Der diesjährige Tag der Rechtspolitik an der Goethe-Universität, zu dem der Fachbereich Rechtswissenschaft gemeinsam mit dem Hessischen Ministerium der Justiz einlädt, befasst sich mit den widersprüchlichen gesellschaftlichen Erwartungen, die sich an die aktuelle Rechtpolitik richten. Zum Thema „Das Recht zwischen moralischer Aufrüstung und Regelbruch“ finden am Donnerstag, 28. November, von 10 bis 14.30 Uhr im Hörsaalgebäude, Hörsaal 1 (Campus Westend) Vorträge und Diskussionsrunden statt. Die Veranstaltung ist öffentlich.
An den Gesetzgeber werden zunehmend Forderungen herangetragen, moralisch gebotenes Handeln rechtlich durchzusetzen, so z.B. bei den geplanten Regelungen zur Organspende und zur Masern-Impfpflicht. In anderen Bereichen hingegen werden immer häufiger Regelbrüche beobachtet oder beklagt – sei es bei Meinungsäußerungen in sozialen Netzwerken (mediale Verrohung), bei der Verschaffung von fragwürdigen Steuervorteilen (z.B. Cum-Ex-Geschäfte) oder durch verwerfliches Verhalten bei schweren Verkehrsunfällen (sog. Gaffer oder das Filmen von Unfallopfern). Für die einen sind solche Regelbrüche Anlass, verschärfte rechtliche Sanktionen zu fordern, andere befürchten eine staatliche Überreaktion.
Diesem Spannungsfeld zwischen moralischer Aufrüstung und Regelbruch widmet sich der Tag der Rechtspolitik 2019. So wird sich die Sozialrechtlerin Prof. Astrid Wallrabenstein (Goethe-Uni) mit der Organspende und der Masern-Impfpflicht auseinandersetzen („Organspende-Nudge und Masern-Impfpflicht: Diskursethische Fingerübungen des Parlaments“). Staatsanwalt Dr. Benjamin Krause von der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main nimmt sich des Themas „Hassrede“ an („Hate Speech“ in sozialen Netzwerken – ein Fall für das Strafrecht?). Der Steuerrechtler Prof. Philipp Lamprecht (Goethe-Uni) zeigt „Moral und Grenzverhalten im Steuerrecht“ auf. Am Nachmittag diskutieren die Vortragenden gemeinsam mit Prof. Beatrice Brunhöber sowie dem Präsidenten des Landgerichts Frankfurt am Main, Dr. Wilhelm Wolf, auf dem Podium und mit dem Publikum. Prof. Klaus Günther, Dekan des Fachbereichs Rechtswissenschaft, wird das Podium moderieren.
Erstmals wird im Rahmen des Tages der Rechtspolitik der Lucy-Liefmann-Preis verliehen. Er geht an die beste wissenschaftliche Hausarbeit eines Kalenderjahres mit Bezug zu Gleichstellungs- und Geschlechterfragen. Der Preis, der von der Kanzlei GvW Graf von Westphalen gemeinsam mit dem Gleichstellungsrat des Fachbereichs verliehen wird, erinnert an die erste Frau, die an der juristischen Fakultät der Frankfurter Universität promoviert wurde. Thema der Dissertation von Lucy Liefmann: „Die Unterhaltspflicht des außerehelichen Vaters nach kontinentalen Rechten“. Als Jüdin und engagierte Sozialdemokratin wurde sie 1942 von den Nationalsozialisten in den Tod getrieben.
Der Frankfurter Tag der Rechtspolitik wird seit 1992 jährlich vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Goethe-Universität in Zusammenarbeit mit dem Hessischen Ministerium der Justiz veranstaltet.
Das Tagungsprogramm finden Sie hier.