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Unterwegs mit Tierpflegerin Denise Werner

Unter Fledermäusen, Wachteln und Wandelnden Blättern: Für Denise Werner ist Tierpflege in der Forschung ein »Beruf fürs Leben«. Im Arbeitsalltag spielen rund 3.000 Mäuse und 20.000 Fische eine prominente Rolle.

Suche den Frosch: Tierpflege plus Forschung hat Denise Werner zur Berufswahl motiviert. (Foto: Jürgen Lecher)

Eine Labormaus ist in der Regel schwarz, kann schon einmal »mopsig«, also süß, sein, und (selten!) 1.500 Euro kosten; sie kann an manchen Körperstellen grün aufleuchten und hat (noch seltener!) einen Namen, wenn ihr etwa die Mutter beim Putzen aus Versehen ein Beinchen abgebissen hat und sie von da an dreibeinig durchs Leben läuft. Dann heißt sie Willi.

Wer Tierpflegerin Denise Werner – schmal, lebhafter Blick, helle Stimme, die dunkelblonden Haare zum Zopf zusammengebunden – durch die Tierhaltung im Biologicum begleitet, erfährt nicht nur Anekdotisches. Beim Gang durch die hellgrau gestrichenen Flure erklärt die 28-Jährige auch ihren Alltag, in dem rund 3.000 Mäuse und 20.000 Fische eine prominente Rolle spielen. Zeitlich getaktet und oft nach speziellen Vorgaben der Wissenschaftler werden sie im Team versorgt. Im sterilen Ganzkörperanzug mit Mund-Nasenschutz führt Denise Werner die schuhkastengroßen Boxen der Labormäuse vor – sie sind mit Wellpappenschnipseln, Häuschen und Holzstäbchen zum Knabbern gefüllt, damit es den Bewohnern nicht langweilig wird. Die Tierpflegerin erklärt, dass Zebrabärblingen kaum mikromillimeterwinzige Pantoffeltierchen und Essigälchen ins Aquariumswasser gegeben werden, damit das Jagen bei der Nahrungsaufnahme nicht zu kurz kommt; dass Labortiere auf den Geruch der Pflegerin oder des Pflegers (Testosteron!) und die Art des Umgangs reagieren und deshalb achtsame Betreuer eine Maus problemlos zu fassen bekommen; dass sie selbst Injektionen setzt und Forschungsprojekte vorbereitet wie etwa durch Paarung von Mäusen, die Aufzucht von Fischeiern und Kaulquappen. Und vor allem: wie sie jeden ihrer Schritte akribisch genau dokumentieren muss. Denn jede Nachlässigkeit in der Dokumentation, jede Verwechslung von Tieren, jede Unsauberkeit bei deren Behandlung macht ein wissenschaftliches Experiment zunichte. Hinter der scheinbar monotonen Routine des Laborbetriebs steht jede Menge Verantwortung.

„Man arbeitet hier, weil man Tiere mag“: Denise Werner mit einer Kollegin und Tierärztin Dr. Janne Bredehöft (rechts). (Fotos: Jürgen Lecher)

Tierpfleger, so steht es in der Ausbildungsbeschreibung, arbeiten im Zoo, im Tierheim oder in der Forschung. Tiere und Forschung – am Thema Tierversuche führt auch im Gespräch mit Denise Werner und der sie beim Besuch begleitenden Tierärztin Dr. Janne Bredehöft kein Weg vorbei. Kuscheln mit Schimpansen? Das Kopfkino setzt ganz andere Bilder in Gang. Wer Tierpfleger in der Forschung besucht, bringt Vorbehalte und begründete Urteile mit.

„Unsere Arbeit sollte noch transparenter sein“

Urteile, die Denise Werner und Janne Bredehöft nur zu gut kennen. »Wir wollen sichtbar werden«, sagen sie. Und: »Unsere Arbeit sollte noch viel transparenter sein«. Natürlich gehe immer mehr, meinen die beiden Frauen. Die Tierschutz-Versuchstierverordnung von 2013 werde in Kürze verschärft. Grundlage für die jetzige Verordnung war bereits eine Selbstverpflichtung von Wissenschaftlern, die als »3R-Prinzpien« bekannt wurde: Tierversuche sollten möglichst ersetzt (replacement), reduziert (reduction) und besser gestaltet werden (refinement). Wer nicht ohne Tierversuche auskommt, muss sie deshalb umfangreich begründen, beantragen und dokumentieren, weiß die junge Tierpflegerin. Stichprobenartige Kontrollen sind die Regel. »Wenn ein Tier leidet, ist das ein Abbruchkriterium.« Sie sagt aber auch: Grundlagenforschung und Wirkstoffforschung kommen nicht ohne Tierversuche aus. Wie bewegt sich ein bestimmtes Protein im Körper? Wo wird etwa ein Medikament nach seiner Wirkung im Körper gespeichert? Ohne Gewebeproben etwa sei es schwer, Antworten für den Menschen zu bekommen.

Tierpflege plus Forschung, diese Kombination war für Denise Werner der Grund für ihre Berufswahl. Bewusst hat sie sich für diesen speziellen Zweig der Ausbildung entschieden, der sachkundige Tierpflege mit umfangreichen Medizinkenntnissen kombiniert. Sie wollte Forschung ganz nah erleben. Und zugleich wissen, was mit den Tieren in den Forschungseinrichtungen geschieht. Sichergehen, dass es ihnen gut geht. »Ich bin dafür da, dass die Tiere gut behandelt werden.« »Man arbeitet hier, weil man Tiere mag.« Auch das will Denise Werner gleich unmissverständlich klarstellen. »Das ist ein Beruf fürs ganze Leben.« Als so interessant und sinnvoll erlebe sie ihre Arbeit. »Ich leiste hier einen Beitrag für die Menschen – und für die Tiere.« Ernst gemeinte Worte, von einem Lachen begleitet.

