Die Psychosoziale Beratungsstelle für Flüchtlinge der Goethe-Universität (PBF) unter Leitung von Prof. Dr. Ulrich Stangier beschäftigt sich angesichts der aktuellen Zuwanderung Geflüchteter aus der Ukraine mit den psychischen Folgen von Migration und Flucht im Rahmen der Ukrainekrise. Durch die Unterstützung der Freunde und Förderer der Goethe-Universität sowie die Polytechnische Gesellschaft konnten in Kooperation mit der Stadt Frankfurt die Angebote der Beratungsstelle an den gestiegenen Bedarf und die Bedürfnisse ukrainischer Geflüchteter angepasst werden. Weiterhin werden im Rahmen einer Kooperation mit ukrainischen Kolleg*innen in der Ukraine Workshops zum Umgang mit psychischen Kriegsfolgen angeboten.
Im Rahmen des Krieges in der Ukraine sind seit Ende Februar 2022 mehr als eine Million Menschen nach Deutschland geflohen. Bereits im Zuge der Fluchtbewegungen der vergangenen Jahre hat sich ein Bedarf an psychosozialer Unterstützung für Geflüchtete gezeigt. Bereits seit 2015 werden in der Psychosozialen Beratungsstelle für Flüchtlinge (PBF) am Zentrum für Psychotherapie Geflüchtete, die aufgrund belastender Erlebnisse durch Krieg, Flucht und Verlust von Angehörigen wiederkehrende und plötzliche Gefühle von Angst, Traurigkeit oder starke Stimmungsschwankungen, Konzentrationsschwierigkeiten, Schlafstörungen, Schmerzen und andere körperliche Symptome aufweisen, behandelt. Ab dem Beginn des Krieges in der Ukraine bemerkten die Mitarbeiterinnen einen erhöhten Bedarf an psychosozialer Erstversorgung ukrainischer Geflüchteter. Proaktiv und kurzfristig wurde in der Beratungsstelle daraufhin eine muttersprachliche Telefonsprechstunde eingeführt.
Anna Dudka, die auf Ukrainisch erste Auskunft gab, gibt an, dass bereits in den ersten Wochen erste Anfragen für Beratungen gestellt wurden sowie viel nach Aufklärung und Informationen zu Erhalt der psychischen Gesundheit gefragt wurde: „Viele ukrainische Geflüchtete haben viele Ressourcen und denken über die Folgen des Krieges auf die psychische Gesundheit und Möglichkeiten der eigenen präventiven Einflussnahme nach.“ Auch die Stadt Frankfurt wurde auf das Angebot aufmerksam, gemeinsam wurden Möglichkeiten weiterer Angebote ausgelotet. Ab Juni etablierte die Beratungsstelle daher eine weitere psychosoziale Sprechstunde, die in den Räumlichkeiten des Ukrainian Coordination Center (UCC) im Amt für multikulturelle Angelegenheiten (AmkA) angeboten werden konnte. „Im Sinne einer Willkommenskultur ist das Ziel der Bürgermeisterin Dr. EskandariGrünberg, im stadtRAUMfrankfurt im AmkA möglichst viele Angebote für Geflüchtete an einem Ort machen zu können“, berichtet die Koordinatorin der PBF im Bereich „Ukraine“, Anica Nicolai. „Innerhalb dieses Ansatzes, Angebote aus allen Lebensbereichen an einem Ort zu vereinen, fand unser Angebot der Psychosozialversorgung daher großen Anklang.“
In der Beratung spielt dabei vor allem der Umgang mit der veränderten Lebenssituation eine große Rolle. „Es kommen größtenteils Frauen zu uns in die Beratung, die nun alleine in einem neuen Land die Erziehung ihrer Kinder und den Lebensunterhalt bestreiten müssen, während gleichzeitig eine Sorge um Partner und Familie in der Heimat dominiert“, berichtet Nicolai. Sie ergänzt, dass die Gruppe der Geflüchteten sich diesbezüglich hinsichtlich ihrer Probleme und Sorgen von Gruppen aus anderen Ländern unterscheidet, da oftmals auch ein starker Wunsch vorhanden ist, zügig in die Heimat zurückkehren zu können.
In der Beratung kann diese Belastung inhaltlich aufgegriffen und eingeordnet werden, um einen Umgang mit der Situation zu finden, solange die Frauen und ihre Kinder in Deutschland sind und sich hier vorerst ein Leben aufbauen. Anna Dudka bestätigt, dass eines der zentralen Themen ist, dass das Leben aufgrund der unsteten Entwicklungen der Kriegslage stillzustehen scheint. Insbesondere wird sich um die psychische Gesundheit und die weitere Ausbildung der Kinder gesorgt. Aufgrund dieser besonderen Lage eruierte die PBF auch weitere Unterstützungsmöglichkeiten für die Geflüchteten aus der Ukraine. Mittlerweile wurde das Beratungsangebot deshalb ebenfalls auf Kinder und Jugendliche ausgeweitet sowie bestehende gruppentherapeutische Angebote zunächst auf Ukrainisch übersetzt und adaptiert.
Ersthilfe auch in der Ukraine
Ein weiterer Bereich, in dem sich die Frankfurter Psycholog*innen der PBF engagieren konnten, wurde im August dieses Jahres eröffnet. Eine Anfrage von Kolleg*innen der Psychologie, Soziologie und weiterer Bereiche hatte Prof. Stangier erreicht, mit der Bitte um Unterstützung in der Erkennung posttraumatischer Belastungsreaktionen sowie dem Umgang mit diesen vor Ort. Daraufhin entstand ein Austausch darüber, wie die Erfahrungswerte aus Frankfurt in der „psychological first aid“ vor Ort genutzt werden können. Dem Team gelang es, die psychologische Psychotherapeutin Dr. Jennifer Hillebrecht, die bereits bei „Ärzte ohne Grenzen“ in Burundi sowie in der Arbeit mit geflüchteten jesidischen Frauen aus dem Irak Erfahrungen mit dem Thema psychischer Gesundheit in Krisensituationen gesammelt hatte, für eine Workshop-Reihe mit den ukrainischen Kolleg*innen zu gewinnen.
In diesen Workshops konnte der Erfahrungsaustausch gefördert sowie evidenzbasierte Strategien im Umgang mit traumatischen Erlebnissen erarbeitet werden. „Vor verschiedenen Hintergründen der Teilnehmenden war es möglich, Grundlagen zum Umgang mit anhaltender und wiederholter Traumatisierung zu besprechen, was eine Besonderheit der Lage unserer Kolleg*innen in der Ukraine darstellt. Wir arbeiten hier in der PBF vor allem mit Personen, die sich in Deutschland in Sicherheit befinden, sodass wichtig ist, die besonderen Umstände vor Ort zu berücksichtigen“, fügt Dudka an. In Zukunft soll die Kooperation einen weiteren Austausch und Möglichkeiten für erneute Workshops ermöglichen.
Psychosoziale Beratungsstelle für Flüchtlinge (PBF) am Zentrum für Psychotherapie der Goethe-Universität
E-Mail: PBF@psych.uni-frankfurt.de;
Telefon: 069/798-25366;
www.bit.ly/PBF-psych-uni-frankfurt
Telefonsprechstunde für ukrainische Geflüchtete:
Dienstag: 09.30 bis 11.30 Uhr;
Mittwoch: 14.00 bis 15.00 Uhr,
Donnerstag 10.00 bis 12:00 Uhr.