiken und Glaubensinhalte gebildet wird. Besucher, ob in der interaktiven Box im Foyer des IG-Farben-Hauses oder über die Web-Page, erfahren mehr über Traditionen im Wandel der Zeiten.

Halloween hat indigene wie religiöse Traditionslinien, wandert von der alten in die neue Welt und kommt über Hollywood- Filme zurück nach Europa, wo der Spaß für Kinder zum kommerziellen Hype mit vorgefertigte Kürbislaternen wird. „Auch wenn Traditionen wie diese ihren Ursprung im Dunkel der Vergangenheit haben, sind sie doch nicht zeitlos“, so Schellhaas. Es bleibt die Frage, wie viel Altes es braucht und welches Maß an Neuem erlaubt ist, um im Wandel trotzdem als Tradition zu bestehen?

In der Archäologie und Ethnologie finden sich zahlreiche Beispiele, die auf einen solchen Prozess hindeuten. So führt die nächste „Ebene“ der multimedialen Präsentation zu dem empirischen Material, das die vier Promovenden erforschen. Der Archäologe Lukas Wiggering verfolgt beispielsweise den Austausch von materiellen und immateriellen Gütern in der europäischen Bronzezeit. Mit der Verbreitung der Bronze gingen umfassende gesellschaftliche Veränderungen einher:

„Eliten bildeten sich heraus, die mit Hilfe des glänzenden Metalls ihre gesellschaftliche Stellung begründeten und ihr Ausdruck verliehen. Angetrieben vom Streben nach Geltung, intensivierten sich die Kontakte zwischen den Regionen Europas, oft über weite Entfernungen hinweg“, erläutert Wiggering. Er untersucht, inwiefern sich dabei Wertvorstellungen und Traditionen zwischen den betreffenden Räumen bewegten und wie mit fremden Einflüssen umgegangen wurde.

Menschen | Tun | Dinge: „Ein Titel, der stutzig macht – doch bei näherer Betrachtung wird ersichtlich, dass eben diese drei Worte als Stellvertreter für den Begriff ‚Kultur‘ stehen können“, sagt die Archäologin Fleur Kemmers. Und Hahn fügt hinzu: „Die Kultur einer Gesellschaft wird durch die Handlungen von Menschen – deren Tun – geformt. Und Dinge, die Menschen herstellen, gebrauchen oder denen sie besondere Bedeutung zumessen, gibt und gab es in allen Kulturen und zu allen Zeiten.“

Im Zentrum der Ausstellung und ihrer virtuellen Präsentation, deren ansprechendes minimalistisches Konzept die junge Mainzer Grafikerin Martina Miocevic in enger Kooperation mit den Kuratoren und Promovenden entwickelt hat, steht die Frage, wie Menschen und Dinge sich wechselseitig beeinflussen.

[dt_call_to_action content_size=“small“ background=“fancy“ line=“true“ animation=“fadeIn“]Ausstellung
im Foyer des IG-Farben-Hauses

15. Oktober bis 20. Dezember,
Begleitprogramm mit vier Gastvorträgen –
alle 14 Tage Wechsel des Themas:

Produktion und Gebrauch (15. bis 28.10.),
Tradition und Wandel (29.10. bis 11.11.),
Landschaft und Urbanisierung (12. bis 25.11.),
Wirtschaft und Verwaltung (26.11. bis 20.12.).

Virtuelle Ausstellung
ab 15. Oktober unter www.Menschen-Tun-Dinge.de

Publikation
Katalog zur Ausstellung
Kerber-Verlag (ca. 24 Euro)[/dt_call_to_action]

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