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Serie Seniorprofessuren / Prof. Helmut Niegemann im Interview

Wer sind eigentlich die knapp 30 Seniorprofessorinnen und –professoren an der Goethe-Universität, die sich auch nach ihrer Pensionierung noch in der Lehre engagieren? In einer mehrteiligen Serie werden sie hier vorgestellt. 

Um die Betreuungsrelationen zu verbessern und ein zusätzliches hochqualifiziertes Lehrangebot anbieten zu können, besteht seit Ende 2009 an der Goethe-Universität die Möglichkeit, Seniorprofessuren einzurichten. Pensionierte oder emeritierte Professorinnen und Professoren der Goethe-Universität oder anderer Universitäten mit ausgewiesener Lehrkompetenz kommen für eine Seniorprofessur infrage und können somit auch nach ihrer Pensionierung weiterhin in der Lehre tätig sein. Das Lehrdeputat liegt zwischen vier und acht Semesterwochenstunden und schließt die Verpflichtung zu prüfen ein.

Teil 11 – Prof. Helmut Niegemann

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Prof. Helmut M. Niegemann (71) ist seit 2014 Seniorprofessor am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Goethe-Universität. Sein Lehrdeputat beträgt acht Semesterwochenstunden.

 

 

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Herr Prof. Niegemann, wie kam es zu der Entscheidung für eine Seniorprofessur und was war Ihre Motivation, sich für weitere Lehrjahre an der Goethe-Uni zu entschieden, statt ihre freie Zeit zu genießen?

Ich habe vor der Seniorprofessur nicht an der Goethe-Uni gearbeitet, sondern hatte an der Universität Erfurt den Lehrstuhl für Lernen und neue Medien und die Leitung eines Instituts. Ich hätte auch dort nach der Verrentung weitergearbeitet, aber da man bei der Abschaffung eines großen Lehrstuhls viel einsparen kann (das hatte in Erfurt Priorität), war das nicht erwünscht. Ich bin dann 2014 mit meiner Frau nach Kaiserslautern gezogen und bekam schon im Sommer die Anfrage von Prof. Eveline Wuttke, ob ich die Seniorprofessur übernehmen möchte. Ich habe das gerne gemacht, zumal ich auch in den 90er Jahren an der Uni Mannheim im Bereich der Wirtschaftspädagogik tätig war. „Freie Zeit genießen“ unterstellt in gewisser Weise, dass Lehren und Forschen beschwerliche Aufgaben sind, die loszuwerden man sich freuen müsste. Das ist bei mir und vielen Kolleginnen und Kollegen aber gar nicht der Fall. Ich genieße es eher, dass meine Kompetenzen noch gebraucht werden können und ich ja auch gefordert bin, mich auf dem neuesten Stand zu halten.

Gab es Situationen, in denen Sie Ihre Entscheidung bereut haben?

Überhaupt nicht!

Büro vs. Homeoffice, Gehalt vs. Rente, junge Kollegen vs. Senioren – wie haben sich die Rahmenbedingungen für Sie verändert?

Ich habe in Frankfurt das volle Lehrdeputat übernommen, aber ich kann die Anwesenheit in Frankfurt auf die Zeit für die Lehre, Sprechstunden und freiwillige Mitarbeit im Fachgebiet beschränken. Auf Gremienarbeit kann ich heute gerne verzichten. Weniger Arbeit als zuvor habe ich kaum, aber ich bin doch viel flexibler bei meiner Zeitplanung. Die Qualität der Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen hatte nie etwas mit dem Alter zu tun. Sie ist in Frankfurt und auch in Saarbrücken sehr gut. An einigen früheren Stationen gab es zwischen Kollegen auch Rangkämpfe, manchmal wie Kindergartengezanke.

Wenn Sie an Ihre allererste Vorlesung als Dozent zurückdenken und sie mit heute vergleichen: Was hat sich für Sie grundlegend in Ihrer Lehrtätigkeit gewandelt?

