Öffentliche Veranstaltung mit dem Literaturwissenschaftler Bernd Stiegler und dem Philosophen Christoph Menke am 16. Mai im MMK Museum für Moderne Kunst.
„Claudia Andujar. Morgen darf nicht gestern sein“. Unter diesem Motto steht eine aktuelle Ausstellung im Frankfurter MMK Museum für Moderne Kunst. Zu sehen sind Bilderserien der Fotografin Claudia Andujar, entstanden in Brasilien seit den 1960er Jahren. Eine Serie – sie gilt bis heute als ihre wichtigste – heißt „Marcados“ (deutsch: „markiert“) und zeigt Angehörige einer indigenen Volksgruppe, die kleine Tafeln mit Nummern um den Hals tragen. Sie bildet den Anknüpfungspunkt für ein Podiumsgespräch über die Funktion des Bildes und die Tradition der ethnografischen Fotografie mit dem Titel „Markiert sein oder markiert werden? Reflexionen über die fotografische Serie ‚Marcados‘ von Claudia Andujar“ am Dienstag, den 16. Mai 2017, um 19.00 Uhr im MMK Museum für Moderne Kunst, Domstraße 10, 60311 Frankfurt am Main.
https://aktuelles.uni-frankfurt.de/event/markiert-sein-oder-markiert-werden-reflexionen-ueber-die-fotografische-serie-marcados-von-claudia-andujar/
Diskutanten sind der Literaturwissenschaftler Bernd Stiegler, Professor an der Universität Konstanz, zu dessen Spezialgebieten auch Theorie und Geschichte der Fotografie gehören, und der Philosophie-Professor Christoph Menke, der die Ästhetik der Moderne zu seinen Schwerpunkten zählt. Menke lehrt an der Goethe-Universität und ist Mitglied des Exzellenzclusters „Die Herausbildung normativer Ordnungen“. Der interdisziplinäre Forschungsverbund gehört ebenso zu den Ausrichtern des Podiumsgesprächs wie das MMK Museum für Moderne Kunst und das Jüdische Museum Frankfurt, dessen Leiterin Mirjam Wenzel die Veranstaltung moderiert. Der Eintritt ist frei. Die Ausstellung „Claudia Andujar. Morgen darf nicht gestern sein“ ist am 16. Mai von 18.00 bis 19.00 Uhr frei zugänglich. Um 18.00 Uhr findet zudem eine kostenlose öffentliche Führung durch die Ausstellung statt.
Die Schweizer Fotografin Claudia Andujar entkam dem Holocaust, dem ihre jüdische Familie väterlicherseits zum Opfer fiel, und emigrierte in den 1950er-Jahren nach Brasilien. Dort engagiert sie sich seit den 1970er-Jahren für die Rechte und das Überleben der Yanomami im Amazonasgebiet. Anfang der 1980er-Jahre startete eine von Andujar gegründete Kommission eine Impfkampagne, für die sie in verschiedenen Dörfern Porträtaufnahmen der Yanomami machte. Da die Yanomami traditionell keine Namen verwenden – sie sprechen sich mittels Familienrelationen an –, wurden ihnen zur Identifizierung für den Impfausweis Nummern um den Hals gehängt.
Den Titel „Marcados“ erhielten die Fotografien erst über 20 Jahre später, als sie 2006 erstmals auf der Biennale von São Paulo gezeigt wurden. Die Bilder von mit Nummern markierten Personen wecken historische Erinnerungen, die aufs engste mit Andujars Familienschicksal verknüpft sind, da ein großer Teil ihrer Verwandtschaft in Konzentrationslagern ermordet wurde. Claudia Andujar: „Das waren für mich die für den Tod Markierten. Was ich versucht habe, mit den Yanomami zu machen, war, sie für das Leben, für das Überleben zu markieren.“
Andujars Werk zeichnet sich bis heute durch eine hohe Aktualität und Brisanz aus. Im Titel der Ausstellung „Morgen darf nicht gestern sein“ spiegelt sich angesichts wiederkehrender politischer Ereignisse und gesellschaftlicher Entwicklungen in Brasilien die Botschaft der Künstlerin an die Gegenwart wider. Das Podiumsgespräch mit Bernd Stiegler und Christoph Menke wird die fotografische Serie „Marcados“ sowohl in ästhetischer wie auch historischer Hinsicht kontextualisieren und die ihr innewohnende Ambivalenz thematisieren.
Bernd Stiegler ist Professor für Neuere Deutsche Literatur mit Schwerpunkt Literatur des 20. Jahrhunderts im medialen Kontext an der Universität Konstanz. Seine Forschungsinteressen reichen von der Theorie und Geschichte der Medien, und hier insbesondere der Photographie, bis zur deutschen und französischen Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts. Zu seinen jüngsten Publikationen zählen: „Spuren, Elfen und andere Erscheinungen. Conan Doyle und die Photographie“ (2014) und „Der montierte Mensch. Eine Figur der Moderne“ (2016).
Christoph Menke ist Professor für Praktische Philosophie mit Schwerpunkt Politische Philosophie und Rechtsphilosophie im Exzellenzcluster „Die Herausbildung normativer Ordnungen“ und im Institut für Philosophie an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Seine Arbeitsgebiete erstrecken sich ebenso auf Theorien der Subjektivität, Ethik und Ästhetik. Bei der Ästhetik gilt sein Hauptaugenmerk der Ästhetik der Moderne sowie der Tragödie und dem Theater. Jüngste Publikationen (u.a.): „Die Kraft der Kunst“ (2013) und „Kritik der Rechte“ (2015).
Quelle: Pressemitteilung vom 11. Mai 2017