Wie grenzenlos diese Tierliebe ist, kann der gewöhnliche Tierfreund kaum ermessen. Denise Werner und ihr Team betreuen Fledermäuse, Ratten, Wachteln und Insekten wie Wandelnde Blätter, Schaben und Tausendfüßler – die die Besucherin aber nicht zu Gesicht bekommt, weil dies die empfindlichen Tiere stören würde. Zu besichtigen sind dagegen die sozial robusteren Schützlinge: die schwarzen Mäuse, Zebrafische und Pfeilgiftfrösche, deren Terrarien das südamerikanische Heimatklima kopieren.

Ihre Schützlinge kennen sie genau

Ob sie ihre Schützlinge genau kennt? Die Frage erübrigt sich. »Wir müssen uns jedes Tier regelmäßig gut ansehen.« Zeigt es Krankheitssymptome? Legt es ein auffälliges Verhalten an den Tag? Wenn ja, dann muss Tierärztin Janne Bredehöft sofort verständigt werden.

Was mit ihren Schützlingen im Tierversuch geschieht, darüber ist Denise Werner immer genau informiert. »Uns wird alles genau erklärt«. Nicht immer gehe es den Wissenschaftlern dabei um das Tier selbst. An den Fischen, erklärt sie, interessiere auf dem Campus etwa der Laich. Denise Werner und ihre Kolleginnen sind zuständig für die Paarung der Fische und die Pflege der Eier. Kann es also sein, dass ein Tier auch schon einmal auf dem Campus Riedberg altersschwach wird? »Aber ja!« Die beiden Wachteln, deren Blut einmal im Jahr für eine Lehrveranstaltung gebraucht wird, dürfen alt werden, bis sie eines Tages eingeschläfert werden müssen, ebenso die Fische oder die Mäuse, die für Demenzforschung im Biologicum ohnehin betagt sein sollen.

Am Thema Tod kommt ein Tierpfleger in der Forschung trotzdem nicht vorbei. Wenn Gewebeproben gebraucht werden, muss eine Maus ihr Leben lassen. Immer unter der Vorgabe, dass ihr Körper möglichst vielen Wissenschaftlern für zahlreiche Fragestellungen dient. Ein großes Problem, erklärt Bredehöft, sei vor allem auch der Zuchtüberschuss, der entstehe, wenn nur eine bestimmte genetische Linie interessant sei, dabei aber auch Mäuse mit andere Genkombinationen geboren würden. Vor Jahren half eine Kooperation mit dem hiesigen Zoo, den Überschuss mit dem Bedarf an Mäusen zu koppeln. Doch nach aktuellen Gesetzen ist bei gentechnisch manipulierten Tieren eine Weitergabe als Futter für Zootiere untersagt. Der aufwendige bürokratische Genehmigungsprozess sei nicht zu leisten. »Wir müssen also bedacht züchten«, ist sich Tierärztin Bredehöft bewusst.

Tierliebe, betont Denise Werner noch, helfe auch, die Schattenseiten des Berufs auszubalancieren. Denn Tierpflege ist: ein Pflegeberuf. »Von unserem Gehalt wird man nicht reich«, formuliert Werner diskret. Schade sei, immer wieder gute Kolleginnen und Kollegen zu verlieren, weil die Universität sie nicht halten könne. Dazu komme: ein Beruf mit Wochenenddienst (Fütterung!), viel Routine, körperlicher Anstrengung. »Im Raum Frankfurt gibt es viele Forschungseinrichtungen und Firmen, die besser bezahlen als die Universität.« Allerdings böten sie, so Werner, meist nicht die Artenvielfalt, die sie an der Universität schätze.

Tierpflege ist Gruppenarbeit: Sechs Mitglieder des 17-köpfigen Teams im Biologicum.

Denise Werner kennt andere Einrichtungen: Nach ihrer Ausbildung am Paul-Ehrlich-Institut und erster Berufserfahrung dort wechselte sie auf eine befristete Stelle am Frankfurter Uniklinikum; danach folgte eine feste Stelle am Biologicum, an dem sie inzwischen als Vorarbeiterin neben der Tierpflege auch in die Materialbeschaffung, Inventur, Personalbetreuung und die Ausbildung einbezogen ist.

Personalverantwortung macht Denise Werner Spaß. Nicht ausschließen will sie deshalb, sich eines Tages über einen Meisterkurs in ihrem Beruf noch weiter zu qualifizieren. Als Meisterin könne sie mehr Personalverantwortung übernehmen, Fachkräfte und Auszubildende anleiten. Ideal sei natürlich, wenn ein Arbeitgeber anbiete, die 8.000 Euro teure Ausbildung selbst zu tragen, samt den Kosten, die im einmaligen Berliner Fortbildungsseminar anfielen. An Interesse fehlt es Denise Werner nicht. Denn wie war das noch? »Tierpflege ist ein Beruf fürs Leben«.

Autorin: Pia Barth

Experimente mit Tieren sind ein komplexes und sensibles Thema. Weiterführende Informationen dazu:

Dieser Artikel ist in der Ausgabe 3/2020 des Mitarbeitermagazins GoetheSpektrum erschienen.

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