Die ersten Vorlesungen und Seminare vorzubereiten ist wohl für jeden neuen Dozenten stressig und macht viel Arbeit. Man kann im Laufe der Zeit zunehmend auf Vorbereitungen für ähnliche Lehrinhalte zurückgreifen, kann viele kritische Fragen antizipieren. Ein wesentlicher Unterschied zu meinen ersten Lehrveranstaltungen vor ca. 40 Jahren ist die mögliche Unterstützung durch digitale Medien; da das mein engeres Fachgebiet ist, mache ich davon ausgiebig Gebrauch. Dazu kommt, dass man aus der praktischen Erfahrung – ich war nicht immer nur an der Uni tätig – manches in die Lehre einfließen lassen kann; das war bei Beginn der Lehrtätigkeit (als Mitarbeiter) noch nicht der Fall.

Wenn Sie an Ihre Zuhörer von heute und damals denken: Wie hat sich das Bild der Studierenden verändert, das Sie wahrnehmen, wenn Sie in den Hörsaal blicken?

An meiner Wahrnehmung der Studenten hat sich gar nicht so sehr viel geändert. Ich kann die pessimistische Sicht (alles wird schlechter, Studenten haben nicht mehr das Niveau von früher) so nicht teilen. Es gab eher Wellenbewegungen, mal gab es angenehmere, mal weniger angenehme Jahrgangskohorten. Es gab auch Unterschiede zwischen den Fächern, in denen ich gelehrt habe. Mit Studierenden aus der Psychologie und der Wirtschaftspädagogik zu arbeiten war auch in den 90er Jahren generell angenehmer als mit Studierenden aus einigen anderen Fachbereichen. Erfahrungsbedingt weiß ich heute besser als beim Einstieg in die Universitätslehre, wie sich Studierende auch während des Studiums oft noch entwickeln können.

An welchen Projekten arbeiten Sie aktuell?

Ich arbeite teilweise mit an Projekten in der Wirtschaftspädagogik in Frankfurt (Projektanträge), als Honorarprofessor an meiner „Heimatuni“ Saarbrücken habe ich bis Anfang 2020 ein BMBF-gefördertes Teilprojekt zur Verbesserung der Ladungssicherung bei Berufskraftfahrern durch digitale mobile Medien. Außerdem bin ich dabei, mit dortigen Kollegen einen Online-Zertifikatskurs „Bildungstechnologie und E-Learning“ zu etablieren. Mit meinem Kollegen A. Weinberger gebe ich aktuell ein „Handbuch Bildungstechnologie“ bei Springer heraus (online bereits teilweise verfügbar, Printausgabe 2019). Danach plane ich mit einer früheren Doktorandin ein Lehrbuch „Instructional Design“ (systematische und evidenzbasierte Konzeption von Lehre).

Gelingt es Ihnen als Seniorprofessor viel mehr Zeit mit Dingen zu verbringen, die nicht mit Ihrer Profession zu tun haben? Haben Sie in der frei gewordenen Zeit neue Leidenschaften für sich entdeckt?

Ich habe bisher nichts Neues angefangen, bedaure das aber eben auch gar nicht. Von meinen drei Enkeln (ein Mädchen, zwei Jungs) leben zwei in Vancouver, außer einem jährlichen Besuch und wöchentlichen Skype-Gesprächen könnte ich mich ohnehin nicht mehr um sie kümmern. Der dritte Enkel (2 Jahre) lebt 120 km entfernt, mit dem kann ich mich alle 2-3 Wochen beschäftigen, aber das hat mit neu gewonnener Zeit wenig zu tun. Junge Kolleginnen und Kollegen mit kleinen Kindern haben da viel mehr Arbeit neben dem Beruf. Zweimal die Woche Karatetraining war auch in Erfurt möglich. Durch alle die selbstgewählten Aufgaben habe ich ja gar nicht mehr Zeit.

Wann ist Schluss?

Entweder: wenn die Goethe-Uni nicht mehr verlängern will oder: wenn ich merke, dass ich den Studenten nichts mehr beibringen kann, was für sie interessant ist oder wenn mein biologisches System nicht mehr so funktioniert, wie es für die Arbeit notwendig ist. Im Moment sehe ich von mir aus kein Zeitlimit.

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