Sind Männer in Teams mit Frauen produktiver?

Ferdinand von Siemens, Professor für Angewandte Mikroökonomie
Ferdinand von Siemens, Professor für Angewandte Mikroökonomie

Warum beeinflusst das Geschlecht von Mitgliedern eines Teams die Produktivität von Teamarbeit? Mit dieser Frage hat sich Ferdinand von Siemens, Professor für Angewandte Mikroökonomie an der Goethe-Universität Frankfurt, in einem aktuellen Paper* beschäftigt. 

Studien zeigen, dass gemischt-geschlechtliche Teams produktiver sind als reine Männer- oder Frauen-Teams. Warum ist das so?

Es gibt verschiedene Ansätze, diese empirischen Ergebnisse zu erklären. Zunächst einmal gibt es viele Studien, die nahelegen, dass jede Art von Diversität für Teams vorteilhaft ist. Dadurch können verschiedene Ansichten und Fähigkeiten ineinander spielen und einseitige Entscheidungen vermieden werden. Dies gilt auch für Gender-Diversität. In meiner Arbeit untersuche ich einen anderen Aspekt, nämlich die Frage, welche Rolle die soziale Interaktion zwischen Männern und Frauen in diesem Kontext spielt. Wir wissen aus der Sozialpsychologie, dass sowohl Männer als auch Frauen ihr Verhalten in der Anwesenheit des jeweils anderen Geschlechts verändern. Nach der Theorie des „social signaling“ lässt sich das damit erklären, dass jeder versucht, dem anderen Geschlecht besonders positive Eigenschaften zu signalisieren, die ihn oder sie besonders attraktiv erscheinen lassen. Übertragen auf den Arbeitskontext könnte dies ein weiterer Grund für den Erfolg von gemischtgeschlechtlicher Teamarbeit sein.

Diese Verhaltensänderung muss aber nicht zwangsläufig positiv sein für ein Team. 

Darüber lässt sich sicherlich streiten. Ich halte es aber für wahrscheinlich, dass der Effekt prinzipiell positiv ist, weil man schließlich nicht gut vorteilhafte Eigenschaften von sich signalisieren kann, indem man ein Verhalten an den Tag legt, das dem Team schadet. Insofern habe ich mich in meinem Paper darauf konzentriert zu untersuchen, unter welchen Bedingungen das soziale Signalisieren in Teams eine positive Rolle spielen kann.

Welche Bedingungen sind das?

Ein Aspekt ist das Alter. Psychologische Studien zeigen, dass jedes Signalisieren strategisch ist und insbesondere zwischen Leuten stattfindet, die Interesse an einer Partnerschaft haben. Somit dürften die genannten Effekte in Teams mit jüngeren, ungebundenen Mitgliedern stärker sein als in solchen mit älteren. Des Weiteren spielt es eine Rolle, ob noch andere externe Anreize vorhanden sind. Meinen Ergebnissen zufolge ist das soziale Signalisierungsspiel besonders dann relevant, wenn es keine anderen Anreize gibt. Der Hintergrund ist, dass sich Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten ohne irgendwelche Anreize recht ähnlich verhalten. Ob jemand besonders schlau ist oder nicht, lässt sich also nicht erkennen. In einer solchen Situation müssen sich einzelne Mitglieder mit sozialen Signalen hervorheben, um dem anderen Geschlecht zu imponieren. Gibt es dagegen starke monetäre oder andere Karriere-Anreize, versuchen ohnehin alle, ihr Bestes zu geben und es trennt sich gewissermaßen die Spreu vom Weizen. Social Signaling spielt dann keine große Rolle, da sich die Guten ohnehin von den schlechteren abheben. Für Arbeitgeber ist diese Erkenntnis wichtig, denn monetäre Teamanreize sind einerseits teuer und andererseits oft ineffektiv, wenn man Mitnahmeeffekte nicht verhindern kann. Gender-Diversität könnte in diesen Situationen die nötigen Anreize schaffen, um zu besseren Team-Ergebnissen zu kommen.

Dann geben Ihre Ergebnisse keinen Aufschluss über den Erfolg der Frauenquote in Aufsichtsräten.

Das ist richtig. In solchen Gremien liegen in der Regel ausreichend monetäre und Karriere-Anreize vor und die Mitglieder sind meist nicht mehr ganz jung.

