Eine engagierte, aber insgesamt faire Podiumsdiskussion, in der unter anderem über die Ein- und Ausladung des Polizeigewerkschafters Rainer Wendt, über die Freiheit der Rede an der Universität und über die Gefahr populistischer Diskurse gestritten wurde.
Ein aus allen Nähten platzender Hörsaal, und das am Freitagabend um 19 Uhr: Keine Frage, die lange angekündigte und hochkarätig besetzte Veranstaltung am 19. Januar zog zahlreiche Hochschulangehörige und auch Interessierte aus der Stadtgesellschaft in den Hörsaal 3. Auch einige Medienvertreter hofften auf eine ebenso lebendige wie auch aufschlussreiche Auseinandersetzung, die sich dann auch gleich von der ersten Minute an einstellen sollte. Moderator Meinhard Schmidt-Degenhard kündigte eine strenge Diskussionsleitung an und ließ, wie es oft in vergleichbaren Talkshows im Fernsehen zu beobachten ist, keine in die Länge gezogenen Wortbeiträge zu.
Eine Strategie, die insgesamt für einen recht flüssigen und abwechslungsreichen Gesprächsverlauf sorgte. Nach dem Grußwort der Universitätspräsidentin Prof. Birgitta Wolff, in dem sie unter anderem betonte, dass die Universität viel Meinungsfreiheit vertrage und ein „Ort des Streits und des Ringens um bessere Lösungen“ sei, gab Joachim Braun, Chefredakteur der Frankfurter Neuen Presse, einen kurzen Impuls. Braun stellte die These auf, dass die Universität sich mit der Ausladung Wendts geschadet habe; eine wehrhafte Demokratie müsse den Diskurs mit dem Polizeigewerkschafter ertragen.
Polizeiexperte oder Scharfmacher?
„Nicht die Goethe-Universität, sondern ich habe Rainer Wendt ausgeladen“, betonte die Ethnologin Prof. Susanne Schröter direkt in ihrem ersten Statement. Da in dem von 60 Unterstützern unterzeichneten Offenen Brief Wendt als „Rassist“ bezeichnet worden sei und auch weitere kritische Stimmen innerhalb und außerhalb der Universität zu vernehmen gewesen seien, habe sie sich zusammen mit ihrem Team dazu entschlossen, Wendts vorgesehenen Vortrag „Polizeialltag in der Einwanderungsgesellschaft“ abzusagen.
Sie habe Wendt eingeladen, um etwas über den Polizeialltag zu erfahren; er sei für sie durchaus diskursfähig, sie würde ihn nicht als Rassisten bezeichnen. Schröter beklagte, dass heute „Markierungsbegriffe“ wie Rassist oder Sexist begründungslos verwendet würden; dadurch entstehe ein Klima der Angst, in dem manche Hochschullehrende sich nicht mehr trauten, eine Meinung jenseits von links zu äußern.
Maximilian Pichl, Jurist und Mitunterzeichner des Offenen Briefes, wies darauf hin, dass auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die zu Themen wie Rassismus und Gender forschten, im Alltag bedroht würden. Er betonte, dass der Offene Brief keine „Diskursmacht“ beansprucht habe; er sei ebenfalls Ausdruck der Meinungsfreiheit an der Universität.
Er und die anderen Unterzeichner hätten keineswegs mit der Absage des Vortrages von Wendt gerechnet; stattdessen habe man sich sogar schon Fragen an den Polizeigewerkschafters überlegt. Auf Nachfrage des Moderators bestätigte Pichl, dass man sich dem Diskurs mit Wendt nicht verweigert hätte. Johannes Fechner, stellv. AStA-Vorsitzender, wies die Kritik am Offenen Brief und am Protest gegen Wendts Einladung zurück:
„Wir sind keine Despoten und möchten auch nicht zensieren. Bildung hat immer auch eine bildungspolitische Seite; in diesem Sinne wollten wir intervenieren.“ Mit dem Protest wollte man Wendt die Legitimierung an der Universität nehmen, keineswegs aber die Meinungsfreiheit beschneiden.
Mit Wendt sprechen oder (nur) über ihn sprechen?
Prof. Bernd Belina, Humangeograph und Polizeiforscher an der Goethe-Universität, stellte in Abrede, dass Wendt Experte für die Polizeiarbeit in der Migrationsgesellschaft sei: „Wendt verbreitet Gerüchte, kennt nur ein Freund-Feind-Schema und sollte daher nicht an der Universität sprechen“, so Belina. Man solle im universitären Kontext lieber über ihn statt mit ihm sprechen.
Universitätspräsidentin Prof. Birgitta Wolff betonte, dass die Universität ein Diskursraum, kein Schutzraum, sei; hier werde man immer auch mit anderen Auffassungen konfrontiert. Die Freiheit von Forschung und Lehre sei ein zentraler Wert an einer Universität; die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entschieden selbstständig, wen sie zu ihren Veranstaltungen einladen und wen nicht.
Man solle der Mündigkeit der universitären Community dies zutrauen. Prof. Rainer Forst, Professor für Politische Philosophie und einer der Sprecher des Exzellenzclusters Normative Ordnungen, wies auf den Begriff der „demokratischen Toleranz“ hin, der keineswegs besage, dass Scharfmachern und Populisten nicht widersprochen werden müsse. Die Universität sei gerade ein geeigneter Ort, deren Ideologien zu analysieren und zu entlarven.
Bei einer Ausladung von Rednern wie Wendt bestehe immer auch die Gefahr, dass man sie dadurch zu Märtyrern mache: „Wo Unvernunft regiert, muss man den öffentlichen Gebrauch der Vernunft praktizieren.“ Er verteidige nicht die Einladung Wendts, sondern die Freiheit seiner Kollegin Schröter, ihn einzuladen. Bernd Belina gab zu bedenken, dass er sich als Wissenschaftler für einen Schlagabtausch mit einem polarisierenden und mitunter auch „pöbelnden“ Redner wie Wendt, der häufig in Talkshows auftrete, nicht gewappnet fühle.
Maximilian Pichl ergänzte, dass der heutige Populismus kompliziert zu entlarven sei und daher besser an der Uni keinen Platz bekommen sollte. „Ich finde das äußerst bedenklich, dass die Kritiker an Wendts Einladung sich offensichtlich mit bestimmten Positionen nicht beschäftigen wollen“, sagte demgegenüber Rainer Forst. Bei aller zutreffenden Infragestellung und Kritik der Positionen Wendts dürfe sich eine Institution nicht in Zensur üben.
Dieser Artikel ist in der Ausgabe 1.18 (PDF-Download) des UniReport erschienen.