Zum 100-jährigen Jubiläum der Veröffentlichung von James Joyces Roman Ulysses (1922) hat das Generalkonsulat von Irland in Frankfurt die Wanderausstellung „100 Years of Ulysses“ organisiert. Die Ausstellung macht jetzt in Frankfurt an der Goethe-Universität Station und wird am 20. Oktober um 17 Uhr im IG-Farben-Gebäude (Raum 411) am Campus Westend feierlich eröffnet.
In „Ulysses“ beschreibt Joyce in 18 Episoden einen einzigen Tag, den 16. Juni 1904, im Leben des Leopold Bloom, der als Anzeigenaquisiteur bei einer Dubliner Tageszeitung arbeitet. In Anlehnung an Homers Irrfahrten des Odysseus lässt er Bloom durch Dublin wandern, während seine Ehefrau (anders als Odysseus‘ treue Penelope) zu Hause ihren Liebhaber empfängt. Ulysses wurde zum modernistischen Klassiker, weil der Roman auf radikale Weise mit neuen Erzählformen experimentiert. Eine davon ist der Bewusstseinsstrom, der seine Leser scheinbar ungefiltert an den gedanklichen Assoziationen, Erinnerungsfetzen und geheimen Wünschen der Figuren teilhaben lässt. Die Ausstellung im IG-Farben-Haus, die bereits in Mainz und Darmstadt zu sehen war, führt an 22 Stationen ins Leben des Autors ein und vermittelt spannende Informationen zu seinem Werk und den Hintergründen des Entstehens, aber auch über Joyces Familie.
Bei der Eröffnung wird der irische Botschafter Dr. Nicholas O’Brian sprechen. Im Anschluss liest die vielfach ausgezeichnete irische Autorin Emilie Pine aus ihrem neuen Roman „Ruth & Pen“, der Ulysses für unsere Gegenwart neu erzählt. Die Veranstaltung mündet in eine Diskussionsrunde mit Prof. Astrid Erll und Dr. John Greaney, beide Mitveranstalter von der Goethe-Universität.
Dr. John Greaney ist derzeit Marie Curie Hessen Fellow bei der Anglistin Astrid Erll an der Goethe-Universität. Er wurde am University College Dublin in Irland promoviert, an dem auch James Joyce studiert hat. Greaney hat zwei Bücher zum Thema irischer Modernismus publiziert, „The Distance of Irish Modernism: Memory, Narrative, Representation“ und „Irish Modernisms: Gaps, Conjectures, Possibilities“, beide bei Bloomsbury erschienen. Prof. Astrid Erll arbeitet derzeit an einem Buch zur Erinnerungsgeschichte der Odyssee, wofür sie ein Opus Magnum der VolkswagenStiftung erhalten hat. Dabei geht es auch zentral um James Joyces „Ulysses“ als Kristallisationspunkt der modernen Erinnerung an die Odyssee. „Joyces Roman hat das Verständnis der Figur Odysseus verändert, er wurde nun als der ‚wandernde Andere‘ wahrgenommen“, erklärt Erll. Auch in der so genannten Flüchtlingskrise von 2015/16 sei in der Presse von den Geflüchteten im Mittelmeer oft als Menschen auf einer „neuen Odyssee“ die Rede gewesen. Emilie Pines „Ruth and Pen“ (2022) könne man ebenfalls in dieser Linie der Erinnerungsgeschichte im 20./21. Jh. verstehen, denn darin werde die Odyssee zu einer weiblichen, queeren und neurodiversen Reise durch Dublin.