Ist es nicht letztlich sehr klischeebehaftet davon auszugehen, dass sich sowohl Männer als auch Frauen – in einem Arbeitskontext – immerzu gegenüber dem anderen Geschlecht profilieren wollen? 

Das mag sein, die Frage ist aber, ob der einzelne sich da bewusst heraushalten kann. Zum einen erfolgt dieser Vorgang des Signalisierens eher unbewusst, evolutionsbiologisch durch den Fortpflanzungstrieb erklärbar. Zum anderen ist man letztlich von seinem sozialen Umfeld zu einem solchen Verhalten gezwungen. Denn es geht nicht nur um die Frage: Verschafft mir das Signalisieren bestimmter Eigenschaften einen Vorteil? Sondern auch umgekehrt darum, ob es mir nicht konkrete Nachteile bringt, wenn ich nicht signalisiere, was mein Umfeld von mir erwartet. Jede Gesellschaft ordnet den Angehörigen bestimmter sozialer Gruppen, und somit auch den Geschlechtern, Eigenschaften zu, die im Allgemeinen erwartet werden. Wenn jemand diese Eigenschaften nicht durch sein Verhalten signalisiert, wird er oder sie auf die ein oder andere Weise bestraft. In der Praxis kann es also sein, dass zum Beispiel Männer anwesende Frauen nicht unbedingt besonders beeindrucken wollen, indem sie etwa sehr riskant agieren, sondern dass sie eher den Eindruck vermeiden wollen, sie seien risikoscheu und erfüllten somit nicht die Erwartungen an einen Mann.

Größeres Risiko ist im Arbeitsalltag ja nicht nur positiv.

Es kommt auf die Situation an. In einem Team, das neue kreative Produktideen entwickeln soll, kann mehr Risiko positiv sein, in einem Team, das sich um Risikomanagement kümmern soll, wird es eher negativ sein. In jedem Fall gibt es Studien die besagen, dass Männer in Anwesenheit von Frauen größere Risiken eingehen. Insofern sollten Unternehmen in dieser Hinsicht sensibel sein.

Das ist überraschend. Es gibt sicherlich viele Unternehmen, die bemüht sind, gerade im Bereich Risikomanagement Frauen in Teams zu integrieren, um die Risikofreude von Männern zu neutralisieren.

Aus wissenschaftlicher Sicht ist das leider nicht eindeutig. Natürlich gibt es den Effekt, dass Frauen, die im Allgemeinen risikoaverser sind als Männer, damit Entscheidungen des Teams beeinflussen können. Es könnte aber eben auch den gegenteiligen Effekt geben, wenn die männlichen Teammitglieder ihren Risikoappetit durch die Anwesenheit einer oder mehrerer Frauen steigern. Welcher Effekt am Ende überwiegt, hängt auch noch von vielen anderen Faktoren ab. Es gibt aber empirische Evidenz dafür, dass es in solchen Fällen zu einer Überreaktion kommen kann. So hat eine Studie gezeigt, dass rein weiblich besetzte Teams altruistischer handeln als rein männlich besetzte, dass aber gemischte Teams am altruistischsten handeln. Hier möchten sich anscheinend die Frauen gegenüber den Männern als ganz besonders altruistisch und damit weiblich darstellen. Dieser Effekt des Überschießens bestimmter – letztlich gender-typischen – Eigenschaften wird sicherlich noch verstärkt, wenn aufgrund mehrerer Teammitglieder des einen Geschlechts eine Konkurrenzsituation um das andere Geschlecht entsteht.

Könnte es aber nicht auch umgekehrt sein, dass sich Frauen in einem männlich dominierten Arbeitsumfeld aus strategischen Gründen eher stark und weniger weiblich darstellen möchten?

Das ist natürlich möglich. Aber es gibt eine bekannte Studie, die gezeigt hat, dass Frauen, die sich in Lohnverhandlungen besonders fordernd, bzw. ähnlich forsch wie Männer verhalten, dafür bestraft werden, und zwar insbesondere von Männern. Ein „unweibliches“ Verhalten, das als sozial unangemessen angesehen wird, bringt insofern eher Nachteile als Vorteile.

*von Siemens, Ferdinand (2015): „Team Production, Gender Diversity, and Male Courtship Behavior“, CESifo Working Paper No. 5259.

Autorin: Muriel Büsser

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